Bundesliga: Wolfsburg - Dortmund:Raum für Götze

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Der 18-Jährige ersetzt im offensiven Mittelfeld von Borussia Dortmund den verletzten Shinji Kagawa und zeigt beim 3:0 in Wolfsburg einmal mehr, warum er ein Ausnahmetalent ist. Die Defensive im Borussia-Mittelfeld regelt ein 21-Jähriger.

Thomas Hummel

Der Nachmittag in der Arena hatte mit einer wundervollen Einlassung von Wolfburgs Trainer Steve McClaren begonnen. Der Engländer versucht sich im Lernen der deutschen Sprache, was vor ihm seit dem Urknall der Erde allerhöchstens drei andere Engländer versucht haben. Nun gab er seinen Stand freimütig in einem Interview kund. Was er sich denn von dem Spiel gegen den souveränen Tabellenführer erwarte? "I hope we will see a fight, spirit, eine gute Leistung und ich hoffe Zweikampf. Die letzten zwei Spiele waren good, aber we need to continue."

Mario Götze, im Zweikampf mit dem Wolfsburger Ashkan Dejagah. (Foto: dapd)

Respekt, Mister McClaren! Nicht viele ausländische Arbeitnehmer in der Fußball-Bundesliga bringen es nach einem halben Jahr auf so viel Deutsch vor dem Mikrophon. Doch das McClaren-Denglisch spiegelt in etwa den Stand wider, inwieweit McClaren seine Wolfsburger Mannschaft in Griff hat: inzwischen sind gute Ansätze erkennbar, doch für den hohen Anspruch im Umfeld reicht es noch nicht.

Auch in Dortmund herrscht ein hoher Anspruch. Doch damit muss sich McClaren-Kollege Jürgen Klopp in dieser Saison nicht beschäftigen. Er setzt eher für seine Nachfolger bei der Borussia Maßstäbe, an denen die allermeisten scheitern dürften. Sichtbar auch in Wolfsburg. Da verspielt seine Mannschaft vor einer Woche zum ersten Mal in der Saison eine Führung (beim 1:1 gegen Stuttgart), da gewinnt Verfolger Leverkusen am Freitag und verkürzt den Rückstand vorübergehend auf acht Punkte, da steigert sich Gegner Wolfsburg im Januar zu beachtlicher Stärke - und dennoch beherrschte Klopps Mannschaft das Spiel nach Belieben, siegte souverän mit 3:0 und gab all jenen Recht, die behaupten, dass Dortmund bereits die Meisterfeier planen kann.

"Wir spielen guten Fußball, das ist jetzt wohl jedem klar und uns auch", sagte Nuri Sahin. Der zehnte Auswärtssieg im zehnten Auswärtsspiel nötigte dem Deutsch-Türken sogar ein wenig Überschwang ab: "Das ist schon Weltklasse." Nach 20 Spielen führt Dortmund die Tabelle weiter mit elf Punkten Vorsprung vor Leverkusen an, der FC Bayern hat trotz seines Comebacks in Bremen immer noch 14 Zähler Rückstand. Der VfL Wolfsburg dagegen bleibt im unteren Drittel der Tabelle hängen.

Die Niederlage dürfte die Stellung McClarens nicht verschlechtern. Eines seiner Probleme ist ja, dass auch sein Mittelfeldlenker Diego den Ansprüchen einfach nicht gerecht werden kann. Vielleicht ein wenig befreit durch den Weggang des Lokalhelden Edin Dzeko wirkt der Brasilianer in diesem Januar immerhin so, als steckte noch ein wenig von dem zauberhaften Diego in ihm, der einst Bremen verzückte. Nach 41 Sekunden schlenzte er einen Freistoß aus 18 Metern so raffiniert über die Dortmunder Mauer, dass kurz darauf einige hundert Zuschauer das schnelle 1:0 bejubelten. Der Bremen-Diego hätte den Ball auch sicherlich im kurzen Eck versenkt, doch der Wolfsburg-Diego traf eben nur das Außennetz.

Genau 50 Sekunden später setzte die Borussia zu ihrem ersten Angriff an und verdeutlichte in diesem, warum der Klub bislang eine solch fantastische Saison erlebt. Weil dort der Dortmund-Sahin im Mittelfeld jeden freien Mitspieler vorne sieht, der Dortmund-Götze jeden freien Raum findet und bei einer Hereingabe von außen immer den Dortmund-Barrios trifft. Diesmal konnte Mario Götze gar nicht anders, weil Lucas Barrios so frei stand in der Mitte, die halbhohe Flanke war nicht einmal gut, doch Barrios setzte den Ball mit dem Außenrist ins Netz. 1:0 - wieder ein frühes Zeichen in Richtung Konkurrenz, diesmal in Richtung Leverkusen: Ihr könnte uns nicht nervös machen!

In der Folgezeit durfte Bundestrainer Joachim Löw auf der Tribüne und seine 29.999 Mit-Zuschauer das Dortmunder Erfolgsmodell genauer anschauen. Ein Modell, das auch ohne den in der Hinrunde sehr starken Shinji Kagawa funktioniert. Der Japaner fällt ja mit einem Mittelfußbruch den Rest der Saison aus. Denn die Borussia hat sich in der Jugendabteilung einen 18-jährigen Burschen herangezogen, dessen Talent ihn bei derzeitiger Betrachtung in den Olymp des Fußballs führen muss: Mario Götze.

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Seit Wochen überbieten sich die Beobachter in ihrem Lob für den hoch veranlagten Mittelfeldspieler. Und wer es noch nicht wusste, der durfte in Wolfsburg ein paar sehr augenscheinliche Stärken begutachten. Seine sehr enge Ballführung zum Beispiel, seine schnellen Haken, die großartige Spielübersicht. Dazu das Talent, die frei werdenden Räume in der Offensive zu finden.

Nach 40 Minuten etwa sah Abwehrspieler Mats Hummels den einsamen Götze auf der rechten Angriffsseite, Götze sprintete mit Ball Richtung Auslinie, immer den Kopf oben, immer den Blick in die Mitte auf der Suche nach Barrios. Im richtigen Moment kam der Flachpass an den Wolfsburger Gegenspielern vorbei, der Schuss von Barrios wurde noch abgeblockt, doch als VfL-Verteidiger Peter Pekarik klären wollte, grätsche Sahin heran und per Pressschlag flog der Ball zum 2:0 über die Linie.

Die erfolgreichen Angriffe waren schön vorgetragen und abgeschlossen, doch beeindruckt hat Borussia Dortmund wieder einmal am meisten mit der intensiven, über das gesamte Feld vorgetragenen Verteidigung. Anführer des Dortmunder Defensivkonzepts war wie so häufig Sven Bender. Der einst vom TSV 1860 München geholte Mittelfeldspieler beackerte auf der einen Seite den keineswegs schwachen Diego, stellte neun von zehn Passwege zu, gewann 19 von 20 Zweikämpfe und stoppte so 99 Prozent aller Wolfsburger Offensivbemühen. Und dann ballerte Bender die eroberten Bälle auch nicht auf die Tribüne, sondern leitete zumeist schnell den eigenen Konter ein.

Außer dem frühem Diego-Freistoß kamen die Gastgeber über lange Zeit nur zu einer weiteren Torchance: als Diego aus 30 Metern schoss, Torwart Roman Weidenfeller nach vorne abprallen ließ, aber dann den Nachschuss von Grafite zwischen die Beine klemmen konnte (26.).

Doch auch nach der Pause zeigten die Dortmunder, dass sie inzwischen eine Partie auch ruhig nach Hause spielen kann. Die Wolfsburger Offensive blieb weiterhin früh hängen. Auch der erst einen tag zuvor vom AS Monaco ausgeliehene Stürmer Dieumerci Mbokani, der nach 67 Minuten kam, konnte für Wolfsburg nichts bewirken. Die Gäste warteten indes auf kleinere und größere Möglichkeiten zum Konter. Bis zur 69. Minute geschah gar nichts, dann musste Wolfsburgs Torwart Diego Benaglio gegen Marcel Schmelzer und Kevin Großkreutz eingreifen. Die anschließende Ecke drückte aber dann Mats Hummels über die Linie. Das 3:0 nahm die letzte Spannung aus der Partie.

Roman Weidenfeller fasste den Spielverlauf in einem Satz zusammen: "Für Wolfsburg hat es nicht gereicht, weil wir einfach besser waren." Der Torwart verzog bei diesem Satz keine Miene.

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