4:5 zwischen Frankfurt und Stuttgart:"Da wirst Du irre"

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Auch eine Stunde nach Abpfiff noch "vollgepumpt mit Adrenalin": Eintracht-Trainer Thomas Schaaf (Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa)

Erlebnis statt Ergebnis: Eintracht-Trainer Thomas Schaaf bezeugt in seiner 750. Bundesligapartie ein wildes Spektakel. Allein das Endresultat schmeckt Schaaf nicht - der Trainer muss sich allerdings auch dem Vorwurf stellen, das defensive Chaos seiner Mannschaft mitverursacht zu haben.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Hinterher hat Thomas Schaaf sich einfach mit seiner graugrünen Trainingshose und dem roten Sweatshirt auf den weißen Tisch gesetzt. Eine Stunde war seit dem torreichen Spektakel - einer vogelwilden 4:5 (1:2)-Niederlage gegen den VfB Stuttgart - im Frankfurter Stadtwald vergangen, aber der Trainer von Eintracht Frankfurt war im Tiefparterre der Arena nach eigener Aussage immer noch "vollgepumpt mit Adrenalin." Und wiederholt setzte der Fußballlehrer zu Erklärungen an, die ihm sichtbar schwer fielen. Bis der 53-Jährige mitten in der Analyse nicht mehr an sich halten konnte: "Da wirst du doch irre. Wahnsinn, wie wir uns selbst in Not bringen. Draußen denkst du: Hau' doch einfach die Erbse weg'!"

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Laute Ausbrüche sind bei Schaaf so selten wie ein langweiliges 0:0, doch dass ausgerechnet seine 750. Bundesligapartie - 262 Erstligaspiele für den SV Werder, dazu nun 488 Trainereinsätze in Bremen und Frankfurt - in eine nicht alltägliche Achterbahnfahrt der Gefühle gegen seinen Vorgänger Armin Veh ausartete, hat Schaaf schwer zu schaffen gemacht. "Da kann ich nicht mehr so leicht schmunzeln: Da bleibt ein bitterer Geschmack im Mund", gab er zu, "wir haben uns selbst die Suppe versalzen." Aber ist er nicht der Koch, der die Zutaten kreieren muss, damit am Ende auch das Resultat mundet?

"Heute haben die Leute auf den Stühlen gestanden"

"Die einfachste Lösung wäre, einfach mal den Ball wegzuschießen oder wegzuköpfeln", sinnierte Schaaf auf diese Art von Einwänden. Und weil er in seinen Zeiten beim SV Werder bereits zumeist das Erlebnis über das Ergebnis stellte, taugte der Schlagabtausch im Frankfurter Stadtwald als perfektes Abziehbild seines Wirkens an der Weser.

Und kommt so etwas automatisch heraus, wenn ein Offensivliebhaber (Schaaf) gegen einen Angriffslustigen (Veh) antritt? "Heute haben die Leute noch ganz oben im Stadion auf den Stühlen gestanden: Ich glaube, so ein Spiel will der Fan erleben. Es kann nicht sein, immer nur 1:0 zu gewinnen und sich hinten reinzustellen", rechtfertigte Schaaf seine Grundanschauung, räumte allerdings im selben Atemzug pflichtschuldig ein, "dass ich das nicht mag, wenn wir verlieren." Zu allem Überfluss ging ihm auch noch Torjäger Haris Seferovic verlustig, der sich nach Beleidigung des Assistenten eine törichte Rote Karte einfing (86.).

Hinterher ist heftig gestritten worden, welchen Anteil der Eintracht-Chefcoach an der allgemeinen Unordnung trug, indem er anfangs völlig überraschend eine Dreierkette mit den wuchtigen Innenverteidigern Bamba Anderson, Alexander Madlung und Marco Russ sollte. Statt zur erhofften Stabilität führte die zuletzt unter Friedhelm Funkel in Frankfurt angewandte Formation zur völligen Orientierungslosigkeit bei. Eher zufällig fiel mitten in diese Experimentierphase der Frankfurter Führungstreffer: Nach Lattenkopfball von Seferovic staubte der in die Startelf rotierte Madlung ab (21.). Doch ein Doppelschlag von Martin Harnik (34. und 36.) bestrafte das Schaaf-Team alsbald. Der für den wegen eines Fußwurzelbruches wochenlang ausfallenden Mittelstürmer Vedad Ibisevic ins Zentrum gerückte Österreicher vollendete beim 1:1 indes aus Abseitsposition.

Dass der VfB-Vorsprung verdient zustande kam, bekräftigte VfB-Trainer Veh: "Wir können auch 4:1 zur Pause führen." Tatsächlich half es zunächst wenig, dass der Kollege alsbald Russ eine Reihe aufrücken und wieder mit Viererkette agieren ließ. Da war nämlich die Verunsicherung schon tief in die Männer mit den schwarz-rot gestreiften Trikots gekrochen; selbst nach der Herausnahme der indisponierten Takashi Inui und Lucas Piazon genügte ein einfacher Doppelpass über den starken Alexandru Maxim, damit Gentner das dritte VfB-Tor schoss (51.).

Das 1:3 sollte indes erst der Startschuss für den verrückten Schlussakkord in einem "Wahnsinnspiel" (Veh) sein. Kaum hatten die Hessen durch Alexander Meier (57.), Stefan Aigner (61.) und Madlung nach schwerem Fehler von Stuttgarts Torwart Thorsten Kirschbaum (65.) die Partie vermeintlich gedreht, schlug das taktisch und technisch stärkere Veh-Ensemble zurück: Erst das Solo von Joker Timo Werner (81.), dann der Abstauber von Kapitän Gentner (84.) sorgten für Ernüchterung im Eintracht-Lager.

Nicht alle gerieten bei ihrem Frustabbau dabei in einen Erklärungsnotstand. "Wenn wir vier Tore schießen, kann es nicht sein, dass wir noch verlieren", kritisierte Torwart Felix Wiedwald. "Das Spiel war zwischen überragend und katastrophal", analysierte Tormaschine Meier, "über die Gegentore müssen wir reden." Und Verteidiger Russ resümierte: "Teilweise war das von unsere Seite ganz schlecht, weil wir viel zu viele Bälle verlieren. Das hätte auch 7:8 ausgehen können!"

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