Bayern-Trainer Jupp Heynckes:Enthaltsamkeit des Altersweisen

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Jupp Heynckes: Letzter Auftritt im Anzug an der Linie naht (Foto: AFP)

Ein Feierbiest sieht anders aus: Jupp Heynckes steht vor seiner erfolgreichsten Saison überhaupt - nach dem möglichen Champions-League-Sieg soll es aber nicht sofort im Autokorso durch München gehen. Der Trainer des FC Bayern will jetzt nichts dem Zufall überlassen. Er will alles.

Ein Kommentar von Andreas Burkert

Der ehemalige Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld hat dieser Tage, in denen alle Welt nur noch über das Finale in London redet, geäußert, in Dortmund seien sie wegen des Themas Fußball schon noch ein bisschen durchgeknallter: So feiern wie der BVB habe der FC Bayern noch nie gekonnt.

Durchgeknallt hat Hitzfeld natürlich nicht gesagt, der Lörracher ist ja, was die Emotionen angeht, ein Kontrollfreak gewesen; erst beim zweiten Abschied aus München 2008 liefen ihm unbeherrscht Tränen übers Gesicht, es war herzzerreißend. Aber Hitzfeld, heute Nationalcoach der bedächtigen Schweizer, kann sich ein Urteil über die Dortmunder Vorteile in punkto Leidenschaft absolut erlauben - denn er coachte eben im Jahre 1997 auch den BVB zum Champions-League-Titel.

Und in Westfalen werden sie sich jetzt sicher an den Kopf fassen wie soeben der Münchner Oberbürgermeister, der mitten im Wahlkampf erfährt, dass ihm ein schöner PR-Termin durch die Lappen geht: Sollte der FC Bayern in London triumphieren, wird er nach Rückkehr am Sonntagabend nicht sofort im Autocorso zum Marienplatz fahren. Er schleicht sich (still und leise?!) zurück in die Stadt. Auf den Rathausbalkon soll es erst eine Woche später gehen.

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Ein schlechter Scherz, sollte man meinen, und in der Tat sollten sich die Bayern dringend überlegen, im Fall der Fälle ihre Pläne spontan umzuwerfen. Überstimmt werden müsste allerdings: der Trainer. Jupp Heynckes ist kein Feierbiest wie sein Vorgänger Louis van Gaal, er hat auch zuletzt bei der Meisterparty keine Wadln über den Rathausbalkon gehalten und die "Muttis" gegrüßt wie 2010 der Sonnenkönig aus Holland. Dass Heynckes diese seltsame Enthaltsamkeit mit dem am Samstag darauf in Berlin auszutragenden Pokalfinale gegen den VfB begründet, ist logisch nur aus Sicht dieses stolzen Mannes, der nach 50 Jahren Bundesliga aus dem Betrieb aussteigt - just in Berlin, wo er nach Lage der Dinge letztmalig coachen wird.

Seitdem Heynckes' Abschied feststeht - tendenziell seit Saisonbeginn, ultimativ seit Pep Guardiolas Verpflichtung - befindet sich dieser altersweise Asket in einem Tunnel. Er ist gelassener als früher, das schon, doch auf den letzten Metern seiner großen Laufbahn überlässt er nichts dem Zufall: Spielt beim sportlich unbedeutenden Farewell-Kick am Pfingstsamstag in seiner Heimat Mönchengladbach selbstredend in Bestbesetzung, untersagt seinen Profis Interviews - und will nun den Rausch nach einem möglichen Triumph über den BVB nicht dehnen durch den nächsten Kraftakt im Rathaus.

Einmal wird Heynckes dorthin noch zurückkehren, am Sonntag nach Berlin, und er will dann nicht seine Wadln zeigen. Sondern etwas, was es noch nie gab und dessentwegen er jetzt bewusst die sonderbare Spaßbremse gibt: drei Trophäen - das Triple.

© SZ vom 18.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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