Biathlon-Staffel bei Olympia:Unter Beobachtung zu Silber

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"Balsam auf die geschundene Seele": Erik Lesser, Daniel Böhm, Arnd Peiffer und Simon Schempp (von links) feiern den zweiten Platz. (Foto: REUTERS)

Die Biathlon-Männer schaffen es, sich nach dem Doping-Wirbel um Kollegin Sachenbacher-Stehle zu konzentrieren und laufen in der Staffel auf Rang zwei. Dennoch bleibt der Ton moderat. Die Deutschen verurteilten stets das Doping der anderen - jetzt sind die Rollen vertauscht.

Von Volker Kreisl, Krasnaja Poljana

Er habe sich gut gefühlt in der Loipe, sicher am Schießstand und er habe auch gut geschlafen, sagte Arnd Peiffer. Dieser verheerende Tag fürs deutsche Biathlon, so Peiffer, habe sich nicht auf seine Leistung ausgewirkt: "Wir hatten ja anders als die Frauen am Freitag, noch Zeit uns zu sortieren." Rund 40 Stunden nach den ersten Gerüchten also, rund 24 Stunden nach der offiziellen Bekanntgabe des Dopingbefundes von Evi Sachenbacher-Stehle und einem absurden elften Platz der deutschen Frauenstaffel, gelang es den Männern doch noch, sich zu konzentrieren.

Zum Abschluss der Olympischen Spiele erreichten sie Silber hinter Russland, auf Platz drei liefen die Österreicher.

Ähnlich wie am Abend zuvor liefen die Deutschen unter Beobachtung. Zuschauer, Betreuer und Athleten, die sich mit Leistungssport beschäftigen, mit dem Betrug, der auch im Biathlon überall möglich ist, mussten ja ein Auge auf die Deutschen haben. Sie hatten sich stets als sauberer Verband präsentiert, der das Doping der anderen verurteilte. Nun hatten sich die Rollen verkehrt und Frauen-Trainer Gerald Hönig glaubte, eine subtile Sippenhaftung zu spüren: "Es gibt Trainer, die einem sofort auf die Schulter klopfen und ein bisschen Zuspruch geben, aber man weiß auch nicht, was sich hinter den Köpfen für Gedanken abspielen. Dann werden Ergebnisse angezweifelt. Genauso würden wir denken und reagieren."

Als Fiasko fürs deutsche Biathlon hatten auch Cheftrainer Uwe Müssiggang und Ex-Athleten wie Magdalena Neuner und Uschi Disl den Methylhexanamin-Fund bei Sachenbacher-Stehle bezeichnet.

Am Freitag noch war die 19-jährige Startläuferin Franziska Preuß, wohl auch unter dem Eindruck eines Tages voller Anspannung, in der ersten schweren Abfahrt gestürzt. Sie hatte daraufhin Schnee in der Waffe, was mit den entsprechenden Komplikationen am Schießstand zu einem unaufholbaren Drei-Minuten-Rückstand führte. Umso spannender blieb die Frage: Wie verkrafteten dies die Männer?

Nach den ersten Eindrücken lässt sich sagen: Erik Lesser, Daniel Böhm, Arnd Peiffer und Simon Schempp fanden die richtige Laufform und später den richtigen Ton. Der Freitag wurde im Kopf an die richtige Stelle platziert, aber nicht verdrängt. Peiffer gelang es, sich zu sortieren und auf das Schießen zu fokussieren. Erik Lesser sagte: "Nach den Vorkommnissen von gestern war es tagsüber schwer, die Gedanken abzustellen, ich habe auf Schritt und Tritt daran gedacht." Erst beim Schießen schaltete er ab.

Lesser schoss fehlerfrei, Böhm leistete sich einen Lapsus, Peiffer blieb wieder tadellos, Schempp schoss dann liegend einmal daneben. Zwei Fehler, damit hatten sie die beste Schießleistung im Feld und waren auch läuferisch unter den Ersten. Peiffer holte auf seiner dritten Runde knapp 20 Sekunden auf Rekordmann Ole Einar Björndalen auf, der wegen eines Blackouts des norwegischen Schlussläufers Emil Hegle Svendsen keine weitere Medaille bei diesen Spielen gewann. Und Simon Schempp lief bis zu den letzten Metern mit Anton Schipulin um Gold, bis er ihn auf der Schlussgerade doch ziehen lassen musste.

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Im Ergebnis war es angesichts des Drucks und der hochklassigen Olympiakonkurrenz der beste Staffel-Auftritt seit dem Olympiasieg 2006. Als Schempp das letzte Schießen, dass er gleichzeitig mit Norwegen, Österreich und Russland begann, als Erster beendete und mit großem Abstand auf den Vierten in die Schlussspur ging, brach lauter Jubel in dem kleinen Grüppchen deutscher Sportler und Betreuer aus, das sich im Wartebereich neben dem Zielraum warmhielt.

Insgesamt aber blieb der Ton moderat. Von Genugtuung oder ähnlichen Gedanken war kaum die Rede. Bundestrainer Mark Kirchner sprach von "Balsam auf die geschundene Seele". Die Tragweite der Situation bleibt den Athleten trotz der Silbermedaille wohl bewusst.

Arnd Peiffer sagte: "Das ist ein Imageschaden für unseren Sport, das ist so noch gar nicht zu beziffern." Das gelte für das deutsche Team, sagte Peiffer, für den Biathlonsport und letztlich auch für die Bundesrepublik Deutschland: "Natürlich ist das in unseren Köpfen drin."

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