Borussia Dortmund:Dortmund sehnt sich nach Heilung

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  • Borussia Dortmund sucht nach dem Anschlag auf den Teambus den Weg zurück in die Normalität.
  • Das Aus in der Champions League beschäftigt die Spieler ebenfalls.
  • Gegen Gladbach könnte ein wichtiger Spieler fehlen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Aufatmen hat selten eine große Lautstärke. Als sich die Spieler von Borussia Dortmund am Freitagnachmittag zum Abschlusstraining vor dem Bundesligaspiel bei Borussia Mönchengladbach trafen, gab es keinen Anlass zu hörbarem Jubel. Am Trainingsgelände, mitten im Neubaugebiet von Buschei, blieb es ruhig. Den ganzen Tag über hatten so gut wie alle BVB-Profis die ständig aktualisierten Nachrichten von der Festnahme des mutmaßlichen Attentäters auf ihren Mannschaftsbus verfolgt. Aber nur Teamkapitän Marcel Schmelzer mochte zunächst die Stimmungslage beschreiben: "Natürlich ist es eine Erleichterung zu hören, dass man nun zu wissen scheint, wer der Täter ist, und es hilft bei der Verarbeitung, was für Motive der Anschlag eigentlich hatte."

Das Training fand wie geplant unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die übliche Routine bei Auswärtsspielen hatte die sportliche Leitung aber schon zuvor abgeändert. Ins nur 100 Kilometer entfernte Mönchengladbach reist die Team erst am Spieltag und bereitet sich in einem Tageshotel auf die Partie am Samstag um 18.30 Uhr vor, anstatt schon am Vorabend anzureisen. Der BVB versucht, den Spielern im Moment möglichst viel Zeit mit ihren Familien zu lassen, weil das für die labile seelische Verfassung das Beste zu sein scheint. Am Vormittag wurde nicht trainiert. Und die Anstrengungen der Reise zum AS Monaco, mit dem Halbfinal-Aus am Mittwoch in der Champions League, müssen ja auch verarbeitet werden.

"Es gibt kein Patentrezept", kommentierte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel die neue Lage nach der Festnahme des Verdächtigen, "für mich persönlich kann ich sagen, dass es mir im Moment sehr gut geht." Tuchel hatte beim Sprengstoff-Anschlag mit im Bus gesessen, war also genau wie die Spieler und die mitfahrenden Betreuer von dem psychischen Trauma betroffen. Mehrere Spieler hatten immer wieder betont, dass eine Aufklärung des Attentats bei der Verarbeitung des Erlebnisses wohl sehr helfen würde.

"Es ist erst mal ein guter Tag heute, auch wenn man die Festnahme ja erst einmal noch mit den üblichen Konjunktiven verbinden muss. Man darf sich aber auch keine Wunderheilung erwarten", meinte Sportchef Michael Zorc: "Ich höre von Spielern, dass diese Festnahme eine Hilfe sein wird - aber sicher nicht für jeden und vielleicht auch noch nicht von heute auf morgen." Für die Verarbeitungsprozesse in den Köpfen der Spieler mache es keinen allzu großen Unterschied, ob Terrorismus oder - wie es sich nun andeutet - kriminelle Habgier das Motiv war.

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Dortmunds Kapitän Schmelzer bezog ausdrücklich die Polizei in seine Ausführungen ein: "Gerade die Dortmunder Polizei hat ja in den Tagen nach dem Anschlag auch uns Spieler und unsere Familien und Häuser geschützt. Dafür sind wir besonders dankbar." Das Aufatmen wegen des Durchbruchs bei der Fahndung hatte denn auch viel mit den Befürchtungen zu tun, wonach sich Anschlagsversuche hätten wiederholen können. Mit der Verhaftung eines Verdächtigen sind die Spieler zumindest diese Sorge los.

In der wichtigen Saison-Endphase kann der Klub sich sportlich allerdings auch nicht mehr allzu viel Ablenkung und Verunsicherung erlauben. Der BVB will noch Dritter werden und muss dazu am Konkurrenten 1899 Hoffenheim vorbei. Zugleich ist Mönchengladbach ein Gegner, gegen den sich der BVB auch in sorgenfreien Zeiten oft schwer tut. Am kommenden Mittwoch geht es dann beim FC Bayern noch um den Einzug ins DFB-Pokalfinale in Berlin.

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Gegner wird dort der Sieger des zweiten Halbfinales Mönchengladbach gegen Eintracht Frankfurt sein. Für beide Saisonziele kann sich Tuchels Mannschaft kaum noch Aussetzer erlauben. Der Anschlag müsste, wenn es sich per Dekret anordnen ließe, also so schnell wie möglich aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Wenn das so einfach wäre.

BVB-Präsident Reinhard Rauball meinte, dass "das Thema uns lange nicht wirklich loslassen" werde. Zum einen "wegen der persönlichen Betroffenheit mancher Spieler, aber auch, weil das anstehende Gerichtsverfahren das Erlebte immer wieder in Erinnerung bringen wird". BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kündigte im Gespräch mit der SZ an, eine neue Abteilung "Sicherheit" im Klub einzurichten. Erste Gespräche dazu habe er mit ausgewiesenen Sicherheits-Fachleuten der Sondereinheit GSG9 und des Bundeskriminalamtes BKA bereits geführt.

So wichtig die Festnahme des Tatverdächtigen für die Selbstheilungskräfte der BVB-Spieler auch ist: Sie wird die Konzentration auf das Spiel in Gladbach natürlich trotzdem gestört haben. Trainer Tuchel musste zudem berichten, dass der Einsatz von Nationalspieler Marco Reus nach den Strapazen des Monaco-Spiels nicht sicher sei.

Am Tag des Aufatmens über die Aufklärung ging es am Ende aber nur in Fußnoten um die sonst gewohnten Banalitäten, die den Fußballbetrieb bestimmen: Wehwehchen und Verletzungen. Immerhin hat der BVB aber vor einer Woche beim 3:1 gegen Eintracht Frankfurt schon bewiesen, dass es auch in der aktuellen Situation wieder gelingen kann, einfach nur eine gute Fußballmannschaft zu sein.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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