Zoll-Affäre:Kanzlerin Merkel rügt Niebel für fliegenden Teppich

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Neun Quadratmeter, 30 Kilo und ungleich mehr politisches Gewicht: Der unverzollte Teppich aus Afghanistan bringt Entwicklungshilfeminister Niebel mehr und mehr in Bedrängnis. Nun schaltet sich auch Kanzlerin Merkel in die Debatte um den "persönlichen Gefallen" des BND-Chefs für den FDP-Politiker ein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel für den Heimtransport eines in Afghanistan erstandenen Teppichs mit einem BND-Flugzeug gerügt. Die Kanzlerin sei sicher, dass der Minister wie angekündigt umfassend und schnell nachholen werde, was bei der Einfuhr des Teppichs versäumt worden sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert heute in Berlin. "Das Wort Versäumnis beinhaltet ja schon, dass eine andere Form der Einfuhr noch korrekter gewesen und deswegen auch vorzuziehen gewesen wäre", fügte er hinzu.

Im eigenen Flieger hat Dirk Niebel - hier bei einem Besuch in Afghanistan - den Teppich nicht transportiert. Jetzt bringt die unverzollte Einfuhr des Souvenirs den Minister unter Druck. (Foto: dpa)

Der FDP-Politiker war in die Kritik geraten, weil er sich seinen Einkauf vom Chef des Bundesnachrichtendienstes, Gerhard Schindler, bei dessen Rückflug aus Kabul unverzollt in einer BND-Maschine hatte mitbringen lassen. Niebel hatte den Vorgang eingeräumt, kurz nachdem der Spiegel erstmals darüber berichtet hatte. Danach hat der FDP-Politiker den neun Quadratmeter großen Teppich während einer Dienstreise im März in Kabul für etwa 1400 Dollar (etwa 1000 Euro) gekauft, ihn jedoch in seiner gebuchten Linienmaschine nicht mit nach Hause genommen.

Im Mai war das Stück dann mit dem Jet von BND-Präsident Schindler nach Berlin gebracht worden, wo ihn Niebels Fahrer am Zoll vorbei auf dem Flughafen abholte und zum Haus des Ministers brachte. Erst nachdem Journalisten nachfragten, hatte Niebel in dieser Woche beim Zollamt in Berlin einen Steuerbescheid für den Teppich beantragt.

"Persönlicher Gefallen" des BND-Chefs

"Ich bedauere, dass der Antrag auf Verzollung erst mit Verzögerung gestellt wurde", erklärte Niebel. Ursache sei ein "Missverständnis" gewesen. Niebel hat seinem Ministerium zufolge "am 6. Juni gegenüber dem Zollamt Berlin-Tegel um Erteilung eines Steuerbescheides von Amts wegen ersucht". Eigentlich habe er den Einkauf bei seinem nächsten Kabul-Aufenthalt mitnehmen wollen, sagte Niebel. BND-Chef Schindler habe ihm jedoch einen "persönlichen Gefallen" getan, indem er den Teppich vorher mit nach Berlin genommen habe.

Niebels Sprecher Rolf Steltemeier teilte mit, der Minister habe den Teppich direkt in der deutschen Botschaft in Kabul gekauft. Ein Händler habe mehrere Stücke zur Auswahl mitgebracht. Davon habe sich Niebel einen Teppich ausgesucht. Es handle sich um ein rotes Exemplar mit schwarzem Muster, das ungefähr neun Quadratmeter groß und 30 Kilogramm schwer sei und inzwischen Niebels Privatwohnung ziere.

Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Andreas Peschke, wollte sich nicht dazu äußern, ob solche privaten Geschäfte in deutschen Vertretungen bei Ministerbesuchen üblich seien.

Strafrechtliche Konsequenzen hat Niebel wegen seiner Selbstanzeige nicht zu befürchten. Ein Sprecher des Finanzministeriums erläuterte, theoretisch hätte die unverzollte Einfuhr des Teppichs den Straftatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen können. Bei einer Selbstanzeige entfalle die Strafbarkeit aber. Nach Angaben des Finanzministerium wären etwa 200 Euro Abgaben fällig geworden. Ohne Selbstanzeige wäre bei einer Überschreitung der Freigrenze eine Anzeige und ein Verfahren die Folge. Die Freigrenze bei Flugreisen liege bei 430 Euro.

Opposition wirft Niebel Amtsmissbrauch vor

Die Opposition fordert weitere Aufklärung. "Kein deutscher Minister hat sein Amt jemals so schamlos missbraucht wie Dirk Niebel", erklärte der SPD-Entwicklungspolitiker Sascha Raabe. Erst versorge der FDP-Politiker reihenweise Parteifreunde mit hoch lukrativen öffentlichen Posten, dann stelle er den Personalrat kalt und nun lasse er auf Staatskosten Luxusteppiche einfliegen. "Wie sollen wir glaubhaft gegenüber unseren Partnerländern gute Regierungsführung einfordern, wenn sich ausgerechnet der dafür zuständige Entwicklungsminister wie ein Autokrat aufführt?", fragte Raabe.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, forderte von Niebel vollständige Aufklärung und kündigte eine Frage für die Fragestunde im Bundestag an. "Wir erwarten, dass der Minister die Informationen über den Teppichimport vor der Öffentlichkeit und vor dem Parlament offenlegt", sagte er.

© Süddeutsche.de/Reuters/dpa/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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