Champions League:Sieg des Generals

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Trainerfilou José Mourinho führt Inter Mailand trotz einer 0:1-Niederlage gegen Barcelona ins Champions-League-Finale. Dort trifft er auf den FC Bayern München und seinen Lehrmeister Louis van Gaal.

Barça, Inter, Barça, Inter, gab es je ein Duell in der jüngeren Champions-League-Geschichte, das die Gemüter in Spanien und Italien gleichermaßen elektrisierte wie dieses Rückspiel im Camp Nou? Seit dem 3:1 für Mailand vor einer Woche ging es in beiden Metropolen jeden Tag, jede Stunde nur um diesen Showdown, und wer daran zweifelte, das ein Ereignis bevorstand am Mittwoch ab 20.45 Uhr, der musste sich nur jene Szenen zu Gemüte führen, die sich vor dem Anpfiff zutrugen. Als die Mannschaft des Futbol Club im Bus zum Stadion aufbrach, wurde dieser von Tausenden Roller- und Motorradfahrern jubelnd und Fahnen schwenkend eskortiert, es sah aus, als wäre Michael Jackson auferstanden und hätte seine Jünger zu sich gerufen.

Rot? Ja, Rot! So entschied in dieser Szene zumindest der Schiedsrichter. (Foto: Foto: AP)

Am Abend, gegen 22.40 Uhr, stand fest: Niemand hatte sich geirrt, es war ein besonderer Abend, wenn auch nicht einer der Superlative und auch keiner, der den Fans in Barcelona mundete. Inter ließ jeden Angriff der Gastgeber an sich abperlen, verlor zwar 0:1 durch ein spätes Tor von Gerard Piqué - aber das genügte zum Finaleinzug. Der Titelverteidiger war draußen, und Mailand hat nun seinerseits die Chance, nach 1965 mal wieder Europas wichtigsten Klubwettbewerb zu gewinnen.

Der FC Bayern München muss sich auf einen knüppelschweren Finalgegner am 22. Mai in Madrid einstellen. Barcelona zog zwar von Beginn an sein typisches Spiel auf, schnell, direkt, ohne Umwege ließen die Messis, Xavis, Pedros und Yaya Tourés den Ball laufen, wie eine Spezialeinheit versuchten sie, Inter zu knacken. Die Italiener allerdings standen clever postiert, verstellten jeden Zugang zum Strafraum, der sage und schreibe erst in der 21. Minute so richtig gefährlich vom Gastgeber eingenommen wurde; Zlatan Ibrahimovics Versuch, per Kopfball auf Xavi aufzulegen, wurde aber im letzten Moment von einem der unzähligen Inter-Beine im Sechzehner unterbunden. Hin und wieder führt Barcelona ja schon mal nach 20, 30 Minuten 2:0, 3:0, aber nicht so gegen Inter, natürlich nicht gegen dieses Team, das die Abgezocktheit, die Chuzpe seines Trainerfilous Mourinho perfekt verinnerlicht hat.

Es bedurfte schon einer krassen Fehlentscheidung des Schiedsrichters Frank de Bleeckere, um Barcelona zumindest einen strategischen Vorteil zu verschaffen. Als Thiago Motta, seit der zehnten Minute gelbverwarnt, bei einem Laufduell Sergi Busquets mit der rechten Hand an den Hals wischte, zückte der Belgier direkt Rot (28.). Ein Aufschrei ging durch 98.000 Kehlen, Mourinho, der übrigens wieder phantastisch aussah, zeigte üble Gesten, doch es half nichts. Wie im Hinspiel, als Inter ein Abseitstor zugesprochen worden war, prägte ein Fehler des Unparteiischen den Verlauf, und so entwickelte sich, dadurch aufgeheizt, mehr und mehr eine Nervenschlacht, eine Schachpartie auf Rasen, in der Barcelona auf den einen Pass drängte, der sie zurück ins Spiel bringen würde. Doch mehr als ein feiner Schuss Messis, den Julio Cesar ebenso glänzend parierte (32.), sowie ein Freistoßschuss von Ibrahimovic (44.) sprang nicht für Barcelona heraus.

Auch in der zweiten Halbzeit änderte sich rein gar nichts, außer dass Barcelona nun von der anderen Seite aus Einbahnstraßenfußball spielte, während Mailand robust dagegenhielt. Bereits nach 50 Minuten machte sich in den Gesichtern so mancher Barça-Profis Resignation breit, sie spürten: Dieser Gegner zeigte ihnen Grenzen auf. Statt mit Ballstafetten die Abwehrreihe auszuhebeln, versuchten es Dani Alves und Touré mit Distanzschüssen. Wenn eine Mannschaft ihre gewohnte Spielweise verändert, ist das oft ein untrügliches Zeichen, dass sie verzweifelt ist, und genau so war es. Die Uhr tickte, noch eine halbe Stunde, wie sollten zwei Treffer gegen Inter gelingen?

Barcelonas Trainer Pep Guardiola nahm schließlich den enttäuschenden Ibrahimovic vom Platz und brachte Bojan Krkic, der gewöhnlich immer erst in der 89. Minute zum Einsatz kommt, um dann noch mindestens ein Tor zu machen. Aber es wäre vermessen gewesen zu glauben, der 19-Jährige könnte ein Spiel dieses Kalibers drehen und sich gegen Mailänder durchsetzen, die in dieser Formation vom Mittwoch vermutlich auch ein rohes Ei heil durch jedes Krisengebiet dieser Welt bringen könnten - sie würden einfach jeden Angriff abwehren. Krkic vergab in der 82. Minute die beste Chance seiner Elf, doch sein Kopfball aus nur fünf Metern flutschte am Tor vorbei. Als Gerard Piqué in der 84. Minute doch noch einschob, nachdem er sich im Strafraum um die eigene Achse gedreht hatte, bahnten sich packenden Schlussminuten an. Die Zuschauer im Camp Nou tobten. Jetzt ging es um alles, Barça würde ein Tor reichen. Das fiel auch, aber es galt nicht, Touré hatte den Ball mit den Hand berührt, ehe Krkic traf. Dann war die Partie aus, und Mourinho jubelte wie ein General, ernst, stolz, voller Genugtuung.

© SZ vom 29.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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