Bundesliga:Nur noch Mittelmaß?

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Das 1:1 gegen Bayer Leverkusen nützt Schalke 04 wenig. (Foto: REUTERS)
  • Schalke 04 und Bayer Leverkusen trennen sich in der Bundesliga 1:1.
  • Vor allem Schalke steht unter Druck: Im jüngsten Bericht der Finanzabteilung wird dem Klub ein Minus von 14 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2017 prophezeit.
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Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Sechs Minuten Nachspielzeit zeigte der Schiedsrichter Guido Winkmann an, doch die Zuschauer bedankten sich nicht für die großzügige Zugabe. Nicht wenige hatten bereits das Stadion verlassen, obwohl die Partie alles andere als entschieden war, es stand 1:1 zwischen Schalke und Leverkusen. Da es aber beide Seiten in aller Entschiedenheit dabei beließen, das Unentschieden zu bewahren, hatte Winkmann ein Einsehen. Als Leverkusens Torwart Bernd Leno sich wieder mehr als reichlich Zeit für den Abstoß ließ, entledigte ihn der Schiedsrichter der Mühe und pfiff die Partie vor der selbst gesetzten Frist ab.

Dieses für beide Parteien wenig nützliche, aber erträgliche Resultat hätten Abgeordnete eigentlich auch vorher aushandeln können. Von Anfang an war zu erkennen, dass weder Gastgeber noch Gäste von unbedingtem Siegeswillen getrieben wurden. Wichtiger schien es zu sein, die Anderen nicht gewinnen zu lassen. Sowohl Schalke 04 als auch Bayer 04 haben während der vorigen Woche unfreiwillig viel Zeit zum Trainieren gehabt, beide waren jahrelang Stammgäste in den Europacups, und dass sie diesmal nicht mitspielen dürfen, das soll sich im nächsten Sommer wieder ändern.

So war die Partie vor allem vom Konkurrenzgedanken zweier einander belauernder Rivalen beladen. Während der ersten Halbzeit kam das Spielgeschehen manchmal zum Stillstand, als ob die Akteure zur Gedenkminute aufgerufen worden wären. Erst als die zunächst extrem zurückhaltenden Schalker sich nach einer halben Halbzeit etwas offensiver in Bewegung setzte, lockerten sich die starren Verhältnisse.

"Ich habe Naldo gesagt, dass ich das Ding reinhauen werde"

Bis die Hausherren ihrer Rolle halbwegs gerecht wurden, mussten sie allerdings eine Vollversammlung einberufen, mitten auf dem Platz und mitten im Spiel. Beim Freistoß in der 34. Minute kamen nicht weniger als acht Schalker Feldspieler zur Besprechung mit Ball zusammen. Von oben sah das einerseits so aus, als ob sie einen besonders schlauen Trick ausklügelten, und andererseits, als ob es eine Grundsatzdebatte unter Kollegen gäbe. Beides stimmte.

Mancher Spieler gesellte sich wie Bastian Oczipka dazu, "um den Leverkusener Torwart zu irritieren"; andere brachten ihre Bewerbung vor, den Freistoß schießen zu dürfen. Leon Goretzka kannte das beste Argument: "Ich habe Naldo gesagt, dass ich das Ding reinhauen werde." Naldo, Alterspräsident, Abwehrchef und Führungskraft in Schalke sowie selbst ein potentieller Schütze, votierte für Goretzka und somit gegen den Kandidaten Yevhen Konoplyanka. Er tat recht daran - der Nationalspieler traf dank einer lückenhaft montierten Leverkusener Mauer mit Präzisionsschuss. "Da muss ich mich bei Naldo bedanken, dass er sich so für mich eingesetzt hat", sagte Goretzka.

Dass es nicht zum Heimsieg reichte, lag allerdings ebenfalls in der Verantwortung von Goretzka, der nach der Pause die größte Chance des Spiels vergab. Er war nach eigenen Angaben "in Panik geraten", als er plötzlich frei vor dem Tor stand, weshalb er den Ball nicht ins Netz, sondern in die Fankurve schoss. Wenig später gelang dem eingewechselten Leon Bailey der Ausgleich und stellte damit ein Ergebnis her, das Schalkes Manager Christian Heidel "korrekt" nannte.

Anlass zur Zufriedenheit mit sich selbst hatten aber weder Schalker noch Leverkusener. Beide Teams genügten ihren Ansprüchen nicht, mit dem Resultat, dass den Zuschauern ein intensives, aber weitgehend unansehnliches Spiel geboten wurde. Hin und wieder blitzten Momente von Spielkunst auf, wenn bei Schalke Amine Harit oder Goretzka und bei Bayer Julian Brandt oder Bailey beteiligt waren.

Historisches Aufsehen erzeugte am Ende nur der Schiedsrichter: Eine strittige Szene unterzog er einer so eingehenden Untersuchung, dass er einen Rekord aufstellte. Drei Minuten Spielunterbrechung - mit der Konsequenz, dass Oczipka für ein leichtes Nachtreten eine Gelbe Karte erhielt. So ein Verfahren sei "einfach nur kontraproduktiv", findet Goretzka und beklagte, dass solche langen Unterbrechungen für Rhythmusstörungen sorgten, diesmal zulasten der just vorwärtsdrängenden Schalker. "Das Momentum war dann weg", so Goretzka.

Auch sonst warf die Partie Grundsatzfragen auf: Gehören Schalke und Leverkusen mittlerweile nur noch zum Mittelmaß der Liga? Oder ist die einfach die ganze Liga (von zwei Spitzenteams abgesehen) eine Mittelmaßgesellschaft? Die Diagnose Mittelmaß ist zumindest für Schalke bedrohlich, wie der jüngste Bericht der Finanzabteilung nahelegt. Darin wird dem Ruhrgebietsklub ein Minus von 14 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2017 prophezeit - Ergebnis der Abstandszahlungen an das im Sommer entlassene Trainerteam um Markus Weinzierl und der Mindereinnahmen durch das Verpassen des Europacups.

An diesem bei nächster Gelegenheit wieder teilzunehmen, sei für Schalke existentiell geboten, mahnte der Finanzvorstand Peter Peters, und das klang wie eine Warnung an den Vorstandskollegen Heidel, der es bisher nicht geschafft hat, durch seine Einkäufe Werte zu schaffen, die den Schatzminister beruhigen könnten. Nabil Bentaleb, für 20 Millionen Euro von Tottenham erworben, ließ Trainer Domenico Tedesco trotz intakter Gesundheit 90 Minuten auf der Bank sitzen; Breel Embolo, Schalkes und Heidels Rekordtransfer, spielte zwar von Anfang an mit, ist aber nach einem Jahr Verletzungspause noch weit davon entfernt, außergewöhnliches Talent zu offenbaren.

"Trotz allem" könne man "eine stetige Entwicklung der Mannschaft sehen", meinte Leon Goretzka. Zumindest seine Tendenz ist unzweifelhaft positiv. Das freut die Schalker, macht sie aber auch unfroh. Solange Goretzka nicht seinen im Sommer auslaufenden Vertrag verlängert (wozu er wenig Neigung zeigt), begleitet sie unweigerlich die Sorge, dass auch dieser Vereinsheld bald in einem anderen Stadion glänzen wird. Und Schmerzensgeld für den Schatzmeister gibt es dann auch wieder nicht.

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