Bundesliga:Dortmund wirbelt Real Madrid entgegen

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Gonzalo Castro (links) feiert sein 1:0 gegen Darmstadt. (Foto: AP)

Thomas Tuchel kann gegen Darmstadt mit den Kräften seines Teams haushalten und gewinnt trotzdem 6:0. Was das Dortmunder Ergebnis wert ist, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Norbert Meier wirkte gefasst, und das war eine Überraschung. Der Trainer von Darmstadt 98 hätte durchaus demoralisiert sein können, schließlich hatte er mit seinem Team gerade das erlebt, was in der Fußballersprache als Klatsche bezeichnet wird. Ein halbes Dutzend Tore in Dortmund und damit auch noch bestens bedient, da kann man sich in sportlicher Führungsposition schon mal die Sinnfrage stellen.

Solch grundsätzliche Überlegungen verbieten sich jedoch, wenn die Voraussetzungen so frappierend ungleich verteilt sind. Allein der Blick auf die Dortmunder Bank hätte ausgereicht, um mit größtmöglicher Sicherheit vorherzusagen, dass es an diesem Nachmittag keine Überraschung geben würde: Da hatten vor Beginn des Bundesligaspiels von Borussia Dortmund gegen Darmstadt 98 die Herren Weidenfeller, Bartra, Mor, Götze, Aubameyang, Rode und Kagawa Platz genommen. Personal mit einem Marktwert von weit mehr als 100 Millionen Euro. Das sind Summen, von denen der Gegner aus Hessen, dessen gesamter Kader geschätzte 27 Millionen Euro erlösen würde, nicht einmal zu träumen wagt.

Darmstadt spielt in einer 9:1-Grundordnung - und hat keine Chance

Entsprechend einseitig geriet das Spiel: Dortmund gewann seine Pflichtaufgabe gegen hoffnungslos überforderte Darmstädter souverän mit 6:0 (1:0). Tuchel sprach von einer "in allen Bereichen sehr runden Leistung". Saisonübergreifend ist die Borussia damit in der Liga seit 22 Heimspielen ungeschlagen, bis zur Einstellung des Vereinsrekords fehlt noch eine Begegnungen vor heimischer Kulisse ohne Niederlage. Das Spiel verlief so, wie es zu erwarten war: Die Gäste aus Hessen stellten sich mit einer Art 9:1-Grundordnung extrem defensiv auf, Dortmund konnte gar nicht anders, als die Initiative zu ergreifen. Gegen einen solch defensiven Gegner benötige es eine "gute Mischung aus Spielgeschwindigkeit und Geduld", weiß Tuchel, beides brachte der BVB ins Spiel.

Tuchel hatte nach der Rückkehr vom lockeren Champions-League-Aufgalopp in Warschau angekündet, seine Mannschaft kräftig durchzumischen, und das tat er dann auch. Bereits am Dienstag spielt der BVB in Wolfsburg vor, freitags kommt der SC Freiburg ins Revier, am Dienstag darauf kommt es zum Spiel gegen Real Madrid. "Wir müssen im Blick haben", sagt Tuchel, "wer wie oft trainiert hat, wer wie trainiert hat, wer dann noch zur Nationalmannschaft geht und welche Belastung er da hat." In Passlack, Ginter, Castro und Ramos brachte der 43-Jährige gleich vier neue Kräfte. Weil es gilt, die Belastungen von drei englischen Wochen in Folge aufzufangen, und weil Tuchel es sich leisten kann.

Götzes und Schürrles Fehlen macht sich kaum bemerkbar

Er hatte den vollen Gestaltungsspielraum: André Schürrle fehlte gegen Darmstadt angeschlagen, Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang bekam ebenso eine Pause wie Mario Götze, obwohl der Nationalspieler zuletzt in Leipzig und Warschau dokumentiert hatte, dass er auf dem besten Weg zurück zu der Form ist, mit der sich als Teenager ganz Fußballdeutschland in ihn verliebte.

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Ein Niveauverlust war nicht zu erkennen. Christian Pulisic, 17, bekam in der Saisonvorbereitung so wenig Spielanteile, dass kolportiert wurde, er wünsche sich einen Vereinswechsel. Nun wirbelte er zwei Mal in Folge auf der rechten Außenbahn in mitreißendem Tempo. Und jener Mann, den sie in der Heimat als "türkischen Messi" bezeichnen, hatte selbst den gegnerischen Trainer überzeugt: "Wenn man sieht, wie der kleine Emre Mor rumwirbelt, wenn er ins Spiel kommt", sagte Norbert Meier, "diese Qualität haben wir nun mal nicht."

Das gilt für die allermeisten Gegner, denen die Dortmunder in dieser Saison begegnen werden. Zwölf Tore innerhalb von vier Tagen gegen Warschau und Darmstadt sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass dies wohl nicht die letzten Kantersiege waren. Die Treffer von Castro (2), Ramos, Pulisic, Rode und Mor waren ein Beleg, mit welch spielerischer Leichtigkeit der BVB gegen einen völlig überforderten Kontrahenten seine Kreise ziehen durfte. Im Revier werden sie klug genug sein, solche Resultate als das zu bewerten, was sie sind: Der Ausdruck von Kräfteverhältnissen, die sowohl in der Champions League als auch in der Bundesliga immer weiter auseinanderdriften. Die wahren Herausforderungen warten noch.

© SZ vom 18.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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