Basketballer Per Günther im Porträt:Kleiner Dirigent vor großen Aufgaben

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Ohne Angst zum Korb: Per Günther im Spiel gegen den FC Bayern - dort verloren seiner Ulmer knapp. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Körperlich ist Per Günther nicht der Größte auf dem Basketball-Parkett. Trotzdem ist er derzeit vielleicht der beste deutsche Akteur nach Dirk Nowitzki. Sein Klub bietet dem Ulmer Spielmacher ein Umfeld, das ihn immer stärker werden lässt - auch im Nationalteam soll er eine tragende Rolle spielen.

Von Jonas Beckenkamp

Wer sich vorstellt, Basketballer seien generell riesige Lulatsche, der sollte mal Per Günther treffen. Dieser kleine Mann ist ein ungewöhnlicher Botschafter seines Sports. Nach offiziellen Angaben seines Vereins Ratiopharm Ulm misst er 1,84 Meter, doch da haben die Zentimeterzähler wohl einige seiner weit abstehenden Locken mitgerechnet. Auf dem Basketball-Parkett sind Zwei-Meter-plus-Spieler keine Seltenheit. Im Vergleich dazu ist Günther geradezu ein Zwerg.

Diese Relationen kennt der Aufbauspieler seit seiner Jugend, als plötzlich alle Kollegen und Gegner in unerreichbare Höhen schossen. Er musste sich anders helfen. "Wenn du klein bist, musst du dein ganzes Leben gegen Größere ran - also passt du dein Spiel automatisch an. Die Frage ist nicht, ob man zu klein ist, sondern ob man gut genug ist," sagt er. Gut genug ist Per Günther inzwischen, daran zweifelt kaum einer.

Mit 24 Jahren ist er aktuell der vielleicht beste deutsche Spieler der Basketball-Bundesliga. Beim FC Bayern hat sich zwar Robin Benzing stark verbessert und in Ludwigsburg trifft Lucca Staiger noch einige Würfe mehr. Aber kein Einheimischer trägt bei seinem Klub so viel Verantwortung wie der Ulmer Spielmacher.

Die fehlende Einsatzzeit deutscher Profis ist in der Liga noch immer ein schwieriges Thema, obwohl sich die Situation verbessert hat. Per Günther bildet eine Ausnahme: Er ist seit seiner Ankunft in Ulm vor vier Jahren in der ersten Fünf gesetzt. Ligaweit ist er neben dem Braunschweiger Dennis Schröder (19) der einzige deutsche Regisseur, der auf seiner Position bei jedem Spiel von Anfang an auf dem Feld steht.

Günther sieht sich trotzdem als Teamplayer. "Dass ich vielleicht der einzige deutsche Starter als Spielmacher bin, bedeutet mir nicht so viel. Heiko Schaffartzik müsste normalerweise in Berlin auch auf der eins spielen, aber er tut es wohl aus taktischen Gründen nicht." So spricht einer, der die Problematik der fehlenden Spielpraxis in der BBL eigentlich gar nicht kennt.

2008 holte der Ulmer Manager Thomas Stoll den damals 20-jährigen Wuschelkopf aus Hagen in die Münsterstadt - eine glückliche Fügung für beide Seiten. Bei Ratiopharm Ulm herrscht ohnehin eine andere Kaderplanung als im Rest der Republik: Nirgendwo sonst wird deutschen Spielern so viel Vertrauen entgegengebracht wie beim Überraschungs-Finalisten der Vorsaison.

Günther sagt: "Der Klub hält mir den Rücken frei. Als ich hier anfing, wurde Ulm zweimal 14. Das war eine schwierige Zeit. Aber der Manager hat eben diese Philosophie vorgegeben, so dass sich hier etwas entwickelt. Davon habe ich sehr profitiert." Dass er in Ulm ein wichtiger Baustein einer aufstrebenden Mannschaft ist, zeigte sich spätestens in der vergangenen BBL-Endspiel-Serie gegen Bamberg. Dort wuselte und wirbelte der Nationalspieler wie er wollte, und führte in überragender Manier Regie. Und heute? Spricht aus ihm fast schon ein abgezockter Basketball-Dirigent.

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Ein paar Monate später scheint der Winzling unter den Riesen noch stärker. "Er macht da weiter, wo er in den Playoffs aufgehört hat. Per spielte damals schon unglaublich. Jetzt hat er nochmal einen Schritt gemacht," erklärt sein Trainer Thorsten Leibenath, dem sichtlich die Augen funkeln, wenn er über seinen Taktgeber spricht: "Er ist für uns ein extrem wichtiger Spieler, weil er sehr smart agiert. Dadurch ist er mein verlängerter Arm auf dem Feld." Der damalige Coach der Gießen 49er wollte Günther schon 2007 in die Bundesliga holen.

Der amtierende "Trainer des Jahres" kennt und schätzt das abgeklärte Spiel seines kleinsten Akteurs. Und er findet, dass Günther lange unterschätzt wurde. "In der Vergangenheit wurde anderen Spielern mehr Talent zugesprochen," sagt er und könnte damit auch Steffen Hamann meinen, der jahrelang (und nicht ganz unumstritten) im Nationalteam die Nummer eins war.

"Das mag stimmen", sagt Leibenath, "aber Per war eben immer da. Er brachte stets seine Leistung, egal wo er spielte. Trotzdem unterstellten ihm immer wieder viele, dass es auf dem nächsten Level schwierig wird für ihn."

Ganz unbegründet sind die Sorgen nicht, denn Günthers einzige Schwäche ist und bleibt seine fehlende Größe. Was in der BBL mit Schnelligkeit und Übersicht zu kompensieren ist, könnte auf internationalem Level zum Problem werden. Im Sommer steht mit der Nationalmannschaft die EM in Slowenien an, und wenn nichts Gravierendes passiert, wird Per Günther dort Regie führen.

Die Gegenspieler werden bei dem Turnier durchweg einen Kopf größer sein als er, es geht physischer zu. Wer nicht dagegen hält, wird weggeschubst. Einen ähnlich kurzgewachsenen Aufbauspieler leisten sich außer den Deutschen nur die Franzosen, wo mit Tony Parker einer der besten der NBA das Spiel organisiert.

Trotzdem glaubt Günther an seine Chance. "Ich denke, dass ich eine wichtige Rolle haben werde. Hoffentlich kann ich auch Frank Menz (den neuen Bundestrainer, d. Red.) überzeugen, so dass ich meine Spielanteile bekomme", sagt er und grinst. Menz wird Günther vertrauen müssen. Denn einen besseren Nationalspieler gibt es seit dem Rücktritt von Dirk Nowitzki derzeit nicht.

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