BVB-Abschied von İlkay Gündoğan:Erkaltete Liebe

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İlkay Gündoğan und der BVB waren mal dicke Freunde - jetzt sind sie es nicht so ganz. (Foto: AFP)
  • İlkay Gündoğan lehnt eine Vertragsverlängerung beim BVB ab und bringt den Verein damit in eine Zwickmühle: Wer kauft den Spieler jetzt für viel Geld?
  • Dass Dortmund am Ende leer ausgeht, wie damals bei Lewandowski, scheint ausgeschlossen.
  • Der Fall demonstriert, wie sehr um auslaufende Verträge gepokert wird.

Von Jonas Beckenkamp

Wer die Psychologie von schnöden Pressemitteilungen verstehen will, muss zwischen den Zeilen lesen. Die Zusammenhänge verstecken sich meist genau darin, was nicht verlautbart wird. Ein Beispiel derartiger Wort-Akrobatik übermittelte am Donnerstagnachmittag der Ballspielverein Borussia 09 e.V. Dortmund, der sonst ja gerne mit dem Slogan "Echte Liebe" auf sich aufmerksam macht. Es ging um den Fußballer İlkay Gündoğan, es ging um Vertragsangelegenheiten, es ging - das darf man gerne so interpretieren - um erkaltete Liebe.

Nach Mario Götze und Robert Lewandowski, die in den vergangenen beiden Jahren zum FC Bayern gewechselt waren, sagt nun auch Gündoğan dem Verein spätestens im Sommer 2016 ade. Alle Versuche, den Ballstrategen zum Bleiben zu bewegen, waren zuvor fehlgeschlagen - und das, obwohl dem Nationalspieler laut BVB-Angaben ein "zu Ende verhandelter" Neuvertrag "unterschriftsreif" vorgelegen hatte. Also teilte die Borussia nun humorlos mit: "Gündoğan hat sich entschieden, seinen bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Vertrag beim achtmaligen Deutschen Meister nicht zu verlängern."

Man werde "nicht über den 30. Juni 2016 hinaus zusammenarbeiten." In schlanken vier Zeilen handelte der Verein damit eine Geschichte ab, die durchaus mehr Tragweite besitzt. Gündoğan hat sich bei der Borussia zu einem feingeistigen Sextanten des Mittelfeldspiels entwickelt, nachdem er 2011 vom 1. FC Nürnberg zu den Westfalen gewechselt war. Er gewann mit dem Klub 2012 das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal, er wurde Nationalspieler, er prägte das Spiel der Elf von Trainer Jürgen Klopp. Aber er fiel auch lange aus und war auf die Treue seines Arbeitgebers angewiesen. Es war eine wechselseitige, aber auch pragmatische Liebe.

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Dortmunds Mittelfeldspieler entscheidet sich gegen eine Verlängerung seines bis 2016 gültigen Vertrages - damit vertiefen sich die Spekulationen über einen Transfer. Auch um Kevin Großkreutz gibt es Gerüchte.

Wegen einer mysteriösen Rückenverletzung hatte er ein Jahr lang pausert - nach seinem Auftritt im Champions-League-Finale 2013 war eine halbe Ewigkeit nicht klar, ob er je wieder Fußball spielen könne. Erst im vergangenen Herbst gab er sein Bundesliga-Comeback bei den Dortmundern, die ihn während seiner Leidenszeit immer unterstützt hatten. Doch aus der vermeintlich "echten Liebe" ist längst ein normales Verhältnis des modernen Profitums geworden. Der Niedergang der Borussia in dieser Saison hat auch den 24-Jährigen ins Grübeln gebracht - seit einigen Wochen halten sich Gerüchte, wonach Gündoğan gerne in die Ferne ziehen will.

Manchester United soll gesteigerte Lust auf eine Verpflichtung des Bälleverteilers verspüren, auch Juventus Turin wird ein Interesse nachgesagt - und natürlich schwebt auch der Käufername FC Bayern durch den Raum. Dass der gebürtige Gelsenkirchener nun die lange vorliegende BVB-Offerte abgelehnt hat, lässt einen Transfer sehr viel wahrscheinlicher werden, schließlich kann Dortmund bis zu Gündoğans Vertragsende 2016 noch Geld mit ihm verdienen. Zunächst wollte der Revierklub sich aber nicht festlegen, ob es bereits in diesem Sommer zu einer Trennung kommt.

Anders als bei Lewandowski, der erst am Ende der Vertragslaufzeit 2014 und damit ablösefrei nach München gewechselt war, steht die Borussia einem vorzeitigen Weggang von Gündoğan aufgeschlossen gegenüber. Eine "Lex Lewandowski" - und damit leer ausgehende Dortmunder - werde es "auf keinen Fall" geben, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kürzlich. "Wenn er sagt, dass er seinen Vertrag nicht verlängert und wir ein ordentliches Angebot bekommen, machen wir das - aber nur dann."

Dem Vernehmen nach liegt der Borussia aber noch immer keine Offerte eines Interessenten vor - Sportdirektor Michael Zorc hatte sich deswegen noch vor wenigen Tagen heftig beklagt, als in Boulevardmedien von einem nahezu beschlossenen Geschäft mit Manchester United zu lesen war: "Da wird einfach kackfrech etwas behauptet. Es gibt keinen Vertrag, keine Einigung, keine Anfrage, nicht einmal irgendeinen Anfangskontakt."

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Und genau das könnte jetzt zu einem Dilemma werden. Die vom BVB anvisierte Ablöse in Höhe von 20 Millionen Euro erscheint angesichts der nur noch einjährigen Vertragslaufzeit als hoch - zudem ist Gündoğans Marktwert nach der Dortmunder Rumpelsaison deutlich gesunken. Wer den neunfachen DFB-Akteur verpflichten will, muss derzeit einfach darauf pokern, dass Dortmund ihn schon abgibt, bevor er kommendes Jahr umsonst geht.

Aus dem Dortmunder Umfeld ist zudem zu hören, dass man kein Interesse hat, Gündoğan eine weitere Saison im Schaufenster vorspielen zu lassen (um ihn dann für lau zu verlieren). Die Ansage an den Spieler dürfte klar gewesen sein: Entweder er verlängert sofort - oder er geht bald. Dass Gündoğan nun einen Ausbau seines Kontraktes ausgeschlagen hat, lässt letztlich nur zweitere Option zu.

Offen ist auch, wie der designierte BVB-Trainer Thomas Tuchel die Lage betrachtet. Nach seinem Sabbatical dürfte der Coach große Lust verspüren, die Mannschaft nach seinen Vorstellungen zusammenzustellen - und wenn er mit ein paar satten Millionen für Gündoğan auf Einkaufstour gehen kann, hat er sicher nichts dagegen. Angeblich haben sich die Dortmunder bereits nach einem früheren Zögling Tuchels erkundigt: dem Mainzer Johannes Geis, der dieselbe Position wie Gündoğan spielt. All diese Schlüsse sind in der Causa zu ziehen - und das bei vier schnöden Zeilen Presse-Bulletin.

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