Berliner Olympiastadion:Leichtathleten reagieren gereizt

Leichtathletik Berlin 03 09 2016 75 Internationales Stadionfest ISTAF Start 100m der Maenner; Leichtathletik Berlin Olympiastadion 100 Meter

Internationales Stadionfest im Berliner Olympiastadion - mit Tartanbahn.

(Foto: imago/Camera 4)
  • Hertha BSC und der Berliner Senat haben bekannt gegeben, einen Umbau des Berliner Olympiastadions zu prüfen.
  • Der Verein hatte zuvor angekündigt, ab 2025 in einer eigenen Fußballarena spielen zu wollen.
  • Kritik kommt vor allem vom Leichtathletik-Verband, der um die letzte olympiataugliche Sportstätte in Deutschland fürchtet.

Von Javier Cáceres und Johannes Knuth, Berlin

Es gab nichts mehr, was man noch mit dem Manager und dem Präsidenten von Hertha BSC hätte besprechen können; Michael Preetz und Werner Gegenbauer zogen davon. Es ist ja nicht so, dass sie nicht hin und wieder stehen bleiben. Doch nach dem letzten Spiel der Saison, das Hertha am Samstag 2:6 (0:3) gegen Bayer Leverkusen verloren hatte, war ihnen offenbar danach, so rasch wie möglich in den VIP-Raum des Olympiastadions zu verschwinden. Dabei war es beileibe nicht so, dass es keine Gesprächsthemen gegeben hätte.

Die Partie gegen Leverkusen sowieso, aber auch diese so seltsame, unseltsame Saison. Wie im Vorjahr war Hertha famos in die Hinrunde gestartet und hatte in der Rückrunde ebenso famos abgebaut, was dazu führt, dass Hertha nur dann direkt für die Europa-League-Gruppenphase qualifiziert ist, wenn Borussia Dortmund am kommenden Samstag das DFB-Pokal-Finale gegen Eintracht Frankfurt gewinnt. Und Gesprächsstoff hätte erst recht eine infrastrukturelle Debatte geliefert, die am Wochenende eine unerwartete Wendung nahm: die Frage nach der künftigen Heimstatt der Hertha.

Beide Denkmodelle bergen gravierende Probleme

Am Freitagnachmittag veröffentlichten Hertha und der rot-rote Berliner Senat ein gemeinsames Statement, das sich ein wenig so las, als habe man das Ei des Kolumbus entdeckt. Zur Erinnerung: Hertha hatte Ende März angekündigt, ab 2025 in einer eigenen Fußballarena zu spielen. Entweder man erhalte vom Land Berlin die Erlaubnis, auf dem Olympiagelände - also quasi im Schatten des Olympiastadions - eine 55 000-Zuschauer fassende Arena zu bauen, oder man gehe nach Ludwigsfelde.

Beide Denkmodelle bergen für beide Parteien gravierende Probleme. Das Olympiagelände gehört Berlin. Bislang wollte das Land nicht einsehen, warum es einer Arena den Segen geben sollte, die direkt neben dem Olympiastadion (und damit in Konkurrenz zu selbigem) liegen würde. Denn: Auch das Olympiastadion gehört dem Land Berlin, Hertha ist dort der wichtigste Mieter. Für Hertha wiederum stellt ein möglicher Umzug nach Ludwigsfelde ein Imageproblem dar: Zwar liegt Ludwigsfelde nur wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze - aber halt in Brandenburg.

Was nun das Ei des Kolumbus ist? Eine Studie des Architekturbüros "gmp", das bei vielen gelungenen Bauprojekten, aber auch beim Flughafen-Desaster BER mitgewirkt hat, besagt jetzt, dass ein Umbau des Olympiastadions "tatsächlich möglich" sei, jauchzten Hertha und der Senat. Erste Entwürfe zeigen demnach, dass das Olympiastadion "auch als Fußballarena eine einzigartige spektakuläre Spielstätte" sein könne. Bislang war das ausgeschlossen worden.

Kritik kommt von Leichtathleten

Der Regierende Bürgermeister Müller (SPD) klang so, als sei das Richtfest schon terminiert: "Hertha bleibt im Jahr seines 125-jährigen Bestehens in Berlin, und das Olympiastadion ist weiterhin Symbol des Fußballs in Berlin." Auch Innensenator Andreas Geisel freute sich, "dass wir nun gemeinsam mit Hertha BSC diesen Weg gehen können. Auch wenn noch eine Menge Detailarbeit vor uns liegt, bin ich sehr optimistisch". Dabei ist schon jetzt Widerspruch abseh- und hörbar.

So ist das für die Spiele von 1936 erbaute Olympiastadion denkmalgeschützt. Bei der Renovierung aus Anlass der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 musste jeder Stein nummeriert und wieder an den alten Ort gesetzt werden. Zum anderen gibt es schon jetzt gereizte Reaktionen aus der Leichtathletik. Sollte die Laufbahn herausgerissen werden, würde sich "Berlin und damit wohl auch Deutschland endgültig von Olympischen Spielen und Leichtathletik-WMs verabschieden", sagte Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes DLV, am Sonntag zur SZ. Das Olympiastadion sei zurzeit die einzige mit dem "Class-1"-Zertifikat versehene Arena in Deutschland. Dieses ist für den Leichtathletik-Weltverband IAAF Voraussetzung für die Bewerbung um Weltmeisterschaften.

Prokop war auch mäßig amüsiert, dass der DLV "in keiner Weise einbezogen" wurde, "das hätte ich mir schon gewünscht, da es uns unmittelbar betrifft". In der BZ sagte Müller, ein Umbau bedeute nicht zwingend das Aus der Leichtathletik im Olympiastadion, denkbar sei eine flexibel rückbaubare Tartanbahn, das werde "jetzt ausgelotet". Das klingt so gut wie andere Ideen, die im Spiel sind: Die Tribünen sollen steiler gebaut, das Spielfeld abgesenkt, der Oberrang mit rückfahrbaren LED-Bildschirmen abgedeckt werden. Aber: Es kling auch ziemlich teuer, teurer als ein Neubau allemal. Und weder Hertha BSC noch Berlin sind finanziell auf Rosen gebettet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: