Argentiniens Auftaktsieg bei der Fußball-WM:Befreiung für Tausende Messis

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Sein Tor war eine Befreiung: Lionel Messi (Foto: JUAN MABROMATA/AFP)

Viele Fehler, wenig Tempo: Trotzdem gewinnt Argentinien bei der Fußball-WM sein Auftaktspiel gegen Bosnien-Herzegowina. Lionel Messi passt sich dem mäßigen Spiel an - doch er zeigt bei seinem Tor, warum auf seinen Schultern die Hoffnungen eines ganzen Landes ruhen.

Von Claudio Catuogno, Rio de Janeiro

Messi im Maracanã, das war gleich wieder ein neuer Höhepunkt zum Start dieser Weltmeisterschaft, die ihre Höhepunkte bisher in erstaunlicher Frequenz aneinanderreiht. Der Fußball-Halbgott aus Argentinien im Fußball-Tempel der Brasilianer. Und zwar nicht nur in einfacher Ausfertigung. Sondern zehntausendfach. Und alle Messis können ganz wunderbar singen.

Es war zuletzt ziemlich oft die Rede davon, dass das Maracanã seine Seele verloren habe durch den Umbau für dieses Turnier. Das ist wohl so. Aber beim ersten WM-Spiel in Rio de Janeiro füllten die Argentinier das Rund am Sonntagabend mit so viel Musik, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, irgendeine Seele zu vermissen. Etwa die Hälfte der 75 000 Zuschauer war in hellblau-weißen Leibchen erschienen, die meisten davon mit der Nummer 10 beflockt. Der 10 von Maradona. Der 10 von Messi.

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Und es ging dann auch gleich gut los für Lionel Messi, die Argentinier und die Tausenden Messis auf der Tribüne in ihrem Auftaktspiel der Gruppe F gegen den WM-Neuling Bosnien-Herzegowina: Zweite Minute, Messi (der Leibhaftige) schlägt einen Freistoß vors bosnische Tor, Marcos Rojo verlängert - und der Ball prallt vom Schalker Sead Kolasinac unglücklich ins Tor. Der früheste Treffer dieser WM - ein Eigentor.

Doch die Hoffnung der Messis, dass Messi und Co. genau so weitermachen würden und damit ihre Ambitionen auf den dritten WM-Titel nach 1978 und 1986, diese Hoffnung zerschlug sich zunächst. Die Argentinier taten sich schwer, sie wirkten in einer eher mittelmäßigen Partie oft konfus und verloren die Mehrzahl der Zweikämpfe. Das Spiel gewannen sie aber trotzdem: 2:1 (1:0). Der Torschütze der Argentinier, besungen aus zehntausend Kehlen: Lionel Messi. Der Torschütze der Bosnier, der die Partie wenigstens noch mal offen gestaltete durch seinen Treffer in der 85. Minute: Vedad Ibisevic vom VfB Stuttgart.

Die Bosnier deuteten damit zumindest an, dass in der Gruppe mit Nigeria und Iran weiter mit ihnen zu rechnen ist. Trainer Safet Susic ließ vier Profis antreten, die ihr Geld zuletzt in der Bundesliga verdienten (Ermin Bicakcic/Braunschweig, Emir Spahic/Leverkusen, Sead Kolasniac/Schalke und Mensur Mijdza/Freiburg, der später Ibisevic weichen musste), sowie mit dem Wolfsburger Meisterduo von 2009, Edin Dzeko (inzwischen Manchester City) und Zvjezdan Misimovic (inzwischen Guizhou Renhe FC).

Und es dauerte nur 13 Minuten, ehe Misimovic, 32, unter Beweis stellte, dass er auch in der chinesischen Liga nichts von seiner Fähigkeit als genialer Vorbereiter verloren hat: Aus 35 Metern Torentfernung passte er direkt in den Lauf von Izet Hajrovic, dem der Ball aber im Strafraum bei der Annahme versprang. So konnte Argentiniens Keeper Sergio Romero in letzter Sekunde noch klären. Und kurz vor der Halbzeitpause hatten die Bosnier eine weitere gute Gelegenheit, als Senad Lulic nach einer Ecke frei zum Kopfball kam und den Ball mit Wucht aufs Tor brachte. Allerdings wiederum dorthin, wo Romero sich gerade noch in die Flugbahn werfen konnte.

Die Argentinier? Hatten ihre Mühe und außerdem Glück, das Schiedsrichter Joel Aguilar aus El Salvador ihnen mehrere taktische Fouls ohne Verwarnung durchgehen ließ. Messi? Zeigte sein Ausnahme-Können hin und wieder in Form von Hochgeschwindigkeits-Dribblings, und auch ein paar sehenswerte Zuspiele waren dabei. Einer wie er produziert so was ja von der Stange.

Aber wenn er dann versuchte, zum Abschluss zu kommen, standen ihm schnell mehrere Bosnier auf den Füßen, und die Kollegen wiederum konnten mit seiner Zuarbeit befremdlich wenig anfangen. Handlungsbedarf also - Trainer Alejandro Sabella brachte nach der Pause Stürmer Gonzalo Higuain für Maxi Rodriguez und Fernando Gago für Hugo Campagnaro. Besser wurde es dadurch aber erst mal nicht.

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In der 64. Minute legte sich Messi dann den Ball zum Freistoß zurecht, Entfernung: etwa 28 Meter, zentrale Position. Er lief an - und schoss so weit übers Tor, dass selbst ein Scout von Eintracht Braunschweig oder dem SC Freiburg an diesem Abend nicht auf die Idee gekommen wäre, sich mal genauer nach dem Marktwert dieses kleinen Mannes zu erkundigen, der hauptberuflich beim FC Barcelona tätig ist.

Aber manchmal liegen eben nur ein paar Sekunden zwischen Frust und Befreiung. Der nächste Angriff, Messi selbst schnappt sich den Ball im rechten Mittelfeld, treibt ihn zum Strafraum, spielt Doppelpass mit Higuain, zieht noch ein paar Schritte nach innen, bis er freie Schussbahn hat. Der Ball kracht unten links an den Innenpfosten und von dort zum 2:0 ins Netz (65.).

Es ist erst Messis zweiter Treffer überhaupt bei einer Weltmeisterschaft. Zwei Treffer in bisher 665 WM-Minuten, und das bei einem, der in der spanischen Liga alle Torrekorde bricht, sind ein klarer Beleg für Messis Fremdeln im Nationalteam. Vielleicht war dieses Tor zum zwischenzeitlichen 2:0 ja eine Initialzündung nach einer frustrierenden Saison beim FC Barcelona. Vielleicht. Der Gesamteindruck des Debüt-Abends im Maracanã bleibt aber eher dieser: Zum Titel werden die argentinischen Fans ihren Messi nicht singen können.

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