Bundestrainer vor der Fußball-WM:Der absolute Herr Löw

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Nett war gestern: Die WM in Brasilien naht und Joachim Löw verschärft den Ton. In seinen zehn Jahren beim DFB hat er noch nie so harte Sätze von sich gegeben. Das Italien-Spiel vor zwei Jahren hat den Bundestrainer verändert - es ist eine Mischung aus Lerneffekt und Trotz.

Ein Kommentar von Christof Kneer

Die Vokabel "absolut" zählt zu den absoluten Lieblingsvokabeln von Joachim Löw. Dieses Wort war ihm bisher ein treuer Begleiter durch sein Jahrzehnt beim DFB: Erst hat er sich "absolut" vorstellen können, Jürgen Klinsmann als Bundestrainer nachzufolgen, und als er den Job hatte, hat er absolut junge Spieler nominiert und lange Bälle absolut verboten.

Trotz der Vorliebe für diese Art des Absolutismus ist dieser Bundestrainer in der Öffentlichkeit bisher immer eher relativ rübergekommen. Er hat Kuranyi, Ballack und Frings nicht unmissverständlich ausgemustert, sondern eher irgendwie missverständlich. Und als im EM-Halbfinale 2012 gegen Italien (1:2) scharfes Coaching gefragt war, hat er das Spiel eher unscharf an sich vorüberziehen lassen.

Das Etikett des "netten Herrn Löw", das dem Bundestrainer in seiner früheren Trainerkarriere irgendwer aufgepappt hatte, ist er im nationalen Amt nie wirklich losgeworden. Am Anfang war auch das als Kompliment gemeint, wie so vieles als Kompliment gemeint war in seiner ersten Schaffensperiode: Löw war der lässige Gestalter, der den teutonischen Rumpelfußball ohne markige Sprüche abgeschafft hatte. Später war es nicht mehr unbedingt als Kompliment gemeint; spätestens seit dem besagten Halbfinale von Warschau galt Löw seiner zunehmenden Kritikerschar als Trainer, dessen Coaching an Grenzen stößt, wenn es hart auf hart kommt.

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Einen ungewohnt deutlichen Appell richtet Joachim Löw an die WM-Kandidaten, 100 Tage vor Beginn des Turniers in Brasilien. Indirekt droht der Bundestrainer auch prominenten Spielern mit Nicht-Nominierung. Er sagt: "Die Uhr tickt."

Von Klaus Hoeltzenbein

Man muss also all das, was Joachim Löw jetzt 100 Tage vor der WM öffentlich gemacht hat, auch aus seiner Biografie heraus definieren. Löw war natürlich nett am Montag, das ist er ja immer, aber er war auch absolut wie nie. So harte Sätze in so hoher Dichte hat Löw in zehn DFB-Jahren noch nie gesagt. Höflich und wohlfrisiert saß er in der kleinen Drohkulisse, die er für seine Spieler aufgebaut hat. Das Italien-Spiel hat diesen Trainer durchaus verändert, er führt energischer, formuliert schärfer, es ist eine Mischung aus Lerneffekt und Trotz.

Löw ist einerseits wild entschlossen, dass ihm so ein passiv weggegebenes Spiel wie das gegen Italien nicht wieder passiert; er ist andererseits aber auch sehr der Meinung, dass die öffentliche Meinung ihn zu hart angefasst hat danach. Er findet nicht, dass er bis zum Italien-Spiel ein absoluter Virtuose war und danach ein absoluter Taugenichts.

Löw hat Witterung aufgenommen, er sieht und riecht Brasilien vor sich, und er weiß inzwischen, dass er mit dem Luxus, den ihm der Fußballgott freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, noch straffer umgehen muss. Löw ist sehr final gestimmt, er erweckt in all seinem Sagen und all seinem Tun zunehmend den Eindruck, als markiere diese WM den Schlusspunkt seiner dann zehnjährigen Amtszeit. Wer den sehr bestimmten, angenehm strengen Löw vom März 2014 erlebt hat, dem muss nicht bange sein vor dem WM - vorausgesetzt, Löw behält diese Haltung im Juni/Juli 2014 bei.

© SZ vom 04.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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