Westerwelle in Israel:Affäre mit Langzeitwirkung

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Die Affäre Möllemann wirft immer noch lange Schatten: Außenminister Westerwelle reist zum Antrittsbesuch nach Israel, wo die frühere antijüdische Haltung von Teilen der FDP unvergessen ist.

Daniel Brössler

Reisen nach Israel sind für deutsche Politiker, um es mit den Worten von FDP-Chef Guido Westerwelle zu sagen, "schwierig, aber auch notwendig". Siebeneinhalb Jahre ist es her, dass Westerwelle diese Formulierung gewählt hat. Es war im Mai 2002, der junge Vorsitzende der Liberalen flog ins Heilige Land. Nicht zu einem Besuch, sondern in einem Notfalleinsatz.

Vor sieben Jahren war Guido Westerwelle zu einem Noteinsatz in Israel - hier im Gespräch mit dem damaligen Außenminister Schimon Peres (Archivbild vom 27.5.2002) (Foto: Foto: dpa)

Die FDP befand sich inmitten dessen, was unter der Überschrift "Antisemitismus-Streit" als unrühmliches Kapitel in die Parteigeschichte eingehen sollte. Wenn der an diesem Montag beginnende Antrittsbesuch Westerwelles noch ein bisschen schwieriger und notwendiger ausfällt als bei jedem neuen deutschen Außenminister, dann hat das mit den damaligen Vorgängen zu tun.

Direkt nach dem Wahlsieg der FDP im September, als die Welt sich für die Partei des Guido Westerwelle zu interessieren begann, rief die israelische Zeitung Haaretz ihren Lesern zwei Namen in Erinnerung: Jamal Karsli und Jürgen Möllemann. Karsli war einst nordrhein-westfälischer Landtagsabgeordneter der Grünen und verbreitete, die israelische Armee gehe mit "Nazi-Methoden" gegen die Palästinenser vor. Möllemann fand damals als FDP-Landeschef, einer wie Karsli sei genau der Richtige für die Partei.

Eine Partei neuen Typs

Unter normalen Umständen wäre die Angelegenheit vermutlich rasch aus der Welt geschafft worden durch einen Ordnungsruf des Bundesvorsitzenden. Doch Westerwelle, noch nicht lange im Amt, befand sich in einer Ausnahmesituation. Er hatte das "Projekt 18" ausgerufen, wollte Kanzlerkandidat sein und schwärmte von einer Partei neuen Typs.

Gerhard Schröder verletzte Westerwelle in dieser Zeit mit der Bemerkung, die FDP sei nicht regierungsfähig. Die Attacke traf den Kern: Über quälende Wochen hinweg mied Westerwelle ein Machtwort, ließ Möllemann gewähren. Er tat das selbst dann noch, als dieser den Vize-Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, attackierte und ihn gar mitverantwortlich machte für Antisemitismus in Deutschland.

Alte Liberale wie Burkhard Hirsch beschworen den jungen Vorsitzenden damals, einzuschreiten. Seiner innerparteilichen Macht nicht gewiss und auf Protestwähler schielend, nahm Westerwelle den Kampf verspätet und zunächst halbherzig auf. Möllemann habe sich verrannt, seine Kritiker aber auch, behauptete er.

Israels damaliger Botschafter Schimon Stein beobachtete das Treiben mit Sorge und verschaffte dem FDP-Chef eine Einladung nach Jerusalem. Westerwelle nahm an, bekräftigte aber kurz vor der Abreise in der Bild am Sonntag seine Kritik an Israels Besatzungspolitik. "Man darf Kritik üben, ohne gleich in die braune Ecke abgeschoben zu werden", sagte er. In Jerusalem empfingen Westerwelle die höchsten Repräsentanten des Staates - und lasen ihm die Leviten. Der damalige Ministerpräsident Ariel Scharon sprach über den Antisemitismus in Europa und wurde konkret: "Auch die Dinge, die gegen die jüdische Gemeinschaft in Deutschland gesagt werden, beunruhigen uns sehr."

Den Bruch mit Möllemann zögerte Westerwelle nach der Reise hinaus. Erst nach der für die FDP missglückten Bundestagswahl und dem Bekanntwerden illegaler Finanzmachenschaften musste Möllemann am 21. Oktober von seinen Ämtern zurücktreten. Weniger als ein Jahr danach sprang er mit dem Fallschirm in den Tod.

Aufmerksame Zuhörer

Die alte Affäre wirkt nach. Und doch ist es unwahrscheinlich, dass Westerwelle in Israel pausenlos darauf angesprochen werden wird. Gleich nach seiner Ankunft wird der Außenminister zur Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem fahren und keinen Zweifel daran lassen, dass er zur historischen Verantwortung Deutschlands steht. Präsident Schimon Peres, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Außenminister Avigdor Lieberman aber wollen wissen, ob sie von Westerwelle mehr erwarten können als diese Pflicht.

In Deutschland sehen die Israelis den wichtigsten Partner in Europa, in Kanzlerin Angela Merkel eine verlässliche Freundin des Landes. Auch Westerwelles Vorgänger Frank-Walter Steinmeier und Joschka Fischer haben es in Israel zu hohem Ansehen gebracht.

Die Erinnerung an die FDP-Minister Klaus Kinkel und Hans-Dietrich Genscher hingegen ist verblasst. In Israel fragt man sich, ob Westerwelle bereit sein wird, sich im Nahen Osten zu engagieren. Unter den Schwerpunkten, die er bisher benannt hat, war von Israel jedenfalls nicht die Rede. In Jerusalem darf er mit aufmerksamen Zuhörern rechnen.

© SZ vom 21.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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