Kritik an Air France:Sparen an der Sicherheit

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Eine unabhängige Kommission kritisiert nicht nur die Arroganz der Piloten der französischen Fluggesellschaft - im ganzen Unternehmen fehle es zudem an Sicherheitsbewusstsein.

Jens Flottau

Eine unabhängige Kommission hat der Fluggesellschaft Air France in 35 Einzelpunkten empfohlen, mehr für die Sicherheit zu tun. Die von dem Unternehmen beauftragten Experten empfehlen Veränderungen bis tief in die Organisationsstruktur der Airline. Die besonders kritische Pilotengewerkschaft UFPL forderte Air France auf, eine neue Sicherheitsphilosophie einzuführen.

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Hintergrund der Analyse ist der Absturz des Air France-Fluges 447 am 1. Juni 2009. Damals waren 228 Menschen ums Leben gekommen, als ein Airbus A330 vor der Küste Brasiliens unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen ins Meer stürzte. Als gesichert gilt mittlerweile, das defekte Geschwindigkeitsmesser die Katastrophe ausgelöst haben.

Allerdings ist immer noch nicht klar, warum die Piloten nicht in der Lage waren, das Flugzeug dennoch zu retten. Die Suche nach dem Flugschreiber und Stimmenrekorder im Südatlantik war trotz enormen Aufwandes bislang erfolglos.

In den Empfehlungen der Expertenkommission, die der SZ vorliegen, heißt es, die internen Strukturen bei Air France seien zu komplex und müssten von der Unternehmensspitze an vereinfacht werden. Auf allen Managementebenen fehle es an Sicherheitsbewusstsein.

An der Spitze werde zwar der Sicherheit oberste Priorität eingeräumt, diese Botschaft dringe aber nicht zu den unteren Ebenen durch. Manche Mitarbeiter würden daraus schließen, dass kommerzielle Erwägungen Vorrang vor der Sicherheit hätten. Air France reagiere immer noch zu sehr auf Einzelereignisse, statt vorbeugend zu handeln.

Die Studie kritisiert aber auch die Piloten. Eine Minderheit der Kapitäne behandele Techniker und Kabinenbesatzung autokratisch und arrogant. Dies habe gravierende Folgen auf die Stimmung und die Bereitschaft, zusammenzuarbeiten. Auch das Verhältnis zwischen Management und Gewerkschaften sei ein wichtiger Aspekt. Die Sicherheitsexperten glauben, dass Air France manche der Empfehlungen nur mit hohem Aufwand folgen kann.

Konzernchef Pierre-Henri Gourgeon kündigte allerdings an, den Schlussfolgerungen der Studie weitgehend zu folgen. Im Zusammenhang mit dem Airbus-Absturz in den Atlantik hatte die Pilotengewerkschaft kritisiert, dass die anfälligen Geschwindigkeitsmesser nicht schnell genug ausgetauscht worden waren, obwohl Probleme mit ihnen schon länger bekannt gewesen seien. Air France hatte allerdings detailliert dokumentiert, wie lange man die Industrie vergeblich dazu gedrängt hat, verbesserte Versionen dieser Geräte anzubieten. Auch die europäische Flugsicherheitsagentur EASA ist wegen zu lascher Aufsicht in die Kritik geraten.

© SZ vom 27.1.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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