Aufschwung bei Mainz 05:Wie es rockt und rollt

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Hat Mainz mal wieder neu erfunden: Trainer Thomas Tuchel. (Foto: dpa)

Bisher konnte man über Mainz 05 sagen, was man auch über Nürnberg oder Freiburg sagen kann: ewiger Sisyphos, der den Stein ständig den Berg rauf rollen muss. Doch Trainer Thomas Tuchel hat es geschafft, die "Bruchweg Boys" neu zu definieren.

Ein Kommentar von Christof Kneer

In der Musikbranche herrschte vorübergehend Aufregung am Wochenende, es wurde von der Wiedervereinigung eines Rocktrios geraunt. Tatsächlich gibt es Bilder, die den Gitarristen und den Sänger nebeneinander zeigen, sie scheinen sich prächtig zu verstehen, nichts deutet auf die sog. musikalischen Differenzen hin, derentwegen Rockbands sonst meistens zerbrechen. Bei näherem Hinsehen gab es aber wenig Hoffnung für die Anhänger der Bruchweg Boys: Erstens fehlte der Schlagzeuger auf dem Bild, und zweitens musizierten Sänger und Gitarrist nicht mal gemeinsam. Der eine trat für den FC Fulham auf, der andere rockte den FC Chelsea.

Es ist etwa dreieinhalb Jahre her, dass die Bruchweg Boys erstmals in der Liga auf Tournee gingen. Einmal, nach einem Sieg gegen die Bayern, sind Lewis Holtby (Gesang), André Schürrle (Gitarre) und Adam Szalai (Schlagzeug) sogar im Sportstudio aufgetreten, in selbstironischem Überschwang haben die drei Mainzer ihren Torjubel mit echten Instrumenten nachgestellt, und die Musikbranche hat es ihnen durchgehen lassen, dass die Musik nur vom Band kam.

Die Bruchweg Boys gibt's längst nicht mehr, aber Mainz 05 rockt schon wieder. Nicht einmal zwei Siege trennen den Klub zurzeit von einem Tabellenplatz, der zur Champions-League-Qualifikation einlädt, und wenn der Trainer Thomas Tuchel sagt, man beschäftige sich damit "nullkommanull", dann darf man ihm das glauben. Man muss aber nicht.

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Man beschäftigt sich vielleicht nicht mit der Champions League in Mainz. Thomas Tuchel tut es ganz bestimmt.

Außer bei Bayern und Dortmund ist der Trainerfaktor nirgends so schön zu besichtigen wie in Mainz. Bisher konnte man über Mainz sagen, was man auch über Nürnberg oder Freiburg sagen kann: ewiger Sisyphos, der den Stein ständig den Berg rauf rollen muss, weil ständig die besten Spieler (z.B. Holtby, Schürrle, Szalai) weggekauft werden. Aber Tuchel rollt den Stein und rockt dabei, und so hat er es trotz gelegentlicher Ausreißer nach unten geschafft, den Klub neu zu definieren. Wäre es nicht so ein scheußliches Modewort, man müsste es "nachhaltig" nennen, was in Mainz passiert. Mit treibendem Ehrgeiz und ebenso leidenschaftlichem wie raffiniertem Coaching hat Tuchel den Klub einstweilen aus der Freiburger und Nürnberger Nische herausgeführt.

Thomas Tuchel trainiert jetzt nicht mehr die lustigen Bruchweg Boys. Er trainiert jetzt den 1. FSV Mainz 05, einen etablierten Erstligisten, der nur noch eines fürchten muss: dass er Tuchel, seinen Bruchweg Boy, irgendwann an einen Verein verliert, der sich auch offiziell mit der Champions League beschäftigt.

© SZ vom 03.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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