Borussia Dortmund:Die talentierteste Baustelle der Bundesliga

Im ersten Spiel zeigt Borussia Dortmund, dass der Klub Spieler mit enormem Potenzial geholt hat, auch wenn das Zusammenspiel noch nicht richtig klappt. Rätsel gibt Mario Götze auf.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Den Abdruck eines Stollenprofils auf seiner Stirn betrachtete Marc Bartra offenbar als ersten Ritterschlag. Stolz twitterte der Nachfolger von Mats Hummels das Beweisfoto. Stefan Bell hatte den Spanier mit hohem Fuß mitten im Gesicht getroffen, im Strafraum von Mainz 05. Den dafür fälligen Strafstoß wollte Schiedsrichter Robert Hartmann in der neunten Minute zwar noch nicht geben, aber Dortmund gewann auch so 2:1 - und Bartra, der sich in den vergangenen Jahren die Spiele des FC Barcelona meist von der Ersatzbank aus angesehen hatte, durfte sich als lachender Krieger präsentieren.

Für Bartra und seinen neuen Klub hielten sich die Erkenntnisse des ersten Spieltags ansonsten in Grenzen. Wie erwartet sah das Dortmunder Spiel noch so sehr nach Umbau aus, dass man nicht nur Bartra das Tragen eines Baustellenhelms hätte empfehlen können - trotz bis zu 40 Grad Hitze, die den Bundesliga-Auftakt zu einer Tortur für Spieler und Fans machten.

Spielentscheidend ist ein Bekannter: Torjäger Aubameyang

Bartra zeigte, was man schon aus Testspielen kannte: elegantes Stellungsspiel, Ideen im Spielaufbau, feine Technik - und Abstimmungsprobleme mit dem Rest der Defensive. So zog es sich durch die ganze Mannschaft, die fast 70 Prozent Ballbesitz hatte, aber erst kurz vor Schluss gegen die bärbeißigen Mainzer die Entscheidung erzwingen konnte. Ein Elfmeter von Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang (2:0/89.), dem schon das frühe 1:0 (17.) per Kopf gelungen war, machte alles klar.

Das Kompliment seines Trainer-Pendants Martin Schmidt, Mainz habe gegen eine "Angriffs- und Passmaschine" verloren, schlug Thomas Tuchel freundlich aus: "Angriffsmaschinchen" könne man vielleicht sagen, gab Dortmunds Trainer-Tüftler zurück, in einigen Vorbereitungsspielen hätte manches sogar besser geklappt als nun zum Liga-Start. Tuchel attestierte seiner Mannschaft ein bisschen Nervosität, Übervorsicht und Angst vor der eigenen Courage: "Uns hat oft der Mut gefehlt, einfach nach vorne zu spielen."

Tuchel hätte auch von einem Viererkettchen sprechen können - angesichts der Findungsprobleme seiner Abwehrreihe mit Bartra und Sokratis sowie den beiden Außenverteidigern Marcel Schmelzer und Felix Passlack, 18, aus der eigenen A-Jugend. Individuell gefiel eigentlich jeder in der Viererkette, im Verbund aber zahlt Dortmund noch die Zeche für den Verlust von Mats Hummels und Neven Subotic, die jahrelang den Laden zusammenhielten. Trotz der fast schon aufdringlichen individuellen Klasse wirkt die neue BVB- Maschine noch nicht geölt und eingefahren.

Vier Neue - Bartra, Sebastian Rode (vom FC Bayern), Ousmane Dembélé (von Stade Rennes) und André Schürrle (aus Wolfsburg) - bot Tuchel in der Startaufstellung auf. Auch Passlack muss man als Zugang werten, später kam noch Raphael Guerreiro (FC Lorient) dazu. Manch bewährte Kraft wie den noch lädierten Marco Reus, die Rio-Fahrer Sven Bender und Matthias Ginter oder den noch nicht ganz austrainierten Spielmacher Nuri Sahin hatte Tuchel nicht dabei. Auch Mario Götze, der das Spiel von der schattigen Westtribüne aus beobachtete, will der Trainer zunächst zumindest in körperliche Bestform bringen: "Die hat er nicht, weil er in letzter Zeit halt nicht oft gespielt hat."

Der neue Kapitän Schmelzer schwärmt von den BVB-Zugängen

Der 24-jährige Götze, der die eine Hälfte der Vorsaison bei Bayern München verletzt war und die andere kaum zum Einsatz kam, soll durch individuelles Training zu alter Geschmeidigkeit geführt werden, statt sich in athletisch mangelhaftem Zustand sofort Kritik einzufangen, die sein angeknocktes Selbstvertrauen noch mehr belasten könnte. Dass der BVB-Heimkehrer die nächsten Tage mit der Nationalmannschaft unterwegs sein soll, passt dem Trainerstab, wie man hört, gar nicht.

Bei Götzes Weltmeister-Kumpel Schürrle ist es umgekehrt: Er sagte dem DFB ab (Rückenprobleme), präsentierte sich aber gegen Mainz schon in ordentlicher Form. "Da ist bei Schü noch jede Menge Luft nach oben", bilanzierte Tuchel zwar, aber Schürrle schoss siebenmal aufs gegnerische Tor, legte Aubameyang eine präzise Flanke zum 1:0 auf den Kopf und war vor dem Elfmeter-2:0 im Mainzer Strafraum nur noch durch ein Foul zu bremsen.

Ausgerechnet der frühere Mainzer Schürrle, dessen bisherige Vereinswechsel zu Leverkusen, Chelsea und Wolfsburg eher finanziell motiviert wirkten, scheint sich an dem emotionalen Fluidum in Dortmund nun besonders aufzurichten: "In diesem Stadion, mit diesen Leuten ein Heimspiel zu haben, da habe ich mich wie ein Kind darauf gefreut. Es ist fantastisch", begeisterte sich Schürrle, der wie ausgewechselt wirkt im Vergleich zu vielen Spielen auf seinen vorherigen Stationen.

Spielentscheidend war aber wieder mal Torjäger Aubameyang. Sein Nebenmann Ousmane Dembélé, 19, auf den Außenpositionen mit Schürrle im Wechsel unterwegs, wirkte derweil wie Aubameyang, als er vor drei Jahren beim BVB begann: Sensationelle Dribblings und Sprints wechselten sich mit Fehlpässen und defensiver Ahnungslosigkeit ab. Kein Zweifel aber: In Dembélé haben Dortmunds Scouts eines der größten Talente an Land gezogen, das die Bundesliga zuletzt gesehen hat. "Gegen Ousmane oder Emre Mor im Training spielen zu müssen", scherzte Dortmunds neuer Kapitän Marcel Schmelzer, "macht keinen Spaß. Ich bin froh, dass wir in derselben Mannschaft spielen." Dembélé wirkte dennoch ein bisschen wie ein Lehrling auf der Hochbegabten-Baustelle: Helmpflicht - Unfälle vorerst nicht ausgeschlossen.

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