Borussia Dortmund:Wie stark sind die Nerven des BVB?

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Starke Nerven sind beim BVB gefragt, nicht nur im Rückspiel in Liverpool. (Foto: dpa)

Derby in Schalke, Rückspiel in Liverpool, Pokal-Halbfinale: Borussia Dortmund kann in drei Spielen alles gewinnen - aber auch sehr viel verlieren.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

"Ein Lächeln auf den Lippen", das hätte sich Thomas Tuchel von seinen Spielern gewünscht, aber nach dem Spiel konnte man meinen, dass sein eigenes Lächeln ein bisschen gequält aussah. Borussia Dortmunds Trainer sprach von einem "verbissenen Spiel" und spiegelte dabei auch ein wenig die Spielweise seiner Mannschaft wider: 1:1 gegen die Mannschaft seines Vorgängers Jürgen Klopp, die wirklich nicht unbesiegbar wirkte in diesem Viertelfinal-Hinspiel der Europa League.

Das war für Tuchels Dortmunder wie ein Vorgeschmack auf das, was einen am Saisonende erwartet, wenn man in den entscheidenden Wochen noch alles zu gewinnen - und alles zu verlieren hat.

Das verkrampfte Spiel gegen den FC Liverpool, der seine Qualitäten in Wirklichkeit nur selten zeigen konnte, war ja nur der Anfang von vielen gefühlten "Endspielen", die auf Tuchel und seine bisher so bravourös durch die Saison eilende BVB-Mannschaft jetzt in schneller Folge zukommen: An diesem Sonntag geht es zum ewigen Derby beim Ruhrrivalen Schalke 04, nächste Woche Donnerstag zum Europa-League-Rückspiel nach Liverpool an die Anfield Road, die dann nach Auskunft von Jürgen Klopp "brennen wird". Und schon am 20. April geht es, drittens, zum DFB-Pokal-Halbfinale in Berlin bei Hertha BSC. Drei Auswärtsspiele, die Borussia Dortmund idealerweise alle nacheinander gewinnen müsste.

"Wir haben bisher schon soviel in dieser Saison erreicht"

Für Schalke hat Tuchel schon angedeutet, trotz der emotionalen Bedeutung des Spiels auch über die eine oder andere kräftesparende Rotation in der Startelf nachzudenken. Dortmunds Anhängerschaft kann zwar eher damit leben, fahrlässig aus Wettbewerben rauszufliegen, als mit verminderter Kraft gegen den Erzrivalen anzutreten. Nüchtern betrachtet aber geht es für Tuchel in den kommenden zehn bis 14 Tagen schon um die wirkliche Saisonbilanz: "Wir haben bisher schon so viel in dieser Saison erreicht", betonte Tuchel zwar tapfer nach dem sichtlich ernüchternden 1:1 und einer erstaunlich schwachen Leistung im vorher gehypten Duell mit Liverpool. Man glaubte ihm aber anzumerken, dass er - vielleicht zum ersten Mal - etwas von dem Gefühl schmeckte, das nur den ganz Großen in seiner Branche bekannt ist.

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Erst jetzt, in den letzten vier, fünf Wochen der Saison, geht es um das wahre Bilanz-Ziehen, wenn man bei einem großen Klub wie Borussia Dortmund Trainer ist. Bayern München und Tuchels Geistesbruder Pep Guardiola ergeht es, auf noch höherem Niveau, nicht anders: Wer bis zum Ende für eine tolle Ausgangsposition gekämpft hat, kann am Ende auch fast alles verlieren.

Tuchel ist jemand, der sich nicht nur an blanken Resultaten messen lässt, auch die spielerisch-taktischen Lernfortschritte seiner Mannschaft seit Monaten als Selbstzweck lobt. Zugleich ist Tuchel in seiner Sozialisation aber durch und durch Fußballer. Er hat verinnerlicht, dass der Profifußballzirkus keine Waldorf-Schule ist und es im Leistungssport letztlich um die knallharte Währung des Sieges geht.

Sein Vorgänger und jetziger Gegenspieler Klopp ist burschikoser. Die Spielweise seiner bisweilen limitiert wirkenden Liverpooler sagte, leicht zusammengefasst, nur eins aus: Wir sind alle drei Köpfe größer als Ihr und wir wollen Euren Skalp!

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Für Tuchel und seine Mannschaft wird es in Schalke, Liverpool und dann in Berlin darauf ankommen, zugleich locker und spielerisch zu bleiben und sich nicht auf das Niveau des Gegners herabziehen zu lassen - und zugleich unerbittlich zu sein. Die wirklich großen Mannschaften, egal ob Bayern oder Barcelona, exerzieren das seit Jahren. Auch ihnen gelingt es nicht immer: Als Dortmund den Bayern 2012 die Meisterschaft und den Pokal wegschnappte, vergeigten die Münchner danach auch ihr Champions-League-Finale dahoam.

An dieser Wasserscheide, an der Tuchel jetzt mit Dortmund angekommen ist, kann man nur stehen, wenn man vorher so weit gekommen ist, dass man im April noch solche unbegrenzten Möglichkeiten hat. "Die Ausgangslage ist nach vor offen", hat Tuchel als Parole ausgegeben. Man wird in Schalke, Liverpool und Berlin sehen, wie weit die BVB-Nerven sind.

Und ob das Spiel gegen ihren alten Trainer-Guru Klopp von einem Sondereffekt überschattet war: Spieler wie Henrikh Mkhitaryan oder Pierre-Emerick Aubameyang, die sich von Klopp eher missverstanden fühlten, hatten sich an diesem Hinspiel-Abend offenbar zu viel vorgenommen. Auch das richtige Maß ist ein Teil von Klasse.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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