Straßenhändler in Spanien:Schutzzonen für Gefälschtes

Lesezeit: 2 min

Illegale Straßenhändler werden in europäischen Urlaubsländern meist vertrieben und verfolgt. Nun gehen zwei Urlaubsorte in Spanien den umgekehrten Weg.

Die Sonnenbrillen und Handtaschen sind schön ordentlich auf Decken aufgereiht. Daneben hocken Straßenhändler und warten auf Käufer. Sobald ein Polizist erscheint, raffen sie ihre Waren zusammen und flüchten.

In vielen spanischen Ferienorten gehören die Händler in den Sommermonaten zum Straßenbild. Mancherorts gelten sie als Problem, das den Stadtoberen über den Kopf gewachsen ist. In El Vendrell an der Costa Dorada im Nordosten Spaniens empfingen Straßenhändler die Polizisten schon einmal mit einem Hagel von Steinen. Urlauber solidarisierten sich mit ihnen und beschimpften die Beamten, weil sie "die Ärmsten der Armen" jagen würden.

Die fliegenden Händler sind meist illegale Einwanderer, oft aus Afrika, die ohne Papiere in Spanien leben. Sie bieten Raubkopien von CDs und DVDs und gefälschte Markenprodukte an, um sich ein paar Euro zu verdienen. Sie sind das unterste und schwächste Glied organisierter Banden, die die illegalen Kopien herstellen und vertreiben. In Spanien ist das Phänomen der Kopienverkäufer unter dem Begriff "top manta" bekannt - "manta" heißt auf Deutsch "Decke".

Die Städte El Vendrell und Calafell in der Provinz Tarragona (Costa Dorada) ergriffen nun eine ungewöhnliche Initiative, um das Problem in den Begriff zu bekommen. Die Bürgermeister erklärten kurzerhand für legal, was eigentlich verboten ist. Sie wiesen den Immigranten abseits der Touristenzentren und Flaniermeilen Plätze für den Straßenverkauf zu, auf denen die Händler ungestört von der Polizei ihre Waren anbieten dürfen.

Damit lösten sie jedoch in der Geschäftswelt und in der Reisebranche einen Sturm der Entrüstung aus. "Das Tolerieren der illegalen Händler ist Rechtsbeugung", empörte sich Miguel Angel Fraile vom katalanischen Verband des Einzelhandels.

Andere Städte am Mittelmeer verfolgen einen genau entgegengesetzten Kurs. In Barcelona sowie in Urlauberhochburgen wie Salou oder Cambrils werden nicht nur die Straßenhändler von der Polizei verfolgt, sondern es können auch deren Kunden mit Geldbußen belangt werden. Streng juristisch ist beim Phänomen "top manta" meist gleich dreimal ein Verstoß gegen Gesetze zu verzeichnen: Die Händler sind illegal in Spanien, sie haben keine Marktlizenzen und ihre Waren sind gefälschte Markenartikel oder Raubkopien.

"Aber wir schaden doch niemandem", wendet der Straßenhändler Abdou in Barcelona ein. "Wir stehlen nicht und verkaufen keine Drogen. Wir wollen nur überleben." Wenn er Glück habe, verdiene er am Tag 40 Euro, sagte der Senegalese der Zeitung El Periódico de Calatunya. Dafür müssen er und seine Kollegen in ständiger Angst leben.

Wenn sie von der Polizei geschnappt werden, kommen sie nach einem neuen Gesetz zwar nicht mehr ins Gefängnis, aber sie sind ihre Waren los. "Das ist so, als nähme man einem Arbeiter den Lohn ab", sagte Abdou.

Die Handelskammer in Barcelona weist darauf hin, dass der Verkauf gefälschter Luxus-Uhren, Handtaschen oder Sonnenbrillen den Markenfirmen erhebliche Einbußen beschere. Die Anwältin Marta Segura meint jedoch dagegen: "Wenn sich jemand eine Markentasche kaufen will, geht er nicht zu einem der Straßenverkäufer, die schlechte Imitationen verkaufen. Den Firmen entstehen praktisch keine Schäden. Das gilt auch für den Verbraucher. Jeder weiß doch, dass die Produkte falsch sind."

© Hubert Kahl, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: