Barca gegen City:Ter Stegen gewinnt das Duell der Torhüter

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Marc-André ter Stegen mit einer Parade im Spiel gegen Manchester City. (Foto: AFP)

Barcelona schießt Manchester City mit 4:0 ab, unter anderem weil Citys Claudio Bravo einen absurden Fehler macht. Marc-André ter Stegen überzeugt mit modernem Torwartspiel.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Marc-André ter Stegen, 24, kann ein großzügiger Mensch sein. Und so stand er da nun, in der Mixed Zone des Camp Nou, hatte einen 4:0-Sieg gegen Manchester City im Rücken, zu dem er als Torwart des FC Barcelona das Seine beigetragen hatte, und ließ sich von einem Radioreporter breitschlagen, doch noch live aufzutreten. Obwohl doch ein paar Stockwerke oberhalb der Katakomben des Stadions seine Familienangehörigen warteten und er es ziemlich eilig hatte.

Ter Stegen ließ sich einen Knopf ins Ohr stecken, hörte Fragen aus dem Studio und sagte dann, dass das eben "Dinge" seien, "die im Fußball passieren". Es war klar, dass man ihn nicht auf ihn selbst angesprochen hatten, sondern auf seinen Kollegen im City-Tor, Claudio Bravo, der einen katastrophalen Fehlpass gespielt hatte und dann vom Platz gestellt worden war, weshalb er später wie ein reuiger Sünder auftrat. Seine Aktion habe "Barça erst ins Spiel gebracht", meinte Bravo. Und dass ter Stegen über Bravo sprach, als er über die Eigenheiten des Fußballs philosophierte, war auch deshalb klar, weil er selbst ein perfektes Spiel geboten hatte.

Bis zu diesem Sommer hatten sich ter Stegen und Bravo beim FC Barcelona einen heftigen, aber fairen Zweikampf um die Position des Stammtorwarts geliefert - und den Job dann arbeitsteilig erledigt: Ter Stegen durfte in Champions League und Pokal spielen; Bravo wurde mit den Liga-Partien entschädigt. Aber beide wollten alles. Als in England die Saison bereits begonnen hatte, besaßen beide das Angebot, zu Manchester City zu gehen. Pep Guardiola, Coach des englischen Premier-League-Klubs, hatte einen Keeper-Sweeper haben wollen, wie sie das in England nennen; einen Libero-Torwart. Deshalb hatte er ter Stegen kontaktiert. Barcelona aber wollte den Deutschen halten, sie sahen und sehen in ihm den Torwart der Gegenwart und Zukunft - allein schon deshalb, weil Bravo, 33, neun Jahre älter ist als der Deutsche.

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Am Mittwochabend hat es sich für die Katalanen schon mal ausgezahlt, dass ter Stegen da geblieben ist. Er zeigte drei großartige Paraden gegen Nolito, Ilkay Gündogan und Kevin De Bruyne, spielte laut Statistik 49 Pässe, von denen 39 beim richtigen Adressaten ankamen; von allen Akteuren versuchte nur Barças Innenverteidiger Samuel Umtiti häufiger, den Ball zu einem Mitspieler zu spielen: 68 Mal. Und ter Stegen tat das mit der Eiseskälte, deren Quelle Barças Coach Luis Enrique neulich in der deutschen Herkunft ter Stegens verortete, und diese Eiseskälte war am Mittwoch umso bemerkenswerter, weil der Gefrierschrank aus Mönchengladbach neulich noch mit einem Risikopass eine Niederlage Barcelonas heraufbeschworen hatte. Seither muss er eine Wortschöpfung ertragen. In den Zeitungen ist nun von terstegenadas die Rede (frei übersetzt: von Terstegeneien), wenn fahrlässige Böcke umschrieben werden müssen.

Es war der Torwart ter Stegen, der Messi den roten Teppich für seine drei Tore ausrollte

Am Donnerstag konnte ter Stegen befriedigt zur Kenntnis nehmen, dass seine Leistung in den gleichen Gazetten ausnahmslos mit Höchstnoten bewertet worden war. Auch die Kollegen waren voll des Lobes. "Er ist ein extrem guter Torwart", sagte Citys deutscher Nationalspieler Gündogan nach der Partie. Die Häme ergoss sich derweil über den Chilenen Bravo: "Clownio" nannte ihn The Sun.

Der Grund: Nach der 53. Minute war vergessen, dass Bravo ebenfalls "gute Paraden" gezeigt hatte, wie ter Stegen sagte. Denn Bravo bewies, dass auch er nicht vor terstegenadas - oder bravadas - gefeit ist. In jener Minute war Bravo in seinem ersten Champions-League-Spiel überhaupt aus dem Strafraum geeilt, um einen Pass abzufangen, sein anschließender Versuch, den Ball über Barças Stürmer Luis Suárez zu lupfen, missriet brutal; es war der dritte Fehlpass bei 23 Versuchen. Suárez zielte aufs Tor, Bravo nahm außerhalb des Strafraums die Hände zu Hilfe und sah - dem Regelwerk entsprechend - die rote Karte.

"Klar war das ein Fehler", sagte Gündogan, doch "unsere Überzeugung ist einfach, dass der Torwart mitspielen soll und muss. Das ist das Beste für uns als Mannschaft, weil wir so am erfolgreichsten sind. Und es gibt auch Situationen, wo man ein Risiko nehmen muss."

Gegen Barcelona war es zu hoch. Denn mit dem Aussetzer Bravos war ein neues Spiel geboren, das bis dahin ausgeglichener war, als es das spätere Resultat vermuten lassen würde. "Es ist ein Ergebnis zum Verzweifeln", klagte Gündogan, "wer im Stadion war, hat gesehen, dass es mindestens drei Tore zu viel waren." Es waren genau die drei Tore, die der Argentinier Lionel Messi erzielte (17., 61., 69. Minute), um seine Bilanz in dieser Saison auf sechs Champions-League-Treffer zu erhöhen.

Dass Guardiolas City unter Wert geschlagen wurde, ließ sich auch daran ablesen, dass ter Stegen häufiger intervenieren musste als Bravo und dessen nach dem Platzverweis eingewechselter Ersatz Willy Caballero zusammen. Die Engländer bewiesen einiges Geschick dabei, den Spielaufbau Barcelonas zu unterbinden und kamen zu Chancen, doch ter Stegen hielt Barça im Spiel. Er war es, der quasi den roten Teppich ausrollte, auf dem Messi alle taktischen Vorgaben außer Kraft setzen konnte. Messi verlieh einem mit Nebensträngen überladenen Spiel einen Vor- und Nachnamen. Denn er schoss nicht nur bei drei Torschüssen drei Tore, er holte auch jenen Elfmeter heraus, den Neymar verschoss (87.), ehe der Brasilianer dann doch noch den 4:0-Endstand herstellte (89.). "Messi ist die totale Interpretation des Fußballs", sagte Trainer Luis Enrique, "man muss schon naiv sein, um an ihm zu zweifeln."

En passant verdarb Lionel Messi seinem einstigen Trainer Guardiola wieder eine Rückkehr ins Camp-Nou-Stadion, schon bei Peps Visite mit dem FC Bayern im Mai 2015 hatte Messi zwei Treffer zum 3:0-Sieg beigesteuert. Ob das 0:4 die schlimmste Niederlage seiner Karriere war, wurde Guardiola später gefragt, er verneinte. Das 0:4 mit dem FC Bayern gegen Real Madrid (2014) sei schlimmer gewesen, meinte Pep, damals habe er seine eigenen Ideen verraten und falsch aufgestellt. Dass Messi ihn züchtigte, überraschte ihn weniger, der Argentinier ist ihm seit seiner Zeit als Barça-Trainer (2008 - 2012) ja bestens geläufig.

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"Als ich ihn kennenlernte, machte er schon diese Sachen, und heute macht er sie immer noch. Ich hatte das Glück, ihn das eine oder andere Mal live zu sehen", sagte Pep Guardiola.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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