1860-Sportdirektor Florian Hinterberger:Politisch gefangen

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Florian Hinterberger (re.): wird wie Reiner Maurer (li.) 1860 wohl bald verlassen müssen  (Foto: Bongarts/Getty Images)

Sechs neue Spieler, darunter einige Glücksgriffe: Nach dem Sieg in Sandhausen sollten die Transfers des kritisierten 1860-Sportdirektors Florian Hinterberger positiver bewertet werden. Doch seine Zukunft hängt - wie fast alles im Verein - vom Willen des Investors ab.

Von Philipp Schneider

Florian Hinterberger hält jetzt kurz inne, es soll ja um den ganz großen Zusammenhang gehen, um eine Art Gesamtbeurteilung seiner Arbeit. Er überlegt. Und dann erzählt er vom Sommer. Hinterberger findet nämlich, dass dieser Sommer ganz entscheidend ist. Es war ja sein zweiter Sommer als Sportchef beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, kein dauerhaft warmer zwar, aber für Hinterberger: ein richtig schöner Sommer. "Gehen wir doch bitte mal in den Sommer zurück, als uns alle gratuliert haben", sagt er, "und ich damals sagen musste: Moment! Die Saison muss doch erst noch gespielt werden."

Tatsächlich war damals nicht wenig Lob zu vernehmen für Hinterbergers Arbeit. Sechs neue Spieler hatte der Sportchef erstanden, finanziert wurden sie mit geliehenem Geld von Investor Hasan Ismaik, und die Namen klangen teilweise vielversprechend.

Zwei Nationalspieler waren darunter, in Moritz Stoppelkampf wechselte zudem ein Offensivspieler aus der Bundesliga, Moritz Volz kam vom FC St. Pauli. Und dann gab es noch den Kroaten Marin Tomasov und den Argentinier Ismael Blanco. Doch weil sich Tomasov und Blanco als Fehlgriffe erwiesen, folgte auf den schönen Sommer der Spätherbst, in dem Trainer Reiner Maurer gehen musste. Ehe dieser Winter einsetzte, als bei Sechzig plötzlich alles zur Diskussion stand: Präsident Dieter Schneider, der neue Trainer Alexander Schmidt, Sportchef Hinterberger - und auch das ganze sportliche Konzept.

Vor Weihnachten hatte sich Ismaiks Cousin Noor Basha zu Wort gemeldet, sein Wehklagen nahm den Furor des Investors vorweg. "Was macht Blanco?" fragte Basha, eher er die Antwort gab: "Nichts! Also stimmt doch etwas mit unserem Plan nicht." Das war natürlich eine steile These. Doch Hinterbergers Transferpolitik war für den jordanischen Geschäftsmann stets die argumentative Grundlage, um für 1860 neue Strukturen und andere Verantwortliche zu fordern. Auch sein Zorn auf Präsident Schneider lässt sich darauf zurückführen, weil der zu Beginn einer ewigen Posse die Verpflichtung von Trainer Sven-Göran Eriksson nicht akzeptieren wollte.

Nun mehren sich die Gründe, weshalb die Transferpolitik des 1860-Sportchefs einer neuerlichen Prüfung unterzogen werden müsste. Spätestens seit dem 1:0 in Sandhausen am Freitag, bei dem sich Torschütze Marin Tomasov erneut in überragender Verfassung präsentierte, stellt sich die Frage: Welche krassen Fehleinkäufe hat sich Hinterberger außer Ismael Blanco eigentlich geleistet?

Sicher, Tomasov zündete spät - aber immerhin zündet er nun richtig. Nach seinen Auftritten gegen Ingolstadt und Sandhausen ist auf ihn kaum zu verzichten. Auch Winterzugang Malik Fathi scheint sich sehr ordentlich zu bewähren, genau wie der neue Stürmer Rob Friend, der Tomasovs Treffer vorbereitete und allein mit seiner körperlichen Präsenz in des Gegners Strafraum für Dauerirritation sorgte.

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"Wir befinden uns am Ende des ersten Halbjahres eines Dreijahresplans und eigentlich bewegen wir uns genau so wie vereinbart", sagt Hinterberger: "Dass die Entwicklung eines Kaders dauert, das weiß jeder, der etwas von Fußball versteht. Wir spielen hier keinen Fußballmanager am PC." Und überhaupt: "Selbst wenn bei so vielen neuen Spielern einer wie Blanco dabei ist, dann ist das noch immer eine sehr gute Quote."

Doch nach Lage der Dinge wird Hinterberger das Ende des Dreijahresplans nicht bei Sechzig erleben. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, und aus der Geschäftsstelle ergehen noch keinerlei Anzeichen, dass er verlängert werden könnte. "Ich hoffe, dass meine Arbeit sachlich und fair beurteilt werden wird von Geschäftsführer Robert Schäfer und auch vom Präsidenten", sagt Hinterberger zwar. Doch damit umreißt er indirekt sein ganzes Dilemma.

Der Präsident musste ja schon seinen Abschied ankündigen, weil er sich den sportlichen Träumen Ismaiks verweigerte. Und Robert Schäfer wird sich sicher gut überlegen, ob er nicht seine eigene Anstellung gefährdet, sollte er mit Hinterberger gegen den Willen des Investors verlängern.

In Wahrheit sind inzwischen alle Verantwortlichen bei Sechzig politisch gefangen in der Auseinandersetzung mit Ismaik. Nachdem es dem Investor nun auch noch gelang, den ungeliebten Präsidenten tatsächlich aus dem Amt zu befördern, ist zudem ein politischer Präzedenzfall geschaffen.

In Zukunft wird es wohl keinen Präsidenten mehr geben, der es wagt, einem Trainer eine Jobgarantie zu erteilen, der Ismaik nicht beliebt. Schneider hielt damals an Alexander Schmidt fest, den der Investor als Übergangslösung sah. Auch deshalb musste er nun gehen.

Nach Tomasovs rasantem Formanstieg und Blancos Weggang bleibt Zugang Grigoris Makos, der Grieche spielt noch immer behäbig und unpräzise. "Das ist auch ein Problem des Kopfes", sagt Hinterberger, denn Makos wisse: "Eigentlich bin ich Nationalspieler, und dann sitze ich hier in der zweiten Liga auf der Bank."

Hinterberger glaubt, dass er sich noch wandeln könnte, wie es Tomasov gelang. "Von Makos Präsenz haben am Anfang alle geschwärmt, auch die Mitspieler." Aber das war damals. In jenem Sommer, als Hinterberger einen Kader formte, der für die kommenden drei Jahre gedacht war.

© SZ vom 11.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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