Doppelte Premiere im Schloss Bellevue: Bundespräsident Christian Wulff hält in diesem Jahr nicht nur seine erste Weihnachtsansprache. Er hat dafür auch eine neue Präsentationsform gewählt. Wulff spricht nicht mehr am Schreibtisch sitzend, sondern im Stehen, umringt von 200 Bürgerinnen und Bürgern, die vor einigen Tagen bei einem Empfang zu Gast in seinem Amtssitz waren. Unter ihnen sind Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, Helfer, Polizisten und Bundeswehrsoldaten. Geblieben sind in der neuen Kulisse ein geschmückter Weihnachtsbaum und die schwarz- rot-goldene Nationalflagge.
Das Engagement für die Gesellschaft stellt Wulff auch in den Mittelpunkt seiner Ansprache. "Zusammenhalt, Verständigung, miteinander auskommen: All das geschieht nicht von allein. Dafür muss man etwas tun", sagt Wulff in der Ansprache, die vor einigen Tagen aufgezeichnet wurde. Deshalb habe er auch Menschen eingeladen, die sich im Jahr 2010 "für andere, mit anderen gemeinsam eingesetzt" hätten.
Wer sich engagiere, "bekommt viel zurück", so der Bundespräsident. "Ehrenamtliche leben übrigens auch länger." Der Staat könne "im Rahmen seiner Möglichkeiten" Menschen in Not finanziell unterstützen. "Aber jemandem Mut zusprechen, jemandem auf die Schulter klopfen, jemandem die Hand reichen: Dafür braucht es Menschen, für die Menschlichkeit wichtig ist", sagt Wulff.
Der Bundespräsident nimmt in seiner Weihnachtsansprache in zurückhaltender Form auch das Thema Zuwanderung und Integration wieder auf, mit dem er in den ersten Monaten seiner Amtszeit Kontroversen ausgelöst hatte. In seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit hatte Wulff am 3. Oktober gesagt, neben der christlich-jüdischen Tradition gehöre auch der Islam inzwischen zu Deutschland. Vor dem Hintergrund der heftigen Diskussionen um das Buch und die Thesen des früheren Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin war dies überwiegend als bemerkenswerte Einmischung des Staatsoberhaupts gewertet worden, die ihm teilweise Kritik, aber auch viel Anerkennung einbrachte.
In der Weihnachtsansprache spricht Wulff nun von einer freien und bunten Gesellschaft: "Wir leben in verschiedenen Lebenswelten, wir sind unterschiedlich, was unsere Herkunft angeht, unsere Religion, unsere Bildung und unsere Träume vom Glück." Damit eine Gesellschaft aus so vielfältigen Menschen Bestand haben könne, "brauchen wir vor allem Respekt", so der Bundespräsident. "Respekt vor dem, der anders ist als man selbst. Und Anerkennung auch seiner Leistungen."
Wulff, 51 Jahre alt, war am 30. Juni dieses Jahres zum Bundespräsidenten gewählt worden, nachdem sein Amtsvorgänger Horst Köhler einen Monat zuvor überraschend zurückgetreten war. Wulff, bis dahin Ministerpräsident in Niedersachsen, war der Kandidat der schwarz-gelben Koalition, konnte sich aber erst im dritten Wahlgang und nach etwa neun Stunden Abstimmung in der Bundesversammlung gegen den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, durchsetzen.
Köhler hatte insbesondere mit seinem Engagement für Afrika einen starken außenpolitischen Akzent in seiner Amtsführung gesetzt. Auch Wulff hat im ersten halben Jahr als Bundespräsident zahlreiche Auslandsreisen unternommen. Deutschland werde "hoch geachtet", sagt Wulff in seiner Ansprache. Dies sei eine "beglückende Erfahrung" aus Begegnungen mit ausländischen Gästen in Berlin und auf seinen Reisen.
Einen besonderen Gruß richtet der Bundespräsident an Soldaten und Polizisten im Auslandseinsatz: "Wir sind in Gedanken bei Ihnen und Ihren Partnern, Ihren Kindern und Eltern, die Sie gerade in diesen Tagen besonders vermissen."
Die Ansprache wird am 25.Dezember um 19.08 Uhr im ZDF sowie um 20.10 Uhr in der ARD übertragen.
