Bundesliga:Die derzeit aufregendste Mannschaft der Bundesliga

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Die jungen Talente von Bayer Leverkusen verblüffen mit Leichtigkeit: Kevin Volland, Leon Bailey und Torschütze Kai Havertz (v. l. n. r.). (Foto: dpa)
  • Bayer Leverkusen fügt dem VfB Stuttgart beim 2:0-Sieg die erste Heimniederlage in diesem Jahr zu.
  • Dass es dem Team von Heiko Herrlich gelingt, den Aufsteiger zu bezwingen, verwundert nicht. Die Leverkusener überzeugen mit Zielstrebigkeit und Leichtigkeit.
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Von Matthias Schmid, Stuttgart

Der Angreifer näherte sich rücksichtslos von hinten, lautlos und ganz langsam. Bernd Leno hatte keine Chance, den Rempler irgendwie vorauszuahnen oder ihm auszuweichen. Dass der Leverkusener Torhüter am Freitagabend im Souterrain des Stuttgarter Stadions körperlich unversehrt blieb, lag einzig und allein daran, dass der Angreifer Michael Reschke hieß und den Schlussmann mit dem kleinen Stoß an die Schulter nur ein bisschen foppen wollte.

Der Sportvorstand des VfB Stuttgart, der als Kaderplaner einst den Torwart nach Leverkusen geholt hatte, ließ Leno seinen Frust spüren, weil der 25-Jährige den VfB fürchterlich geärgert hatte. Leno, ein gebürtiger Schwabe aus Bietigheim-Bissingen, hatte mit zahlreichen bemerkenswerten Reflexen die Stuttgarter in die Resignation getrieben und großen Anteil daran, dass Leverkusen am Freitagabend durch Tore von Kai Havertz (20.) und Lars Bender (80.) mit 2:0 siegte und nun schon seit zehn Spielen in der Bundesliga ungeschlagen ist.

"Blödmann!", rief Reschke dem Keeper mit einem Lächeln noch hinterher, als Leno in die Mikrofone sprach. Es war natürlich nicht ernst gemeint, es war keine dieser üblen Beleidigungen, die Leno zuvor von den treuesten VfB-Anhängern in der Cannstatter Kurve hatte ertragen müssen. "Wenn sie mich beleidigen, motiviert mich das umso mehr", meinte Leno, der vor sechseinhalb Jahren nach Leverkusen gewechselt war, nachdem er beim VfB die Ausbildung von der F-Jugend bis zur zweiten Mannschaft durchlaufen hatte.

Leverkusens Leichtigkeit verblüfft

Der Sieg bei dem vorher in den Heimspielen noch ungeschlagenen Aufsteiger hat einmal mehr den Trend der vergangenen Wochen verfestigt: Bayer Leverkusen ist zurzeit neben dem FC Bayern das formstärkste und aufregendste Team der Bundesliga. "Sie sind eine Spitzenmannschaft und spielen aktuell auch wie eine Spitzenmannschaft", hob Reschke anerkennend hervor.

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In der Tat verblüfft es, mit welcher Zielstrebigkeit und Leichtigkeit die Mannschaft von Heiko Herrlich nach vorne spielt. So ist es kein Zufall, dass sie auch im 20. Spiel nacheinander mindestens ein Tor erzielt hat. Herrlich ist es nach anfänglichen Problemen gelungen, ein Gebilde zu schaffen, das in der Offensive mit Geschwindigkeit und Raffinesse große Verwirrung bei den Gegnern stiften kann und gleichzeitig in der Defensive so stabil geworden ist, dass es schwer ist, gegen sie ein Tor zu schießen. Hinzu kommt die taktische Flexibilität. Während des Spiels stellte Herrlich mehrmals das System um. Er begann mit einer Dreierkette, die sich dann in der eigenen Hälfte zu einer Fünferreihe mit den Offensivspielern Leon Bailey auf der linken und Admir Mehmedi auf der rechten Seite vergrößerte. Der frühere Stürmer Herrlich denkt auch in der Defensive offensiv.

Als die Stuttgarter nach der Pause mehr Drang nach vorne entfalteten und Leno mit starken Reflexen gegen Emiliano Insua (52./61.) und Berkay Özcan (56.) in den Mittelpunkt rückte, musste sich Leverkusens Trainer wieder etwas Neues einfallen lassen. Er wechselte Benjamin Henrichs als linken Außenverteidiger ein, zog Lars Bender in die Abwehr, um fortan mit einer Viererkette mehr Zugriff auf das Spiel zu bekommen. "Die Umstellungen haben uns wieder stabiler gemacht", lobte Bender, der per Kopf in der 80. Minute das Spiel entschieden hatte.

Diesen Treffer musste sich Heiko Herrlich hinter einem grauen Mäuerchen ansehen, regungslos stand er da, nachdem ihn Schiedsrichter Deniz Aytekin fünf Minuten vorher auf die Tribüne geschickt hatte. Herrlich hatte nach einer Entscheidung Aytekins eine Wasserflasche wütend auf den Boden geschmissen, daraufhin verwies der Unparteiische ihn des Platzes. "Warum?", schrie Herrlich, der sich keiner Schuld bewusst war. Nach dem Spiel wunderte sich der 46-Jährige noch immer über das Strafmaß, weil der Flaschenwurf von Schalkes Trainer Domenico Tedesco im Spiel bei Borussia Dortmund ungeahndet blieb.

Trotzdem entschuldigte sich Herrlich in der Pressekonferenz für seinen Ausraster, "weil ich ja eine Vorbildfunktion habe", wie er zunächst darlegte, um dann doch noch subtil folgen zu lassen: "Es hat in der Bundesliga schon Trainer gegeben, die eine Flasche auf die Zuschauer geschmissen haben, und danach ist nichts passiert." Herrlich spielte auf Julian Nagelsmann an, der im Oktober im Spiel gegen Gladbach mit einer solchen Szene auffällig geworden war.

"Wo war da der Videoassistent?"

Herrlichs Tribünengang hatte auf das Spiel aber ebenso wenig Einfluss wie das rabiate Foul des Stuttgarters Santiago Ascacibar, der in der 70. Minute Julian Brandt brutal auf den Fuß gestiegen war. Mit einem ähnlichen Vergehen hatte der Leverkusener Wendell in der vergangenen Woche Dortmunds Gonzalo Castro von den Beinen geholt und wurde mithilfe des Videoassistenten nachträglich mit Rot vom Platz gestellt. Das Strafmaß: drei Spiele Sperre. Ascacibar kam mit Gelb davon.

"Wo war da der Videoassistent?", fragte sich nicht nur Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler. Angesichts des Sieges wollte er das aber "nicht so eng sehen", wie er großzügig anmerkte. Er freute sich vielmehr darüber, dass seine Mannschaft in der Tabelle weiter klettert. Wo das noch hinführt? "Unser Anspruch ist schon, dass wir am Ende der Saison ins internationale Geschäft kommen", sagte Torschütze Havertz zunächst vorsichtig, um dann in seinem juvenilen Leichtsinn noch hinzuzufügen: "Wir haben auch das Potenzial für die Champions League." Bernd Leno sah das genau so - und entschwand nach draußen in die Nacht, wo seine Familie und Freunde auf ihn warteten. 30 Karten hatte der ehemalige Stuttgarter für das Spiel gekauft.

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