Borussia Mönchengladbach:"Uns hängt der Dunst des Scheiterns in den Klamotten"

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Mönchengladbacher Melancholie: Die Borussen-Profis nach der jüngsten Niederlage in München.

(Foto: Eibner/imago)
  • Nach der zweiten erfolglosen Saison in Folge wehrt man sich bei Borussia Mönchengladbach gegen die Bedeutungslosigkeit.
  • Trotz des ernüchternden achten Tabellenplatz, möchte man am Trainer festhalten und auf einen Umbruch verzichten.
  • Ein Grund für den mangelnden Erfolg könnte die hohe Ausfallquote von Spielern sein, reduzieren möchte sich der Verein darauf jedoch nicht.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Das Niemandsland ist 170 Quadratkilometer groß, beherbergt rund 270 000 Menschen und liegt zwischen Düsseldorf und der niederländischen Grenze. Das Niemandsland ist auch bekannt als Mönchengladbach. Die örtliche Borussia war einmal Deutschlands bester Fußballklub, mittlerweile ist sie dort, wo niemand hin will: im Niemandsland eben. Borussia-Manager Max Eberl hasst diesen Begriff. Er findet es despektierlich, wenn man den Tabellenachten der Bundesliga in der Bedeutungslosigkeit verortet. Aber wer Eberl vor dem Heimspiel am Freitag gegen den VfL Wolfsburg über die Trostlosigkeit des Gladbacher Fußballs sprechen hörte, der wähnte den Klub in diesem Niemandsland ganz gut aufgehoben. Eberl sagte: "Uns hängt der Dunst des Scheiterns in den Klamotten."

So einen fatalistischen Satz muss man aufdröseln, um nicht den falschen Eindruck zu erwecken, im Niemandsland Gladbach seien momentan alle schwer melancholisch. Eberl hat am Mittwoch Pokal geschaut, Schalke gegen Frankfurt, und da hat er wehmütig ans Halbfinale vor einem Jahr gegen die Eintracht denken müssen. Die Gladbacher haben damals zu Hause im Elfmeterschießen verloren, das Finale also verpasst und als Neunter der Bundesliga dann auch die Europa League. Seit damals, glaubt Eberl, hängt ein schwermütiger Dunst über dem Borussia-Park. Dieser Dunst hat sich verdichtet durch eine weitere Saison, in der nichts so gelaufen ist, wie sich Eberl und der Trainer Dieter Hecking das vorgestellt haben. Zufrieden ist nur der Finanzchef Stephan Schippers, der nach einem Jahr ohne Europapokal und lukrative Spielerverkäufe trotzdem ein Plus von 6,6 Millionen Euro verkünden konnte.

Für einen Achten interessieren sich nicht mal die Stammkunden - "das ist nicht sexy", weiß Eberl

Mit guten Bilanzen kommt man aber nicht in die Champions League, und in der Tabelle ist Gladbach nun mal nur Achter. "Das ist nicht sexy", gibt Eberl zu. Für Achte interessieren sich nicht mal alle Stammkunden. Gegen Augsburg und Leipzig verzeichnete Gladbach saisonale Minusrekorde, der Verkauf von Fanartikeln stagniert. Eberl und die Borussen wollen kein Achter sein, aber noch schlimmer finden sie, wie ein Achter behandelt zu werden.

Wenn es bei Gladbach nicht läuft, meldet sich Berti Vogts zu Wort. Das ist immer so. Vogts wurde mit Gladbach fünfmal Meister, er gewann zweimal den Uefa Cup und einmal den DFB-Pokal. Er steht für die erfolgreichste Zeit dieses Vereins und hat deshalb stets Tipps parat. "Es wird immer versucht, alles ruhig und harmonisch zu lösen, aber Max Eberl müsste mal kräftig auf den Tisch hauen und alles im Klub hinterfragen", wütete Vogts soeben in einer Kolumne im Internet. Eberl ist für Kritik durchaus empfänglich, er zermartert sich in diesen Tagen das Gehirn, wie er seine Borussia aus dem Niemandsland befreien kann, aber er hält dafür keine radikalen Entscheidungen für nötig. "Wir werden im Sommer keine zehn Spieler austauschen", sagt er, und wenn man ihn fragt, ob er den Trainer Hecking seinen bis 2019 gültigen Vertrag erfüllen lasse, antwortet Eberl mit fester Stimme: "Ja!" Weil Hecking genauso antwortet, wären damit alle Diskussionen über einen Trainerwechsel in Mönchengladbach in diesem Sommer hinfällig.

Ein Drittel der Mannschaft fehlt

Es gibt nämlich eine Statistik, die Eberl dem Trainer nicht ankreidet. Wenn die 24 wichtigsten Spieler des Kaders für die bisherigen 30 Saisonspiele immer komplett zur Verfügung gestanden hätten, wäre Gladbach auf eine theoretische Maximalquote von 720 gekommen. Weil aber gleich 20 Profis zusammen insgesamt 231 Spiele verletzungsbedingt versäumt haben, beklagt Gladbach eine Ausfallquote von 32 Prozent. Knapp ein Drittel der Belegschaft hat über die Saison hinweg also gefehlt. Diesen Faktor nennen sie bei Borussia Mönchengladbach immer als ersten, wenn sie die schwache Saison erklären sollen. Doch damit allein kann man die Enttäuschung auch nicht rechtfertigen.

In der Bundesliga führen Gladbacher Profis drei Statistiken an: Lars Stindl ist in dieser Saison der lauffreudigste Spieler (348 Kilometer), Denis Zakaria bringt die meisten Pässe zum eigenen Mann (91 Prozent), Thorgan Hazard absolviert die meisten Sprints (897). Der Einsatz stimmte oft, was fehlte, war die Effektivität. Der Belgier Hazard ist mit 77 Torschüssen, neun Treffern und vier Torvorlagen dreimal der intern Beste in der Torannäherung- und vollstreckung. Doch er allein kann es nicht richten. Unter den acht besten Teams hat Gladbach mit 39 Toren die wenigsten Treffer erzielt, in der ganzen Liga mit 48 Gegentoren jedoch die drittmeisten kassiert. Nur die vom Abstieg bedrohten Freiburg (50) und Köln (58) haben mehr Tore zugelassen.

"Wir haben eine große Aufgabe zu lösen", sagt Eberl, "im Sommer müssen wir anpacken." Das klingt so, als wolle sich Borussia Mönchengladbach nicht noch die dritte erfolglose Saison nacheinander erlauben. Dann wäre im Niemandsland wohl irgendwann doch noch der Teufel los.

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