1. FC Kaiserslautern:"Paris, Paris, wir fahren nach Paris"

1. FC Kaiserslautern - VfL Bochum

Lauterns Held der Stunde: Osayamen Osawe.

(Foto: dpa)

Weil er eine Krankschreibung für einen Trip ins Pariser Nachtleben nutzte, wurde Osayamen Osawe vom FCK suspendiert. Bei seiner Rückkehr feiert ihn der ganze Klub.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Der Held machte gleich wieder Faxen: Mit wirren Gesten versuchte Osayamen Osawe seine Kollegen während ihrer Interviews mit dem Vereins-TV aus dem Konzept zu bringen. Uwe Stöver, der Sportdirektor des 1. FC Kaiserslautern, stand nur ein paar Meter entfernt daneben und sprach mit heiterem Lächeln über den Stürmer, der gerade alle drei Tore zum 3:0-Heimsieg gegen den VfL Bochum erzielt hatte: "Im Nachgang müsste man ihm noch rechts und links ein paar auf die Schellen hauen."

Doch statt Backpfeifen gab es Schulterklopfer und Umarmungen für Osawe, der zum Protagonisten eines Zweitliga-Spiels geworden war, das der FCK tatsächlich nicht hätte verlieren dürfen. "Bei einer Niederlage", gab der ewige Torhütertrainer Gerry Ehrmann zu, "hätte ich nie wieder auf die Tabelle geschaut."

Selten hat ein Klub ein Erfolgserlebnis so gebraucht wie dieser FCK, der nun mit neun Punkten immerhin wieder den Anschluss ans untere Mittelfeld der zweiten Liga hergestellt hat. Eine Niederlage hätte in der Pfalz eine ungemütliche Trainerdiskussion eingeleitet und den Klub, der seit Jahren den eigenen Ambitionen hinterherhechelt, nur weiter zermürbt. Aber nun hatte der FCK ja gewonnen.

Lautern lacht wieder

Und die Geschichte dieses Sieges wirkte wie ein guter Witz, der dem notorisch verkrampften Klub endlich wieder das Lachen zurückbrachte. Osayamen Osawe, 23, hatte ja nicht nur einfach drei Tore geschossen. Als sein Name bei der Mannschaftsvorstellung verlesen wurde, gab es neben trotzigem Applaus auch Buhrufe und Pfiffe. Vor zwei Wochen hatte sich der Stürmer krankgemeldet, das anstrengende Freundschaftsspiel in Großaspach verpasste der junge Mann aber nicht im Krankenbett. Stattdessen vergnügte er sich in einer Disco in Paris und stellte höchstpersönlich ein Selfie von sich in einem sozialen Netzwerk aus, das ihn mit einer Zigarre im Mund und insgesamt sehr lebensfroh zeigte.

Das Foto blieb natürlich ungefähr drei Sekunden unentdeckt, der Aufschrei in der Pfalz war groß: Da kämpft ein Klub um seine Existenz, und der neue Stürmer, der im Sommer vom Drittligisten Halle gekommen war, feiert unter Vortäuschung falscher Tatsachen in Frankreichs Hauptstadt? Unfassbar war das für die Lauterer Fans. Für das Spiel in Braunschweig (0:1) wurde der in Nigeria geborene Engländer von Trainer Tayfun Korkut suspendiert und in die zweite Mannschaft strafversetzt. Gegen den VfL Bochum, der inzwischen im Niemandsland der Tabelle herumdümpelt, durfte Osayamen Osawe nun wieder ran.

Und so, wie es gelaufen ist, war es eine Befreiung für den ganzen Klub. Es waren ja nur noch 18 000 Fans ins Fritz-Walter-Stadion gekommen, dabei hatte die Klubführung manche Sitzplatzkarten zum halben Preis ausgegeben. Vor allem die treuen Fans machten den Abend dann zu einem Ereignis. Seit Jahren hatte man aus der Westkurve nichts Humorvolles mehr gehört, aber an diesem Montag liefen alle zur Bestform auf. Schon nach Osawes zweiten Treffer riefen die Anhänger ironisch: "Paris, Paris, wir fahren nach Paris." Und nach dem Abpfiff weiter und in Variationen: "Alle, alle, alle nach Paris." Für Lauterer Kicker und Fans heißt das neue "Malle" nun Paris, mit dem Zug dauert die Reise ohnehin nur zweieinhalb Stunden. Und Osawe war plötzlich kein Verfemter mehr, sondern Stichwortgeber für Fangesänge mit dem Potenzial zum Kultcharakter. "It was quite funny", sagte Osawe nach dem Spiel erleichtert.

Er habe bescheuert gehandelt, das wisse er, meinte der schnelle Stürmer mit dem Hang zum Übermut auf und neben dem Platz. Der Trainer habe ihm gesagt, er solle nach vorne blicken. Was Osawe nicht erzählte, war, dass der Trainer ihn auch in die Verantwortung genommen hatte. "Pay back, habe ich ihm gesagt", erzählte Korkut. Und zur Wahrheit gehört auch, dass der FCK derzeit ein halbes Dutzend Verletzter beklagt, darunter die Angreifer Jacques Zoua und Kacper Przybylko - Osawe hatte einfach auch spielen müssen.

Trainer Korkut weiß, dass die Situation weiter fragil ist, der 1. FC Kaiserslautern hat viele Spieler mit Trainingsrückstand spät eingekauft, es gibt viele Verletzte und einen nicht ausbalancierten Kader. Aber am Montag konnten wenigstens alle wieder mal so richtig lachen beim FCK. Das ist schon viel für einen Klub in stetiger Abwärtsspirale.

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