1860 München: Reiner Maurer:"Wir wollen dem Nachwuchs vertrauen"

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1860-Trainer Reiner Maurer über eine höchst turbulente Saison, den Streit mit Sportdirektor Miki Stevic und die schwierige Planung der kommenden Spielzeit.

Gerald Kleffmann und Markus Schäflein

SZ: Herr Maurer, es laufen bereits die Planungen für die kommende Saison des TSV 1860 München in der zweiten Fußball-Bundesliga. Wie ist der Stand?

Auch in der kommenden Spielzeit Trainer von 1860 München: Reiner Maurer. (Foto: dpa)

Reiner Maurer: Ich habe einen sehr guten Austausch mit Florian Hinterberger, der ja in Zukunft als Sportkoordinator bei uns tätig sein wird. Er hat die Arbeit bereits aufgenommen. Für mich ist positiv, dass er tief verwurzelt ist bei 1860 und schon in verschiedenen Positionen hier gearbeitet hat. In enger Absprache mit Präsident Dieter Schneider und Geschäftsführer Robert Schäfer wollen wir schnell vorwärts kommen.

SZ: Zwei Spieler sollen zu 1860 kommen, Rechtsverteidiger Dennis Malura von Rot-Weiß Erfurt und Linksverteidiger Arne Feick von Arminia Bielefeld.

Maurer: Wir sind an beiden dran. Wir wollen unsere Mannschaft möglichst schnell zusammen haben. In knapp fünf Wochen starten wir wieder in die Vorbereitung auf die neue Saison, die ja wegen der EM im Sommer 2012 früher beginnt.

SZ: Welche Fragen sind zu klären?

Maurer: Die Personalien von bestehenden Spielern, die aber ab Juni keinen Vertrag mehr haben - etwa Lauth, Bell, Aygün, Schwarz. Dann haben wir einige Spieler, die die Leistung nicht ganz wie erhofft gebracht haben, die vielleicht auch unzufrieden sind. In manchen Fällen wäre eine Trennung vielleicht ganz gut. Und wir bekommen ja im Sommer noch die drei Leihspieler Schäffler, Uzoma und Kaiser zurück. Es ist noch nicht klar, wie wir genau mit ihnen verfahren.

SZ: Sie zielen wohl bei den unzufriedenen Spielern auf Florin Lovin oder auch Djordje Rakic ab, die Verträge bis 2012 haben. Wie soll man sich da einigen?

Maurer: Das muss man sehen. Wir haben für verschiedene Spieler eine Ablöse bezahlt und hätten gerne einen Teil davon wieder. Wir müssen sehen, was der Markt hergibt und mit den Spielern sprechen, wie die ihre Situation sehen. Bei Spielern, die hier unzufrieden sind, hat es keinen Sinn, sie weiter durchzuziehen.

SZ: Wenn Malura kommt, was bedeutet das für Rukavina, der rechts hinten gesetzt war?

Maurer: Bei Toni ist das eine offene Sache. Wir bewegen uns beim Budget in einem ganz anderen Rahmen als in der Vergangenheit.

SZ: Der Serbe soll zu den Topverdienern zählen.

Maurer: Dazu werde ich mich nicht öffentlich äußern. Ich muss aber klar sagen, dass der Toni ein Topprofi ist und sich 1a verhält. Wie wir ihn finanziell stemmen können, muss intern geklärt werden.

SZ: Leihspieler Stefan Bell muss wohl zurück zu Mainz, zu Ihrem Bedauern?

Maurer: Stefan möchte natürlich möglichst schnell in Mainz Stammspieler werden, aber die Konkurrenz dort ist groß. Ich könnte mir gut vorstellen, dass ihm noch ein Jahr bei uns guttun würde, er ist ja erst 19. Ich möchte ihn sehr gern behalten, er hat eine Topperspektive und würde unserer Abwehr gut helfen.

SZ: Es ist erstaunlich, dass Sie jetzt entspannt hier sitzen und über die Saisonplanung reden. Sie standen in dieser turbulenten Spielzeit bekanntlich mehrmals vor der Ablösung.

Maurer: Die Saison war in der Tat mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Wegen der finanziellen Probleme schwebte permanent das Damoklesschwert der Insolvenz über uns. Im Juli hatte das ja schon begonnen, mit dem verlorenen Cateringprozess gegen den FC Bayern. Im August wurden dann Transfererlöse nicht erzielt, die fest eingeplant waren. Und der Zwei-Punkte-Abzug wegen Lizenzverstößen war ein Schlag ins Gesicht. Die Mannschaft hatte sich gerade nach einem etwas holprigen Start wieder gut in die Saison gespielt, als ihr plötzlich zwei Punkte weggenommen wurden.

SZ: Sie haben trotzdem das Team auf Kurs gehalten. Beinahe wäre die beste Hinrunde seit sieben Jahren geglückt, doch dann verlor 1860 die letzte Partie gegen Paderborn. Kurz darauf ging Sportchef Miroslav Stevic, dessen Vertrag nicht mehr verlängert wird, in die Offensive und prangerte einen angeblich mangelhaften Austausch mit ihnen an.

Maurer: Ich will das alles nicht mehr groß thematisieren, aber ich gebe zu, dass es intern die eine oder andere Schwierigkeit gab. Ich war immer offen für jedes Gespräch. Wenn das jemand anders sieht, will ich das nicht groß kommentieren. Ich habe immer versucht, das Beste für Sechzig zu machen. Und ich denke, einem Trainer steht es auch mal zu, ein Urteil abzugeben, ob ein Spieler geeignet ist oder nicht und ob ein bestimmter Spieler geholt werden sollte oder nicht. Deshalb gab es diese Gräben, man lag nicht immer auf der selben Wellenlänge. Ich habe nicht immer zugestimmt, wenn bestimmte Spieler inszeniert werden sollten.

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SZ: Für Aufsehen sorgte ein Interview des neuen, jungen Geschäftsführers Robert Schäfer gemeinsam mit Stevic, in der AZ sprach er Ihnen damals indirekt ab, eine Philosophie zu haben.

Zusammenhalt in schwierigen Zeiten: die Spieler von 1860 München. (Foto: REUTERS)

Maurer: Gut, wir leben in einer Medienlandschaft, man muss mit Kritik leben können. Natürlich würde es einen freuen, wenn man intern nicht auch noch Öl ins Feuer gießt.

SZ: Finanzkrise, interne Grabenkämpfe, dazu Possen wie der wochenlang abgetauchte Profi Nsereko - wie haben Sie die Mannschaft geführt in dieser Zeit?

Maurer: Es ist unmöglich, sie von allem fernzuhalten. Die Spieler werden tagtäglich mit allem konfrontiert. Ich habe immer versucht, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf das Sportliche lenken. Das ist unser Job. Im Nachhinein ist es ganz gut gelungen, manches auszublenden. Auch wenn wir uns in dem einen oder anderen Spiel mehr erhofft haben.

SZ: Bis zum Schluss hat Schäfer um eine weitere Zusammenarbeit mit Ihrem Gegner Stevic gekämpft, obwohl der Aufsichtsrat sich einstimmig dagegen entschieden hatte. Auch soll er nicht von Ihrer Vertragsverlängerung begeistert gewesen sein. Ist das eine Basis für eine weitere Zusammenarbeit?

Maurer: Ich denke schon, dass sich die Situation jetzt geändert hat, dadurch dass der Sportdirektor nicht mehr da ist. Sie ist für Robert Schäfer sicher nicht ganz einfach gewesen, sportlich und vor allem wirtschaftlich waren das völlig neue Herausforderungen, und das in einer Zeit, in der es bei uns drunter und drüber ging. Er hat sich sportlich auf die Aussagen von Miki Stevic verlassen. Das ist ganz normal, das ist sein Sportdirektor gewesen. Ich bin überzeugt, dass wir eine gute Zusammenarbeit haben werden. Ich denke, dass wir alle - Schneider, Schäfer, Hinterberger und ich - eine gute, klare Linie haben werden.

SZ: Unter der Ägide Stevic herrschte eher das Motto Import/Export bei der Personalplanung. Wie soll nun das Personalmanagement aussehen?

Maurer: Meine Philosophie war ja schon vor der Saison die selbe: Ich wollte und will junge Spieler einbauen. Mit Leitner und Volland ist das ja auch gelungen. Ich glaube, wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre schon längst die Insolvenz da gewesen (Leitner und Volland wurden nach dem Durchbruch bereits verkauft, Volland wurde dann ausgeliehen; Anm.d. Red.). Es ist doch auch die Philosophie von unserem Verein, dass wir die jungen Talente ganz oben integrieren und rausbringen wollen. Ich glaube nicht, dass es unseren Fans lieber wäre, elf Spieler aus elf Nationen hier zu haben. Natürlich holen wir immer wieder ausländische Spieler dazu, aber aufgrund unserer wirtschaftlichen Situation und auch aus Überzeugung wollen wir der Stärke des eigenen Nachwuchses vertrauen.

SZ: Bei allen Planungen steht immer noch nicht fest, wie es wirtschaftlich weitergeht. Der Einstieg des potentiellen Investors Hasan Ismaik zögert sich hin, weil offen ist, ob alle Gläubiger einem Teilforderungsverzicht zustimmen. Inwieweit nimmt Sie dieses Thema ein?

Maurer: Es wird grundsätzlich viel spekuliert. Wir gehen zunächst einmal von einer vernünftigen und realistischen Budgetplanung aus. Seit dem Winter befinden wir uns finanziell ja schon auf einem ganz anderen Niveau.

SZ: Der Kader im Herbst kostete 3,5 Millionen Euro mehr als der von 2007.

Maurer: Wir haben den Kader verkleinert. Man hat an den letzten Spielen gesehen, dass man auch mit einem geringeren Finanzvolumen gute Erfolge erzielen kann. Die Mannschaft hat sich gut entwickelt, die Stimmung ist bestens.

SZ: Hasan Ismaik, dessen Bereitschaft zu investieren erstaunlich viel Aufbruchstimmung erzeugt hat, hat Ihre Arbeit gelobt. Wie kommt das bei Ihnen an?

Maurer: Natürlich ist es gut, wenn ein potentieller Investor eine positive Aussage trifft. Wir haben ja auch gegen Cottbus und Fürth hervorragende Heimspiele gezeigt. Uns taten diese Spiele richtig gut, denn zwei Wochen davor noch herrschte wieder diese Negativstimmung, nach dem Motto: Alles geht den Bach runter, es ist besser, wir spielen wieder in der Bayernliga. Für die Spieler war es super, dass die Stimmung wieder besser wurde. Man sieht, was möglich ist, wenn die Köpfe frei sind.

SZ: Welche Rolle spielt dabei Präsident Dieter Schneider?

Maurer: Es ist natürlich für mich als Trainer von Vorteil, dass die Spieler eine Hochachtung vor dem Präsidenten haben. Weil sie sehen, dass er Tag und Nacht für den Verein arbeitet, unentgeltlich, ja sogar noch Geld reinsteckt. Seine Ehrlichkeit, seine Transparenz kommen bei der Mannschaft super an. Es gibt einige im Verein, die schon sagen, das ist ein Sechser mit Zusatzzahl, der Schneider. Durch seine Führung steht der Verein jetzt überall auf einer soliden Basis.

© SZ vom 06.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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