Italiens Aus bei der Fußball-WM:Die alte italienische Krankheit

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Ernüchterung macht sich breit nach dem Ausscheiden der Squadra Azzurra (hier bei einem Public Viewing in Rom) (Foto: dpa)

Für das typische italienische Melodram ist beim WM-Aus gegen Uruguay wieder alles dabei. Kaum ist der Schlusspfiff verklungen, geht das nationale Aufheulen, die Suche nach wohlfeilen Entschuldigungen los. Aber in der Fußballwelt wird diesen Italienern niemand nachweinen.

Ein Kommentar von Birgit Schönau

Und wieder war alles dabei für das typische italienische Melodram - die Hitze, der zweifelhafte Platzverweis für Claudio Marchisio und auf der anderen Seite der nicht geahndete Mike-Tyson-Biss von Luis Suárez in die Schulter von Giorgio Chiellini. Heraus kam ein Spiel mit so vielen Fouls und Unanständigkeiten, dass man sich als Zuschauer zeitweise wünschen musste, beide Mannschaften bei dieser WM bitteschön nicht mehr sehen zu müssen. Das Aus kam dann aber nur für Italien, und kaum war der Schlusspfiff verklungen, da ging das übliche nationale Aufheulen über ungerechte Schiedsrichter los, die gewöhnliche Suche nach wohlfeilen Entschuldigungen. Siehe oben.

In der Fußballwelt aber wird diesen Italienern niemand nachweinen. Zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren verlässt die Squadra Azzurra eine WM nach der Vorrunde. In Brasilien geriet die Vorstellung nicht ganz so kläglich wie die in Südafrika, immerhin gewann Italien ein Spiel, gegen England. Der Nachgeschmack bleibt der gleiche: Die Azzurri laufen schon wieder der internationalen Konkurrenz hinterher.

Stimmen zum WM-Aus von Italien
:"So ein Verhalten kennt man sonst nur von Tieren"

Nach Italiens Niederlage gegen Uruguay geht es vor allem um ein Thema: die Beißattacke von Luis Suárez gegen Giorgio Chiellini. Ausgerechnet Oliver Kahn findet deutliche Worte. Der italienische Trainer hat ganz andere Sorgen.

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Ohne Ideen, ohne Energie, ohne Mut ist diese Mannschaft ein Abklatsch jenes Teams, das noch vor zwei Jahren bei der EM den Kontinent überrascht und zeitweise sogar begeistert hatte. Nun ist die Luft raus, und selbst Andrea Pirlo verzauberte niemanden mehr. Er verblasste in der Mittelmäßigkeit eines Teams, das sich, als es um alles ging, nur noch verzagt auf den alten, italienischen Minimalismus beschränkte: zuerst mal keinen reinkriegen. Das ging schief, weil es im modernen Fußball schiefgehen muss.

Cesare Prandelli war vor vier Jahren mit der Aufgabe des Wiederaufbaus einer Trümmer-Mannschaft angetreten. Jetzt ist er gescheitert - weil er sich der Illusion hingab, die Rekonstruktion sei schon abgeschlossen. Seine Ratlosigkeit nach dem Aus sprach Bände: Prandelli ist mit seinem Latein am Ende. Er hat sofort seinen Rücktritt angekündigt. Dass er vor dem entscheidenden Match ausgerechnet an den Patriotismus von Spielern und Fans appellierte, ließ schon nichts Gutes ahnen. Pathos statt Projekt, die alte italienische Krankheit.

Wie viel ehrlicher klang da Kapitän Gianluigi Buffon, als er ohne Umschweife zugab: "Wir sind hier gescheitert, weil wir einfach nicht mithalten konnten." Stolz wies der 36-Jährige den Verdacht von sich, die "Alten" im Team, zu denen er ja selbst auch gehört, hätten die Azzurri auf dem Weg zu höheren Zielen ausgebremst. "Im Gegenteil. Wir Weltmeister von 2006 bilden immer noch das Rückgrat." Auch das aber ist seit Dienstag Geschichte.

© SZ vom 25.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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