Borussia Dortmund steht im Champions-League-Finale:Viel zu kaputt zum Feiern

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Der Finaleinzug gegen Real Madrid kostet Borussia Dortmund enorm viel Kraft, ganz besonders die turbulenten letzten Minuten. Dann erteilt Jürgen Klopp seiner Mannschaft die Party-Erlaubnis - doch es reicht nur noch zum Bierchen auf dem Zimmer.

Von Carsten Eberts, Madrid

Als der Schlusspfiff ertönte, legte sich Roman Weidenfeller einfach ab. An der Strafraumlinie, auf die kurzen grünen Stoppeln, die Beine trugen ihn nicht mehr. "Ich hatte keine Kraft mehr zu stehen", erklärte der Torhüter später, das war kein Spruch, keine Übertreibung. Weidenfeller hatte über 95 Minuten alles aus seinem Körper rausgeholt, Bälle pariert, sich mit Gegenspielern angelegt. Er sah einigermaßen fürchterlich aus.

Drinnen im Bauch des Estadio Santiago Bernabéu setzte fast zeitgleich sein Trainer Jürgen Klopp zur größten Lobhudelei an, die man je von ihm gehört hatte. Klopp war schwer gerührt, wie seine junge Mannschaft im brüllenden Madrider Stadion bestanden hatte. Dass ein Klub wie der BVB Real Madrid ausschaltet, sei nach wie vor eine Sensation, so Klopp: "Das ist die außergewöhnlichste Leistung, von der ich seit langen Jahren im Sport gehört habe."

Klopp war sichtlich euphorisiert, saß da im feinen Zwirn, der ihm immer noch nicht ganz so gut steht wie der knautschige, schwarz-gelbe Trainingsanzug. Doch er strahlte. Das Halbfinal-Rückspiel in Madrid hatte der BVB zwar 0:2 verloren, das 4:1 aus dem Hinspiel reicht aber zum Weiterkommen. Und damit für die Teilnahme am Endspiel in knapp vier Wochen in London.

Von einem Feierverbot wollte Klopp gar nichts wissen. Trotz des sich ankündigenden Finals, trotz des Bundesligaspiels am Samstag ausgerechnet gegen den FC Bayern. "Wenn ich der Mannschaft jetzt nicht gestatte auszugehen, bin ich ja ein Vollhorst", verkündete Klopp.

Was der Coach nicht bedacht hatte: Von seinen Spielern zeigte sich kaum noch jemand fähig, nur ansatzweise das Glas zu erheben. Die waren allesamt fix und fertig. Robert Lewandowski hatte von Gegenspieler Sergio Ramos mehrere Ellenbogenschläge abbekommen, Sven Bender schmerzte es, Mario Götze musste bereits nach wenigen Minuten wegen eines Muskelfaserrisses ausgewechselt werden und wird auch das Spiel am Samstag verpassen. Auch Jakub Blaszczykowski war am Ende seiner Kräfte. Marco Reus sprach noch leiser als sonst.

Die Dortmunder hatten Real Madrid einen gigantischen Kampf geliefert, eine dramatische Schlussphase überstanden, sich mit letzter Kraft gegen das drohende Aus gestemmt. Einer nach dem anderen schlurfte schließlich in Richtung Mannschaftsbus, Mats Hummels legte seinen Kopf entkräftet in den Nacken von Marcel Schmelzer. Selten hatte man eine so geschundene Mannschaft gesehen.

Borussia Dortmund in der Einzelkritik
:Auf den Schultern von Weidenfeller und Hummels

Robert Lewandowski fällt fast das Tor, Ilkay Gündogan besteht die Reifeprüfung. Die vermeintlichen Schwachstellen Roman Weidenfeller und Mats Hummels sichern den Finaleinzug, während die ganze Mannschaft beweist, dass Mario Götze nicht einfach zu ersetzen sein wird. Der BVB beim 0:2 in der Einzelkritik.

Von Carsten Eberts, Madrid

Nicht mal mehr im Restaurant wollten die Spieler den Abend ausklingen lassen. Nur ein Bierchen auf dem Hotelzimmer, das war's. Hätte der BVB in Madrid ein großes Bankett veranstaltet, wie es der FC Bayern nach Champions-League-Auswärtsspielen zu tun pflegt: Die Dortmunder Spieler wären wohl zwischen Loup de Mer auf Selleriemousse und Schaumsößchen einfach eingeschlafen.

Neven Subotic (o.) und Roman Weidenfeller: Entkräftet, aber glücklich (Foto: dpa)

Fast wäre es noch schief gegangen mit der zweiten Teilnahme an einem Champions-League-Endspiel nach 1997. 82 Minuten lang hatte der BVB alle Angriffe von Real Madrid pariert. Mal mit Glück, mal mit Weidenfeller, der überragend hielt und mehrere freie Schüsse von Higuain, Ronaldo und Özil wegnahm. Binnen fünf Minuten schossen Benzema (83.) und Ramos (88.) dann zwei Tore. Das Estadio Santiago Bernabéu brodelte nun bedenklich. Ein weiteres Tor, und Dortmund wäre trotz des 4:1 im Hinspiel raus gewesen. "Nach der Málaga-Partie wussten wir natürlich, dass im Fußball alles möglich ist", fasste Weidenfeller die Gefühlslage zusammen.

Doch der BVB überstand auch die fünf Minuten Nachspielzeit.

Einen hätte das Aus besonders getroffen: Ilkay Gündogan. Er hatte Mitte der zweiten Halbzeit die große Chance auf das Führungstor. Hätte Gündogan getroffen, wäre das Spiel sicher zugunsten der Dortmunder gelaufen gewesen. Doch der Nationalspieler zögerte, obwohl er frei vor Reals Keeper Diego López auftauchte - anstatt eine Ecke anzuvisieren, schoss er López aus wenigen Metern an. "Wir hätten diesen einen verdammten Konter setzen sollen", befand Klopp. Kurz nach der Pause hatte bereits Lewandowski die Latte getroffen. Gündogan entschuldigte sich später mehrfach.

Doch zum Schlimmsten kam es nicht. Und irgendwie passte der dramatische Auftritt natürlich zum BVB. "Diese Mannschaft macht nur All-Inclusive-Fußball", erkannte Klopp mit gequältem Lächeln. Nervlich hatten ihm seine Jungs wieder alles abverlangt.

Das konnte auch Hans-Joachim Watzke bestätigen, der Geschäftsführer. In der Schlussphase musste er kurzerhand seinen Sitzplatz auf der Ehrentribüne neben dem spanischen König verlassen. "Das erste Mal in meinem Leben musste ich wegen Herzproblemen aufgeben", erzählte Watzke später. Er sei auf die Toilette gegangen, habe sich eingeschlossen, die letzten 20 Minuten. "Ich konnte nicht mehr hinsehen", sagte er.

Watzke kehrte zurück, als seine Spieler jubelten. Da ging es auch seinem Herz besser. Der BVB steht damit tatsächlich im Finale der Champions League. Es könnte ein rein deutsches Finale werden, am 25. Mai in London. Der FC Bayern muss nur noch nachlegen.

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