Augsburg verpflichtet Andreas Ottl:Biotop für glücklose Anführer

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Mittelfeldspieler Andreas Ottl kommt zum FC Augsburg. Er bringt einen bekannten Namen und eine beeindruckende Vita mit - muss sich aber neu beweisen. Denn das Vorhaben, aus Ottl einen wortstarken Führungsspieler zu machen, schafften seine Trainer zuletzt nicht.

Markus Schäflein

Der FC Augsburg war am Montag in Feierlaune; wie das immer so ist, wenn einer der kleineren Wettbewerber im Geschäft um die Bundesligafußballer einen großen Namen abbekommt, wurde im Satzbaukasten nach Ausdrücken der Freude und des Lobs gesucht.

Kehrt nach Bayern zurück: Andreas Ottl, zuletzt bei Hertha BSC Berlin, wechselt zum FC Augsburg. (Foto: dapd)

"Wir sind froh, mit Andreas Ottl einen so erfahrenen Mittelfeldspieler im besten Fußball-Alter für uns gewonnen zu haben", jubilierte FCA-Sportdirektor Manfred Paula schriftlich, nachdem der Ersatz für den nach Leverkusen zurückgekehrten Hajime Hosogai gefunden und die Lücke im defensiven Mittelfeld geschlossen war. "Mit seiner Qualität wird er unsere Mannschaft verstärken."

Und Ottl, 27, hat ja auch eine beeindruckende Vita für einen, der zu einem Klub wechselt, der als Aufsteiger den Klassenverbleib in der Bundesliga sensationell geschafft hat und auch in der kommenden Saison zu den Außenseitern zählt: Fast seine ganze Karriere hat er ja beim FC Bayern München verbracht, insgesamt kommt er auf 135 Bundesligaspiele und 20 Champions-League-Einsätze.

Dass Ottl nun zum FCA kommt, hat verschiedene Gründe. Geografische sicherlich, der gebürtige Münchner hat ja seine ganze Karriere mit Ausnahme der vergangenen Saison in der bayerischen Heimat verbracht und die A8 ist mittlerweile prima ausgebaut. Und sportliche: Die vergangene Saison bei Hertha BSC Berlin erwies sich für Ottl als verlorenes Jahr.

26 Einsätze absolvierte er zwar für die Hertha, doch richtig zufrieden waren sie mit ihm in Berlin nie. Trainer eins, Markus Babbel, sah ihn als Führungsspieler; Trainer zwei, Michael Skibbe, lobte ihn wenigstens noch fleißig; Trainer drei, Otto Rehhagel, nahm ihn aus der Mannschaft. "Die ersten vier, fünf Monate waren so, wie ich es mir vorgestellt hatte", sagt Ottl. Der Rest nicht.

Am Ende stieg die Hertha bekanntlich ab, sie hatte die Option, den Vertrag mit Ottl auch für die zweite Liga zu verlängern. Doch der Kontrakt wäre dann weiter hoch dotiert gewesen - von mehr als einer Million Euro Jahresgehalt war die Rede. Das war den Berlinern zu viel, und dass sich ein Klub finden würde, der Ottl zu diesen Konditionen kaufen und dazu eine Ablöse zahlen würde, das glaubten auch sie nicht. Also ließen sie die Option ungenutzt.

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Was den Augsburgern die Option eröffnete, Ottl zu verpflichten. Die Verhandlungen liefen schon seit Wochen, nun scheint das vom neuen Trainer Markus Weinzierl für alle Zugänge angemahnte "Preis-Leistungs-Verhältnis" aus FCA-Sicht zu stimmen.

In Schwaben bekommt Ottl noch einmal eine Chance, zu beweisen, dass er jener Führungsspieler sein kann, als den ihn die Berliner bei der Verpflichtung sahen. Am ehesten hat er diese Rolle beim 1. FC Nürnberg erfüllt, an den er für die Rückrunde der Saison 2009/2010 ausgeliehen war. Er half mit soliden Leistungen beim Klassenverbleib, und vielleicht hätte er damals dort bleiben sollen, der FC Bayern hätte ihn trotz Vertrag gehen lassen.

Aber Ottl blieb noch ein Jahr in München, er soll damals recht unmissverständlich ausgedrückt haben, dass der 1. FCN nicht ganz seine Kragenweite gewesen wäre, was ihm die Fans in Nürnberg bis heute nachtragen.

Nun also der FC Augsburg. Am Montag absolvierte Ottl die sportärztliche Untersuchung und unterschrieb seinen Zweijahresvertrag, der nach Angaben des Klubs "unabhängig von der Spielklassenzugehörigkeit" gilt. An diesem Dienstagvormittag ist der Mittelfeldspieler zum ersten Mal im Training dabei.

"Ich sehe das nicht als Rückschritt", beteuert er. "Augsburg ist ein Traditionsverein mit einer gewissen Euphorie, die Bundesliga ist eine der besten Ligen Europas, und in der Bundesliga spielen acht, neun Mannschaften um den Klassenerhalt. Und da zähle ich Augsburg dazu."

Dort trifft er auf den Stürmer Aristide Bancé, einst der Held von Mainz 05 und auch ein Zugang, der auch noch ein paar Erwartungen erfüllen will. Was für Ottl die Hertha war, war für Bancé der Al-Ahli Club in Dubai. Und er trifft auf Kevin Vogt, 20, einen U21-Nationalspieler, der vom VfL Bochum kommt und mit Ottl beim FC Augsburg eine Doppelsechs bilden könnte.

Dazu kommen in Ragnar Klavan (Alkmaar) und Milan Petrzela (Pilsen) vielversprechende Spieler aus dem Ausland sowie in Ronny Philp (Regensburg) und Knowledge Musona (Hoffenheim) zwei Talente. Der Kader ist jetzt erst einmal komplett, und man kann das auch so sehen: Ottl findet ein ideales Biotop vor, um die Sache mit dem Führungsspieler doch noch hinzukriegen - Konkurrenz mit ähnlicher Bundesliga-Erfahrung haust dort jedenfalls nicht.

© SZ vom 10.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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