Kolumne "Ende der Reise":Verfluchte Mitbringsel

Strandburgen

Strandburg an der Ostsee - noch ist ja Sand vorhanden.

(Foto: dpa)

Der italienische Fremdenverkehrsverband weist darauf hin, dass niemand Sand mit nach Hause nehmen darf. Hätten sie sich mal früher gemeldet!

Glosse von Jochen Temsch

Unter den vielen Ritualen des Tourismus ist die Jagd auf Souvenirs eines der merkwürdigsten. Manche Urlauber mühen sich den ganzen sonnigen Tag lang ab, um Mitbringsel zu sammeln, seien es Kühlschrankmagneten, T-Shirts oder Kaffeetassen. Und egal, wo auf dieser Welt man Krimskrams dieser Sorte kauft - meistens stammt er aus China.

Der natürliche Gegenspieler des Souvenirjägers ist deshalb der konsumkritische Öko-Traveller. Er beruft sich auf den weisen Indianerspruch "Hinterlasst nichts außer Flip-Flop-Abdrücken, nehmt nichts mit außer Fotos!"

Und dann gibt es noch Touristen, die in Sachen Erinnerungskultur irgendwo zwischen Kaffeetasse und Fußspuren liegen: Sie kaufen keine Mitbringsel, sondern klauben sie auf. Stecken mal hier einen Stein in die Badeshorts, lassen mal da ein paar Sandkörner in eine leere Wasserflasche rieseln, um zu Hause ihr Bad oder ihr Bücherregal damit zu schmücken. Sie demonstrieren auf diese Weise Naturverbundenheit - und sind nach Meinung vieler Einheimischer die schlimmsten Touristen von allen!

So hat nun der italienische Fremdenverkehrsverband Enit darauf hingewiesen, dass es verboten ist, Sand aus Italien auszuführen. Hätten sie sich mal früher gemeldet statt zum Ende der Sommerferien! Denn schon wieder haben dieses Jahr allein auf Sardinien rund zwei Millionen potenzielle Stranddiebe die Eimer und Schäufelchen ausgepackt. Wenn nur jeder zweite von ihnen eine 0,5-Liter-Flasche vollgehäuft hat, ist die Mittelmeerinsel heuer um etwa 9000 Tonnen Land geschrumpft.

Zum Vergleich: Hätten Touristen Sylt derart angebaggert, es wäre in der Nordsee verschwunden. So viele Steine auf der Zugspitze in Rucksäcke gepackt, und sie wäre nun auf Harz-Niveau. Das erschütternde Ausmaß der Fledderei ist auf der Facebook-Seite "Sardegna Rubata e Depredata", "Sardinien, ausgeraubt und geplündert" zu besichtigen: ganze Koffer voller Sand, Muscheln und Steine werden täglich von der Insel geschmuggelt, wie die Fotos von Mitarbeitern am Sicherheitscheck des Flughafens Cagliari zeigen.

Die hohen Geldstrafen von bis zu 3000 Euro bringen nichts. Nicht einmal die Drohung mit Gefängnis - wie man seit dem Fall eines deutschen Familienvaters weiß, der vor Jahren in der Türkei vier Wochen lang einsaß, weil sein kleiner Sohn einen vielleicht antiken Stein am Strand eingesteckt hatte.

Nein, wer erfahren will, wie man Steinwüsten tatsächlich bewahrt, muss in die USA schauen, genauer auf die Vulkaninseln von Hawaii. Dort erzählt einem jeder Guide, und es steht in jedem Reiseführer, dass es schreckliches Unglück bringt, Lavabrocken aus den Nationalparks abzutragen. Viele von den Touristen, die diese Warnung ignorieren, schicken die verfluchten Steine später per Post zurück. Die Ranger betreiben dafür eigene Sammelstellen in den Besucherzentren. Gleich daneben gibt es wunderbare T-Shirts und Kaffeetassen made in China zu kaufen. Ist insgesamt günstiger.

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