"Dirty Dancing"-Hotel in den USA:Time of my life

"Dirty Dancing"-Hotel in den USA: Das Haupthaus der Mountain Lake Lodge sieht mit seiner steinernen Fassade heute noch fast so aus wie im Film.

Das Haupthaus der Mountain Lake Lodge sieht mit seiner steinernen Fassade heute noch fast so aus wie im Film.

(Foto: Adam Mullins Photography/PR)

"Da flippen die Damen aus": Fans können sich am Dirty-Dancing-Drehort, einem Hotel in Virginia, an die Veranda lehnen oder tanzen lernen wie Patrick Swayze und Jennifer Grey. Ein Besuch.

Von Evelyn Pschak, Pembroke

Mein Baby gehört zu mir, ist das klar?" Wer diesen Satz nicht sofort erkennt, kann kein Fan von "Dirty Dancing" sein. Oder vielmehr: Kann kein deutscher Dirty-Dancing-Fan sein. Denn, so erklärt Michael Richardson und schüttelt verständnislos den Kopf: Jede andere Übersetzung, selbst im Estnischen oder in der Mandarin-Fassung, habe sich strikt daran gehalten, was Hauptdarsteller Patrick Swayze in dem vor 30 Jahren gedrehten Film eigentlich gesagt hatte: "Nobody puts Baby in a corner." Swayze soll diese Phrase, dass keiner sein allerseits "Baby" genanntes Herzblatt in die Ecke setzen dürfe, übrigens recht dumm gefunden haben. Aber das ist nur eine von vielen Trivial-Weisheiten, auf die sich Hunderte Filmfans begehrlich stürzen, wenn Michael Richardson im Rahmen eines "Dirty Dancing Package" über die damaligen Drehschauplätze auf dem Gelände der Mountain Lake Lodge in Pembroke, Virginia, führt.

Richardson ist Barmann des Resorts in den südlichen Appalachen, dessen Haupthaus mit steinerner Fassade aus den 1930er-Jahren heute noch fast so aussieht wie im 1986 gedrehten Tanzfilm. Doch der 47-Jährige aus Ketchikan, Alaska, serviert nicht nur den beerenroten Baby's Punsch am glattpolierten Tresen der Hotelbar, er ist zudem designierter Dirty-Dancing-Experte des Anwesens. "Wer hier arbeitet, sollte den Film besser mögen", sagt er und schätzt, dass mindestens 70 Prozent der Gäste das Hotel aus cineastischen Gründen wählen: "Vor allem die Männer punkten damit", sagt er grinsend. "Wenn sie ihre Frauen auf ein Wochenende einladen und im Resort erst fragen: ,Na, erkennst du's?', da flippen die Damen aus. Alle." Inzwischen kennt Richardson, der seit 1989 immer wieder in der Mountain Lake Lodge arbeitet, derlei Beziehungstricks genauso gut wie die Gebäude und Geschichten des mehr als 1000 Hektar großen Hotelareals.

"Dirty Dancing"-Hotel in den USA: SZ-Karte

SZ-Karte

Die umliegenden Cabins, teils hundertjährige Holzhütten in verwittertem Tannengrün, bieten zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten. Nur eine Hütte erstrahlt frisch geweißelt unter einem weit auskragenden Dach. "Die Filmleute tünchten damals alles zur sauberweißen Kulisse", erzählt Richardson. "Die hier haben wir vor vier Jahren nachgestrichen, um den Wiedererkennungswert zu steigern." Sein Zeigefinger weist die Richtung zu Baby's Cabin. Und sofort blicken um die 150 Hotelgäste, die sich der "Dirty Dancing Movie Walking Tour" angeschlossen haben, in dieselbe Richtung. Vor allem Paare sind gekommen, dazu Gruppen von Freundinnen. In exakt diese Holzhütte hatte sich im Film Jennifer Grey als Frances "Baby" Houseman immer wieder dem Familienleben entzogen, um heimliche Stunden mit ihrem Tanzlehrer Johnny zu verbringen.

Die Versicherungsmaklerin mietet immer wieder Babys Bungalow: "So aufregend!"

Heute steht allerdings nicht Baby, sondern Peggy Malone im pinken Dirty-Dancing-T-Shirt auf der Veranda. Die Besitzerin einer Versicherungsagentur aus dem knapp 400 Kilometer entfernten Städtchen Emporia kommt seit sechs Jahren regelmäßig her: "Als ich erfuhr, dass es hier Dirty-Dancing-Wochenenden gibt, habe ich sofort angerufen." An ihr erstes Mal erinnere sie sich genau: "Ich wurde ganz ehrfürchtig. Hier haben sie die Szenen gedreht! Es war so aufregend." Auch Lake Lure habe sie besucht, den zweiten Drehort des Films in North Carolina, weitere viereinhalb Autostunden entfernt, wo seit ein paar Jahren ebenfalls ein Dirty-Dancing-Festival stattfindet: "Aber da gibt es nichts mehr, es ist alles abgebrannt oder abgerissen. Nur die Treppe, auf der Baby ihre Wassermelone trägt und Tanzschritte übt, ist noch zu sehen."

Während der Walking Tour lässt Malone die angereisten Fans in die von ihr angemietete Hütte der Housemans hineinschauen: "Denn genau da würde ich als Gast ja auch hinwollen", erklärt sie. Durch ihre großzügige Geste gerät die Versicherungsmaklerin selbst zum Star. Sie lässt sich fotografieren, gibt die grünen Schaukelstühle auf ihrer Terrasse zum allgemeinen Wippen frei und begrüßt die sich in ihrem Wohnzimmer drängelnden Nachzügler am Kamin, vor dem Baby im Film mit ihrem Vater Schach spielt. "Das ist wirklich toll", sagt Michael Richardson, als er seine Gruppe weiter zum nächsten Schauplatz führt: "Das hat vor Peggy noch niemand gemacht."

Auch nicht der Gast, der derzeit das Zimmer hat, in dem Patrick Swayze während der zweiwöchigen Dreharbeiten wohnte: "Der Duschvorhang aus dem Hotelzimmer 232 wurde schon mindestens 15 Mal geklaut", sagt Richardson. "Aber stellt euch vor, wir hätten den Vorhang in den letzten 30 Jahren nicht ausgetauscht, wäre das nicht eklig?" Alle lachen. Der Barkeeper hat sein Publikum fest im Griff.

Die meisten glauben, dass es das Hotel gar nicht mehr gibt

Die anderen Schauplätze des Films sind schnell lokalisiert: Im kreisrunden Strandpavillon fanden Gesellschaftstänze statt. Und Baby ließ sich eine Locke vom Langweiler und Hotelerben Neil Kellerman auf dem Bootssteg aus der Stirn streichen. Heute reicht der Steg nicht mehr bis ins Wasser, sondern führt funktionslos über sandiges Gestrüpp: Der auf 1300 Metern gelegene Mittelgebirgssee ist durch geologische Besonderheiten des Ortes ausgetrocknet und füllt sich nur langsam wieder auf.

Das in dunklen Tönen gehaltene Restaurant ruft Erinnerungen an glamouröse Dinnerszenen wach, auch wenn die Gäste heute fürs Abendessen um einiges legerer gekleidet sind als die Komparsen, die in der Filmgeschichte das Kellerman's genannte Resort bevölkerten. Flipflops und Spaghettiträger bestimmen heute das Bild, kurze Shorts spannen sich um runde Hüften. Ein Schwarm von Servicekräften verteilt Eiswasser. Tief ins Steinmauerwerk geschnittene Panoramafenster gewähren Ausblick auf riesige Tannen, Holzhütten, den halb vollen See und grüne Bergketten.

Aus der Küche, in der im Film Baby die schwangere Penny weinend unter einem chromblitzenden Arbeitstisch erspäht, eilen heute Köchinnen mit schwarzen Häubchen. Vor 30 Jahren störte genau hier ein junger Commis de Cuisine die Dreharbeiten. Michael Porterfield konnte sich ein rigoroses "Cut!" nicht verkneifen, als Baby vom Hotelerben vor dem geöffneten Kühlschrank gefragt werden sollte, ob sie denn ein Eis wolle. Heute ist der 59-jährige Porterfield hier der Chefkoch und er erklärt noch immer gerne, dass man in einem Kühlschrank nun mal eben kein Eis aufbewahren könne. Sichtlich stolz darauf, dass die Szene dank ihm neu und fehlerlos gedreht wurde - ohne Eis im Text.

Patrick Swayze, Jennifer Grey

Einmal ein paar Tage wie Patrick Swayze und Jennifer Grey verbringen: Auch nach 30 Jahren hat der Film Dirty Dancing nichts von seiner Anziehungskraft verloren.

(Foto: AP)

Die Versicherungsgesellschaft wolle nicht, dass Gäste die Küche besichtigen, erläutert Michael Richardson auf seiner Walking Tour und murmelt etwas von Antirutschsohlen und scharfen Gegenständen. Er führe sie aber trotzdem hin, heitert er die enttäuschten Gesichter schnell wieder auf. Aber erst nach Mitternacht, wenn sonst keiner mehr in der Küche sei.

Dass man die Drehorte von Dirty Dancing noch immer ablaufen kann, ist für viele der Anwesenden eine echte Überraschung. Die meisten hatten angenommen, dass es das Hotel gar nicht mehr gibt. Und sie vermuteten den Originalschauplatz auch nicht in Virginia. Denn Dirty Dancing basiert auf den Erinnerungen der Drehbuchautorin Eleanor Bergstein an den Sommer 1963 in den Catskill Mountains in Upstate New York. Mit ihrem Kellerman's spielte Bergstein auf die Feriensiedlungen jüdischer New Yorker im sogenannten Borschtsch-Gürtel an. In den 1960er-Jahren noch sehr en vogue, hatten diese Naherholungsziele bereits zu Zeiten der Dreharbeiten ihre Bedeutung verloren. So sehr, dass die Location Scouts dort kein Hotel mehr fanden, das den ländlich-mondänen Ansprüchen des Drehbuchs genügt hätte. So wichen sie in die Blue Ridge Mountains aus. "Die Berge Südwest-Virginias sind den Catskills sehr ähnlich", sagt Hotelmanagerin Heidi Stone, die selbst in Upstate New York aufgewachsen ist.

Als vor vier Jahren ein altes Hotel in den Catskill Mountains abbrannte, das viele für den Schauplatz des Dirty-Dancing- Films hielten, seien vereinzelte Zeitungsartikel erschienen, welche die Lodge hier als die wirkliche Filmkulisse vorstellten. "Die Leute sind so darauf abgefahren, das war verrückt", sagt Stone. Denn eigentlich fanden im Hotel bereits seit 1988 regelmäßig Dirty-Dancing-Wochenenden statt. Die konnten aber dennoch dem zeitweisen Niedergang des Hotels nicht entgegenwirken: "Als der See austrocknete, verlor der Ort für viele Gäste an Attraktivität", sagt Stone. Doch jetzt sei alles anders: "Die Leute kommen aus ganz Amerika her, aus Kalifornien, Indiana, New York. Für ein Girls' Weekend." Um gemeinsam den Film anzuschauen, Baby's Punsch zu trinken oder bei einer Schnitzeljagd den Spuren der Tanzgeschichte zu folgen. Und um in der Partyscheune zwar nicht den Mambo einzuüben, an dem selbst Johnny und Baby mehr als ein Wochenende üben mussten, aber eben doch den Hustle, eine Variante des Disco-Fox.

Im Restaurant quietscht eine Gruppe von sieben Freundinnen vor Vergnügen, als sie zum Abendessen an einen runden Ecktisch geleitet werden. "Sie haben uns in eine Ecke gesetzt!" Ihre Stimmen kippen über vor guter Laune. Nobody puts Baby in a corner. Der Satz wird hier in der Mountain Lake Lodge wohl noch weitere 30 Jahre die Gäste belustigen.

Informationen

Anreise: United-Airlines fliegt einmal täglich von München nach Washington, dort umsteigen nach Roanoke Airport, hin und zurück ab 826 Euro, www.united.com. Am Roanoke Airport mit dem Mietwagen oder Shuttle (ca. 110 EUR) zur Mountain Lake Lodge, Fahrtzeit: 75 Minuten: www.roanokeairport.com/ground-transportation

Reisearrangement: Wochenendpreis fürs Dirty Dancing Package mit zwei Übernachtungen, Vollpension (ohne alkoholische Getränke) Tanzkurs, Filmvorführung, Dirty-Dancing-Schnitzeljagd u.a. (wechselndes Programm), ab 670 Euro: www.mtnlakelodge.com; nächste Termine: 23.-25. Juni, 28.-30. Juli, 25.-27. August 2017

Weitere Auskünfte: www.virginia.org

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