Bundesliga:Dortmunder Leidthemen

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Borussia Dortmund im Winter 2017, das ist eine Mannschaft in einem seltsamen Stadium. (Foto: dpa)
  • Nach dem 1:1 in Mainz hat Dortmund elf Punkte Rückstand auf Leipzig.
  • Den BVB beschäftigt nicht nur die defensive Stabilität des Teams, sondern auch das Binnenklima.
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Von Johannes Aumüller, Mainz

Ein entschiedenes "Links!" zischte der Mainzer Trainer Martin Schmidt seinem Nebenmann zu, doch der Hinweis war offenkundig gar nicht mehr nötig. Zielstrebig steuerte der Nebenmann den richtigen Platz an, links vom Pressesprecher, nicht rechts. Als Thomas Tuchel im Vorjahr mit Borussia Dortmund erstmals an seine langjährige Wirkungsstätte Mainz zurückkehrte, hat er noch erzählt, wie "spiegelverkehrt" ihm nach all seinen Jahren bei den 05ern manches vorgekommen sei, die Umkleidekabine, die Trainerbank, auch der Sitzplatz bei der Pressekonferenz. Als er am Sonntagabend das zweite Mal nach Mainz zurückkehrte, wäre er froh gewesen, seine Probleme hätten sich in irgendwelchen Spiegelverkehrungen erschöpft. Stattdessen reichen sie ein wenig tiefer.

Borussia Dortmund im Winter 2017, das ist eine Mannschaft in einem seltsamen Stadium. Sie hatten ja schwer gehofft, die Holpereien der Hinserie mit der Winterpause hinter sich lassen zu können, aber das gelingt ihnen nicht ganz. In der Vorwoche mühte sich der BVB zu einem 2:1 bei Werder Bremen, am Sonntag in Mainz schaffte die Elf trotz abermals starkem Beginn und früher Führung durch Marco Reus (3.) nur ein 1:1, weil sie später zu passiv agierte und Danny Latza (83.) noch per Kopf zum Remis traf. Das bedeutet nun Tabellenplatz vier für den BVB und elf Punkte Rückstand auf RB Leipzig, also die Mannschaft, die gerade jenen zweiten Platz einnimmt, der nach allgemeiner Auffassung doch der Anspruch des BVB sein müsste. Und am nächsten Wochenende geht es nun just gegen diese Leipziger.

"Ich habe keinen Komplex, weil Eintracht Frankfurt vor uns steht"

Von Platz zwei redet in Dortmund ohnehin niemand mehr. Mit dem Erreichen des dritten Ranges, der für die direkte Champions-League-Qualifikation ausreicht und den derzeit Eintracht Frankfurt innehat, wären sie schon zufrieden. Und das wird anspruchsvoll genug. "Ich habe keinen Komplex, weil Eintracht Frankfurt vor uns steht", sagte Tuchel am Sonntag: "Die Liga ist kompliziert, und sie ist qualitativ sehr eng geworden."

Die konkrete sportliche Lage ist ja nur das eine, das sie in Dortmund schwer beschäftigt, das Verhältnis zwischen dem Trainer und der Vereinsspitze das andere. Und es ist selbstverständlich, dass diese beiden Aspekte in einer gewissen Wechselwirkung zueinander stehen. In den vergangenen Tagen haben sich auch nach außen ein paar atmosphärische Störungen dokumentiert, deren Existenz in ebenso schönen wie diplomatischen Sätzen bestritten wird. "Es ist im Moment so, dass sehr unruhig über uns geschrieben und berichtet wird", sagte Tuchel etwa, "aber wo es wichtig ist, im Zentrum der Unruhe, da ist es im Moment sehr ruhig."

Tatsächlich haben die Spannungen ein Stadium erreicht, in dem Spiele wie das 1:1 in Mainz hergenommen werden, um sie auf mögliche Folgen fürs Binnenklima und auf ihre Tauglichkeit für die jeweiligen Thesen abzuklopfen. Wobei es zu den Merkmalen eines solchen Spiels gehört, dass es hinterher irgendwie alle als Beleg für ihre Haltung deuten können. Wer zu der Schlussfolgerung kommt, dass ein Spitzenteam gegen eine harmlose Mittelfeld-Mannschaft wie Mainz einfach liefern muss, darf das sicher tun. Und wer sich wie das Trainerlager für die Mannschaft ein paar robuste und erfahrene Anführer wünscht, um so ein 1:0 gegen Mainz besser halten zu können, der darf sich auch bestätigt fühlen.

Es war ein Spiel, dessen Aufarbeitung den Dortmundern nicht leicht fiel. Sie hatten recht aggressiv begonnen und auch das frühe 1:0 erzielt, dank Marco Reus und ein paar Aussetzern der Mainzer Abwehr. "Ich hab' meinen Spielern gesagt: Das zeige ich euch nicht mehr, sonst bekommt ihr Augenkrebs", sagte der 05er-Coach Schmidt. Aber dann war der BVB-Schwung dahin. "Fehlenden Mumm" bemängelte Tuchel, und Torvorbereiter André Schürrle meinte, dass sich der BVB von den Mainzern über weite Strecken ein "Hin-und Her-Gebolze" habe aufzwängen lassen.

In der Defensive ging es mal wieder ums Dortmunder Leit- und Leidthema dieser Saison, die unzureichende Stabilität. Oft in Bedrängnis gerieten sie nicht, anders als etwa vor einer Woche in Bremen. Der eine Mainzer Torschuss, auf den Tuchel unter Zuhilfenahme des amtlichen Statistikzettels verwies, war zwar nicht die volle Wahrheit, aber auch nicht arg weit davon entfernt, weswegen der Trainer dieses Spiel auch nicht als Beweis für mangelnde Stabilität gedeutet sehen wollte.

Wie soll das etwas werden mit dieser anfälligen Defensive?

Andererseits steckt in der Spielanlage eben doch diese latente Defensivanfälligkeit, und die zeigte sich nicht nur bei Latzas Gegentreffer. Sondern auch bei jenem zu Unrecht wegen Abseits aberkannten Treffer des Japaners Muto nach einer Viertelstunde - und nach dem Ausgleichstor gleich noch mal, in der letzten Minute, als der Mainzer Pablo De Blasis beinahe noch das 2:1 erzielt hätte.

Dabei war der Gegner insgesamt eher harmlos. Die Mainzer haben fast keinen, der den Ball mal halten kann, wie Trainer Schmidt einräumte, aber das soll sich nun ändern. Am Montag stellten sie in Mainz den von Stoke City ausgeliehenen Bojan Krkic als Zugang vor, der beim FC Barcelona einst als Ausnahmetalent galt, sich aber nicht durchsetzen konnte und dann eine Tingeltour durch halb Europa absolvierte. Den Dortmundern kann der zumindest in dieser Saison nicht mehr gefährlich werden. Aber beim BVB müssen sie sich ohnehin erst mal sorgen, wie das mit ihrer anfälligen Deckung am Wochenende etwas werden soll, wenn ein Gegner kommt, dessen Offensive eindeutig forscher daherkommt als die der Mainzer.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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