Champions League:Bayern besteht den Charaktertest

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  • Beim 2:1-Sieg des FC Bayern in Sevilla zeigt Franck Ribéry, wie wichtig er für die Mannschaft sein kann.
  • Der Franzose spielt dieser Tage auch um einen neuen Vertrag.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Von Jonas Beckenkamp, Sevilla

Der alte Trick: Handy ans Ohr und so tun, als wäre die Mama oder die Ehefrau dran. Franck Ribéry beherrscht natürlich auch den Klassiker der Gesprächsvermeidung mit den Reportern. Im Estadio Ramón Sánchez-Pizjuán hatten sie schon begonnen, frisch durchzuwischen, als Bayerns Franzose zum Bus schlurfte. Er war einer der letzten Münchner, der nach dem 2:1 (1:1) beim FC Sevilla im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals diese Betonschüssel aus einer anderen Fußballzeit verließ. Mit 35 Jahren hatte der ewige Ribéry mit den Bayern noch einmal einen dieser Abende erlebt, für die man gerne durch halb Europa reist.

Es war ein Ribéry-Abend, den er in aller Verschmitztheit genoss. Und es war ein Abend, der bestätigte, was diese Bayern zu leisten imstande sind, wenn sie gepiekt werden. Der FC Sevilla hatte sich als widerspenstiger, fußballerisch eigenständiger Gegner erwiesen. Dieses Team aus Sprintern, Feinfüßen und Wandschränken in der Zentrale hatte die Münchner mehr gepiesackt als fast alle Bundesliga-Teams in den vergangenen Monaten. Und die Bayern vor eine Charakterfrage gestellt: Entweder nach einer verkorksten ersten Hälfte Richtung Ausscheiden taumeln - oder aufrappeln und Haltung zeigen. Letzteres trat ein.

So lief Heynckes' Halbzeitansprache

"Die erste Halbzeit geht an Sevilla", folgerte Trainer Jupp Heynckes, "da haben sie gezeigt, dass sie nicht umsonst im Viertelfinale stehen." Tatsächlich hatten die 40.635 Zuschauer, die einen Höllenlärm veranstalteten, eine Partie gesehen, in die die Bayern eher hineingestolpert waren. Zehn Minuten konnten sie sich das Würgepressing der Spanier einigermaßen vom Leib halten, dann passierte das, was Heynckes so zusammenfasste: "Zu viele Ballverluste in der Vorwärtsbewegung, im Mittelfeld nicht geordnet". Er habe in der Pause "deutliche Worte gebraucht", um seine Spieler richtig einzustellen.

Zuvor waren beispielsweise Javi Martínez und Juan Bernat bei einer Flanke von Sevillas Escudero zum Münchner Dauer-Quälgeist Pablo Sarabia so schlecht positioniert, dass das 0:1 (32. Minute) fast zwangsläufig fiel. "Zu kompliziert" habe man gespielt, fand Torwart Sven Ulreich, während Thomas Müller sein Diplomatendeutsch auspackte und befand: Man habe "zielstrebiges Spiel vermissen lassen".

Er hätte auch sagen können: Ein bisschen lätschert war's halt, was insbesondere die Kollegen Bernat, Martínez, Vidal und Thiago da veranstalteten. Ausgerechnet die von Heynckes aufgebotene spanischsprachige Achse wirkte beeindruckt - dabei sollten sie doch nur eines hinkriegen: Den Ball kontrollieren und Sevilla somit das Gaspedal entreißen.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Ribéry schunkelt mit Torero-Haken

In der Heimat des Stierkampfes brilliert der Franzose. Mats Hummels klärt im Spektakelmodus und Thomas Müller navigiert wie ein Mofafahrer durchs Gassengewirr in Sevilla. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp, Sevilla

Das ging schief, aber die Bayern hatten immerhin eine Portion Trotz aufzubieten. Mancher mag es auch Dusel nennen, der Effekt war jedenfalls gewaltig: Im Getümmel riss plötzlich Ribéry das Geschehen an sich. Er dribbelte, er wackelte und dann spielte er diesen einen scharfen Pass ins Zentrum, den Jesus Navas ins eigene Tor stolperte (37.). Das 1:1 fiel den Münchnern in die Hände, wie einem Verurteilten ein plötzlicher Freispruch. Der geschenkte Zwischenstand demobilisierte das Gebrüll auf den Rängen, während die vormaligen Wackel-Bayern plötzlich wie ein herkömmlicher FC Bayern auftraten. Nach dem Motto: Uns doch wurscht, was hier war. Jetzt spielen wir nach unseren Regeln.

"In der zweiten Halbzeit haben wir es viel besser gemacht", beobachtete Jérôme Boateng, "wir wollten versuchen, Fußball zu spielen, den Ball laufen lassen und die Seiten wechseln. Wir haben das Spiel kontrolliert und uns Chancen erarbeitet." So ein Charakterspiel dreht sich ja immer auch um die Frage der Korrekturen im Lauf der 90 Minuten. Heynckes hatte in der Pause offenbar die Bereitschaft herausgekitzelt, dass nahezu alle seiner Spieler sich steigerten: Martínez stand wieder richtig, Thiago ließ die Pirouetten und gewann Bälle, während die eingewechselten James und Rafinha die besten Passquoten aller Beteiligten aufwiesen.

Franck Ribéry wiederum gönnte sich den Luxus, einfach Franck Ribéry zu bleiben. Seine Haken deckten Sevillas einzige Schwäche auf: Die Außenpositionen in der Defensive. Dort, wo Giftigkeit gefragt ist, blieben sie dem Franzosen aus Angst vor seinen Dribblings vom Leib. So durfte Ribéry seinen Heldenfußball zelebrieren und noch einen Treffer einleiten: Eine Kerzenflanke durch die Prärie segelte so lange durch die Luft, bis der Ball Thiago auf den Kopf plumpste.

"Francky, den Klassekicker"

Das 2:1 (68.) war erneut mehr Gurkentor als hohe Kunst, aber wen juckt das schon, wenn eines Tages ein weiterer Henkelpott in der Erlebniswelt des Rekordmeisters stehen sollte. Ribéry also, den Keeper Ulreich als "Francky, den Klassekicker" adelte, der mit "seinen Läufen so vieles ermöglicht, auch mit 35."

Dass ausgerechnet der Franzose seinem Team den Schaden vom Hals hielt, war die besondere Pointe dieses Spiels. Und natürlich ein Argument in Richtung Vereinsführung, ihm endlich eine Vertragsverlängerung anzubieten. Ganz anders übrigens als Arjen Robben, der diesmal lange zuschauen musste und einigermaßen grimmig davon schlich. Heynckes hielt sich mit Zukunftsprognosen über den Verbleib der Oldies zurück, er sagte aber: "Das zu beeinflussen, ist nicht meine Aufgabe. Ich denke, dass ich mit beiden bis zum Ende der Saison top zusammen arbeiten werde. Vielleicht haben die Spieler auch andere Ambitionen." Zunächst haben sie sicher die Ambition, das Halbfinale zu erreichen. Mit allen Tricks, die es so braucht.

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