Bundesliga:Wie RB Leipzig die Bayern überraschte

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Yussuf Poulsen sank mit dem Schlusspfiff auf die Knie und riss die Arme mit dem letzten Rest Energie nach oben, den ihm dieser Abend in Leipzig gelassen hatte. Er wird keinen Titel für diesen Bundesliga-Sieg gegen den FC Bayern bekommen, keinen Pokal, keine Plakette, keine Urkunde, auch wenn diese Szene so aussah - Poulsen kniend auf dem frostigen Rasen. Die Szene verriet, dass die Leipziger in der Vergangenheit an den knappen Niederlagen schon zu knabbern hatten und wie groß nun ihr Stolz war. Also sagte Poulsen: "Zum ersten Mal gegen Bayern zu gewinnen, das war richtig schön."

In der Tat hatten die Leipziger nicht "irgendwie", sondern mit schönem Fußball gegen den Rekordmeister gewonnen, was einen ja umso stolzer macht. Trainer Ralph Hasenhüttl hatte sich an einem neuen System versucht, das sich als Glücksgriff erweisen sollte. "Ich wollte keine Fünferkette spielen und mich hinten reinnageln", sagte der Österreicher auf der Pressekonferenz nach dem Spiel, "gegen solche Gegner spielt Bayern jede Woche. Das kann nicht funktionieren." Also setzte Hasenhüttl auf: Mut.

Schmale Abwehr, angriffslustige Offensive

Der Durchschnitts-Bayerngegner baut gerne eine breite Abwehrmauer auf, um Gegentore auf jeden Fall zu vermeiden und hofft mit hohen Bällen auf eigene Torchancen - was in der Vergangenheit so gut klappte, dass die Münchner seit fünf Jahren von Meisterschaft zu Meisterschaft eilen. Mit einiger Berechtigung versuchte Hasenhüttl nun also etwas anderes, wofür er im Gegensatz zu manchem Durchschnitts-Bayerngegner auch die geeigneten Spieler besitzt: ein 3-4-3-System - Prinzip Attacke statt Verkriechen.

Schmale Abwehr, angriffslustiges Mittelfeld und noch angriffslustigere Stürmer, so dachte sich Hasenhüttl das. "Die Frage war: Verunsichere ich die Jungs damit mehr oder helfe ich ihnen?", grübelte Hasenhüttl. Er entschied sich zum Ausprobieren. Am Samstag hatte er die Umstellung mit seinem Team erstmals trainiert, am Sonntag dann gleich umgesetzt. "Ich glaube, die Tatsache, dass wir bisher nie was gegen sie geholt haben, hat ein Signal gesendet", erklärte Hasenhüttl, die Mannschaft habe sich folglich gedacht: "Okay, wir tragen das mit, wir versuchen das."

Nach zwölf Minuten sah das Ganze noch nicht unbedingt nach einem Erfolgskonzept aus: Zwar hatten sich den Leipzigern schon gute Chancen geboten, doch dann nickte Sandro Wagner zum 1:0 ein und ein Bänderriss von Marcel Sabitzer zwang Hasenhüttl zur ersten Umstellung. "Trotzdem hatte ich da schon das Gefühl, es kann funktionieren", sagte Hasenhüttl, "die Jungs haben daran geglaubt und waren sehr aggressiv, die erste Halbzeit war mit das Beste, was wir in diesem Jahr gespielt haben." Und er wechselte ja auch Timo Werner für Sabitzer ein, ein Timo Werner führt in der Regel nicht zur Verschlechterung einer Situation.

"70 Minuten Vollgas-Pressing"

Das 1:1 in der 37. Minute fiel dann, nachdem Konrad Laimer als rechter Außenspieler einen feinen Ball auf Naby Keita durchgesteckt hatte, genau das war ja eine Stärke des Systems: Über die Flügel gefährliche Szenen einzuleiten. Wofür die wacklige Bayernabwehr genau in der Mitte anfällig war. Beim 2:1 konnte Keita einfach durch die Zentrale hindurch einen schnellen Ball auf Werner spielen. Und dann konnte einem schon Bundestrainer Joachim Löw einfallen, der noch am Freitag bei Eurosport kritisiert hatte, zu viele deutsche Klubs würden sich aufs Reagieren statt aufs Agieren konzentrieren und keinen Offensivfußball spielen.

Leipzig gehörte an diesem Abend nicht dazu. "Das neue System nach einmal Training so umzusetzen, ist natürlich richtig geil", freute sich Diego Demme, "wir haben 70 Minuten Vollgas-Pressing gespielt und die Bayern kaum zur Entfaltung kommen lassen." Natürlich waren sie in den letzten Minuten der Partie entkräftet gewesen, "wir haben versucht, es über die Mentalität noch zu verteidigen. Insgesamt war es eine mutige Vorstellung", sagte Hasenhüttl, der ja selber der Mutmacher gewesen war.

Es war der fabelhafte Abschluss einer fabelhaften Woche für die Leipziger. Nach dem Einzug ins Viertelfinale der Europa League am Donnerstag haben sie nun nicht nur drei Punkte mehr, um sich möglicherweise für die Champions League zu qualifizieren. Sondern auch die Gewissheit, gegen den FC Bayern gewinnen zu können, nachdem sie im DFB-Pokal im vergangenen Oktober erst im Elfmeterschießen gescheitert waren und im Bundesliga-Hinspiel eine 0:2-Niederlage hatten hinnehmen müssen.

Und eventuell dachte einer der Leipziger ja noch an den Satz, den Uli Hoeneß vor anderthalb Jahren gesagt hatte. "Die haben natürlich den Vorteil, dass sie während der Woche immer auf der Couch liegen, wenn wir im Champions-League-Rhythmus sind", hatte der Damals-schon-fast-wieder-Präsident des FC Bayern über die Leipziger gesagt, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht international spielten. Die mittlerweile aber ebenfalls erfolgreich in Europa unterwegs sind - und diesmal trotzdem gewannen.

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