Australian Open:Die Australien Open werden zum Novak Slam

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Andy Murray (links) und Novak Djokovic nach dem Finale der Australian Open in Melbourne. (Foto: Getty Images)
  • Andy Murray wirkt nach seiner erneuten Niederlage im Finale der Australian Open wie der ewige Zweite.
  • Novak Djokovic dagegen hängt seine Verfolger immer weiter ab. Zur Zeit, scheint es, kann er sich nur selbst besiegen.
  • Murray hatte mit einer hochschwangeren Frau und einem schwer verletzten Schwiegervater aber auch private Sorgen.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Einen Moment zögerte Andy Murray, bevor er bei der Siegerehrung ans Mikrofon schritt. Er schaute noch einmal auf den Boden, mit diesem typischen melancholischen Murray-Blick. Dann sprach er: "Es fühlt sich an, als wäre ich vorher schon mal hier gewesen." Er schmunzelte.

Wenn Murray irgendwann einmal seine Memoiren niederschreiben sollte, kann er ein Kapitel dem Thema "Wie verliert man auf faire Art Finalspiele bei den Australian Open" widmen. Seit Sonntagabend steht fest: Es gibt nur zwei Profis im Männer- tennis, die fünfmal ein Endspiel bei Grand-Slam-Turnieren verloren haben: Ivan Lendl - das war der mit den fletschenden Zähnen und den Sägespänen in der Hosentasche. Und Murray. Das ist der, der die Zuschauer in der Rod Laver Arena nun zum fünften Mal berührte. Der Schotte und Melbourne, das ist ein enges Verhältnis. 2016 war es sogar sehr emotional. Aber als Champion hat Murray hier noch nie die Siegerehrung verlassen.

Nie war die Lücke zwischen Djokovic und seinen Verfolgern so groß

"Ich habe keine Ahnung, wie weit ich von ihm weg bin", analysierte der 28-Jährige und verwies auf den ersten Satz, in dem er "praktisch nicht da" gewesen sei. Der Mann, der umso mehr da war, hieß Novak Djokovic. Der Serbe und Melbourne, das ist ein Verhältnis, das von Jahr zu Jahr ein neues Erfolgsdetail beinhaltet. Nach dem 6:1, 7:5, 7:6 (3) durfte sich der 28-Jährige aus Belgrad zum sechsten Mal die Trophäe namens Norman Brookes Challenge Cup unter den Arm klemmen. "Ich setze mir keine Grenzen", sagte Djokovic. "Ich akzeptiere nur, wenn ich absolut positiv in ein Match gehe." So gesehen muss er sich nicht besonders kritisieren. Noch nie war die Lücke zwischen ihm und seinen Verfolgern so groß wie jetzt, da er gleich beim ersten Grand-Slam-Turnier 2016 da weitermacht, wo er 2015 aufgehört hat: überlegen die Konkurrenz zu deklassieren.

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Die neuesten Bestmarken von Djokovic lauten: Nur die australische Ex-Größe Roy Emerson hat wie er sechsmal in Melbourne gesiegt. Mit elf Grand-Slam-Titeln schloss er zu Björn Borg und Rod Laver auf; Nur Roger Federer (17 Grand-Slam-Titel), Rafael Nadal und Pete Sampras (je 14) sowie Emerson (zwölf) liegen noch vor Djokovic. "Am Ende des Tages kämpfst du am meisten mit dir", sagte der bereits vor seinem 19. Finale bei einem der vier wichtigsten Turniere. Man kann das so interpretieren: Ihm gehen die Gegner aus. Er muss sich selbst herausfordern.

Für Murray war die Niederlage insofern besonders schmerzhaft, weil er viel durchgemacht hat in den vergangenen zwei Wochen. "Das war hart", räumte er ein und bezog sich auf private Ereignisse, die ihn und seine Familie mitgenommen hatten. Während seine Frau Kim hochschwanger daheim in Großbritannien weilte, erlitt ihr Vater Nigel Sears bei den Australian Open einen Zusammenbruch und verletzte sich schwer. Das Krankenhaus konnte der Trainer der Serbin Ana Ivanovic zwar verlassen und nach Hause fliegen. Alle Sorgen war Murray damit aber nicht los, wie er nach dem Finale einräumte. Da dankte er Sears und sagte: "Du bist legendär. Ich nehm' den nächsten Flieger heim." Auch Novak Djokovic zeigte Anteilnahme. "Ich fühle mit ihm und wünsche ihm alles Gute", sagte Djokovic.

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Das Finale dauerte dieses Mal 2:53 Stunden. Im ersten Satz zog Djokovic wieder sein unerbittliches Grundlinienspiel auf, mit dem er im Halbfinale Roger Federer zwei Sätze lang wie einen Nachwuchsprofi hatte aussehen lassen. 30 Minuten reichten Djokovic, um Murray, der immerhin schon die US Open, Wimbledon und Olympia-Gold gewonnen hat, ein 6:1 zu verpassen. Im zweiten Satz entwickelten sich hochklassige Ballwechsel. Der clevere Aufbau der Punkte - das ist sowohl eine Stärke von Djokovic wie von Murray. Das erklärt die fast Tatort-lange Spielzeit dieses Durchgangs: 80 Minuten. Nach dem Break zum 6:5 blieb Djokovic nervenstark und riss den Satz mit 7:5 an sich.

Das Turnier heißt wohl bald Novak Slam

Als Murray im dritten Durchgang sofort sein Aufschlagspiel verlor, war das ein miserabler Start. Immerhin schaffte der Schotte das Re-Break zum 3:3. Am Ende ging es in den Tie-Break. In diesem spielte Djokovic zum letzten Mal bei diesen Australian Open seine Gnadenlosigkeit aus. Er servierte zweimal auf die Linie, bei 6:1 hatte er fünf Matchbälle. Ein Ass zum 7:3 ließ ihn die Faust recken und kurz darauf den Acryl-Belag namens Plexicushion küssen. Bekannte Bilder. Das Turnier heißt wohl bald Novak Slam.

Ein Murray immerhin gewann noch einen Titel. Im Doppel siegte Jamie Murray mit dem Brasilianer Bruno Soares gegen Daniel Nestor (Kanada) und Radek Stepanek (Tschechien) tags zuvor 2:6, 6:4, 7:5. Andy Murray hatte bis ein Uhr nachts zugeschaut und die Siegerehrung mit dem Handy gefilmt. Wenigstens sein Bruder ist als Australian-Open-Champion nun registriert.

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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