Hamburger SV im Abstiegskampf:Bloß weg von den Schlagzeilen

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Selbst nicht mehr lange beim HSV: Rafael van der Vaart. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Vor dem Abstiegsfinale schickt der HSV seine Spieler nach Malente - auch um Debatten in der Hansestadt zu entgehen. Manch einer glaubt, der Gang in die zweite Liga könnte heilsam sein.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Hannover 96 geht erneut ins Kloster Marienfelde, um nach dem ersten Sieg seit 151 Tagen (2:1 in Augsburg) die Kräfte für das Abstiegs-Endspiel gegen den SC Freiburg zu sammeln. Der Hamburger SV dagegen will ausgerechnet im Uwe-Seeler-Fußballpark die Voraussetzungen schaffen, um doch noch den Verbleib in der ersten Liga zu sichern. Die nach dem berühmtesten HSV-Spieler umbenannte frühere Sportschule Malente liegt im schleswig-holsteinischen Luftkurort und 110 Kilometer von Hamburg entfernt. In der Sportschule hatte sich das Fußball-Nationalteam den Feinschliff vor den WM-Titeln 1954, 1974 und 1990 geholt. Die Sportschule galt als "Inbegriff deutscher Fußballkasernenkultur", wie der Sportinformationsdienst bemerkte.

Diesmal sollen drei Tage - von Mittwoch bis Freitag - reichen, um den vom Aussterben bedrohten Bundesliga-Dino vor dem entscheidenden Spiel gegen Schalke 04 wieder fit zu bekommen; eine extrem knifflige Aufgabe nach dem desaströsen 1:2 in Stuttgart. Natürlich hat Uwe Seeler das Vorhaben des Tabellenvorletzten gutgeheißen. "Das ist der letzte Strohhalm", sagte der 78-Jährige, "die Mannschaft braucht jetzt Ruhe und Gelassenheit - die findet man in Malente auf jeden Fall." Trainer Bruno Labbadia hat den Ausschluss der Öffentlichkeit auf die Tagesordnung gesetzt und erklärt: "Die kurze Erholung macht Sinn."

Bundesliga-Abstiegskampf
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Gibt es für den Tabellenvorletzten Hamburger SV noch Hoffnung? Ja, weil sich in dieser Saison im irren Abstiegskampf der Bundesliga jeder Krisenklub wieder auf wundersame Weise zurückgekämpft hat.

Kommentar von Christof Kneer

Mittelfeldspieler Kacar ortet das Problem im Kopf

Sie ergibt womöglich schon deshalb Sinn, um die Spieler von den Diskussionen und Schlagzeilen fernzuhalten, die nun in der bisher unabsteigbaren Stadt Hamburg kursieren. Denn im Team ist, wie Mittelfeldspieler Gojko Kacar vermutet, "der Kopf das Problem" - mehr noch als der Umgang mit dem Ball. Alle hätten im Spiel in Stuttgart gehofft, "dass jemand hilft, aber keiner hat die Verantwortung übernommen", so lautete die Diagnose von Kacar, der die letzten drei HSV-Tore erzielt hat.

Dabei geht es in der Hansestadt längst nicht mehr nur um die Unzulänglichkeiten der aktuellen Mannschaft. Es häufen sich Stimmen wie die des früherer HSV-Torwarts Uli Stein, der es "sinnvoll und heilsam" fände, wenn "sie jetzt den Weg in die zweite Liga gehen". Man habe die Mannschaft "wahllos zusammengekauft und sinnloses Geld verschleudert", sagte Stein. Und an diesen Missgriffen habe sich auch die vor knapp einem Jahr installierte Führung beteiligt, sagt Olaf Kortmann. Der frühere Volleyball-Bundestrainer, inzwischen als Mentalcoach tätig und ein aufmerksamer Beobachter seines Vereins, urteilt hart: "Dietmar Beiersdorfer ist kein CEO, also Vorstand, er war nur ein guter Sportchef."

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Sportchef Peter Knäbel sei ebenfalls an falscher Stelle eingesetzt, und der Sportdirektor Bernhard Peters sei ein "Oberlehrer". Ein Hauptproblem sieht Kortmann in der hanseatischen Mentalität. Man sage sich nicht genügend unbequeme Wahrheiten, meint er. Der früher als Heilsbringer gefeierte und nun arg angezählte Beiersdorfer sagt derweil nur: "Das können wir nach der Saison besprechen." Also auch, ob der HSV wieder mit neuem Führungspersonal den nächsten Neustart wagt.

Spartanische Zimmer und ein Kasernenumfeld wie einst die Nationalspieler müssen die HSV-Profis aber nicht mehr ertragen. Die Akademie, die mit dem Slogan "Malente macht Meister" wirbt, verfügt über eine Saunawelt und Erlebnisduschen, über Fußentspannungs-Becken, Ruheoasen und Komfortmatratzen. Ob diese Bedingungen reichen, um den ersten Abstieg des HSV in seiner Geschichte zu verhindern? Uwe Seeler hat den bittersten aller Fälle schon einsortiert. Er sagt, das wäre "eine Katastrophe für die Stadt Hamburg und den HSV".

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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