Warnschussarrest:Zweifelhafte Helden hinter Gittern

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Die schwarz-gelben Innenpolitiker haben sich auf ein schärferes Jugendstrafrecht geeinigt. Experten warnen: Dieser Schuss kann nach hinten losgehen.

Thorsten Denkler

Es ist eine alte Idee der Familie Schäuble. Schon von neun Jahren forderte Thomas Schäuble, damals Innenminister in Baden-Württemberg, es müsse einen Warnschussarrest geben. Damals wollte er damit gegen Rechtsextreme vorgehen.

CDU, CSU und FDP haben sich in den Koalitionsverhandlungen auf ein schärferes Jugendstrafrecht geeinigt. Mit einem Warnschussarrest sollen Gewalttäter auf den rechten Pfad gebracht werden. (Foto: Foto: ddp)

Gestern hat sein Bruder Wolfgang das alte Familienprojekt ein gutes Stück vorangebracht. In der Arbeitsgruppe Innere Sicherheit bei den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und FDP haben sich die Unterhändler auf ein schärferes Jugendstrafrecht geeinigt.

Der Nachrichtenlage angepasst

Ergebnis: Die Jugendhöchststrafe für Mord wird von zehn auf 15 Jahre angehoben. Und es wird ein Warnschussarrest von mehreren Wochen eingeführt. Diesmal sollen damit nicht Rechtsextreme bekehrt, sondern jugendliche Gewalttäter auf den rechten Pfad gebracht werden.

Wie immer, wenn Strafgesetze verschärft werden, wird die Idee der jeweils aktuellen Nachrichtenlage angepasst. Diesmal muss der Mord in einer Münchner S-Bahn Mitte September dafür herhalten. Ein 50-jähriger Mann wurde von Jugendlichen getötet, weil er Kinder gegen deren Angriffe schützen wollte.

Ob sich die Täter allerdings von ihrer Tat hätten abbringen lassen, wenn sie gewusst hätten, dass sie dafür fünf Jahre länger im Bau landen können, wird von Fachleuten bestritten.

Erziehungsgedanke in den Mittelpunkt

Der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg, hält die Verschärfungen deshalb für "Symbolpolitik". Freiberg sagte zu sueddeutsche.de: "Wer den Glauben hat, dass sich damit etwas Gravierendes ändert bei der Jugendgewalt, der täuscht sich."

Das sehen auch die Richter so: Stefan Caspari, Präsidiumsmitglied im Deutschen Richterbund, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, im Jugendstrafrecht müsse der Erziehungsgedanke im Mittelpunkt stehen. Haftstrafen von mehr als zehn Jahren seien da "sehr problematisch". Von fünf Jahren mehr oder weniger ließen sich Täter "nicht beeindrucken", sagte Caspari.

Vom Warnschussarrest erwartet er noch weniger: "Die meisten Straftäter haben vor einer Bewährungsstrafe schon einen normalen Arrest verbüßt und hatten damit bereits einen Warnschuss."

Auf der nächsten Seite: Der Arrest kann auch gegenteilige Wirkungen haben - und Jugendlichen einen Heldenstatus in ihrem sozialen Umfeld bescheren.

Damit wäre eines der Kernziele bereits verfehlt. Der Warnschussarrest soll bei Jugendlichen eingesetzt werden, die mit einer Bewährungsstrafe davongekommen sind, also nicht ins Gefängnis müssen. Sie sollen als Abschreckung dennoch die harte Knastwirklichkeit vor Augen geführt bekommen.

Doch zur Bewährungsstrafe von mindestens einem halben Jahr kommt es überhaupt erst bei schweren Delikten. Die meisten Jugendlichen haben davor jedoch schon eine einschlägige Karriere hinter sich gebracht. Mindere Vergehen werden meist mit sogenannten Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel geahndet. Dazu gehören Unterbringung in ein Heim, Sozialstunden, Verwarnungen und auch Jugendarrest. Wer das hinter sich hat, den dürfte ein Warnschussarrest kaum noch beeindrucken.

Pädagogik kommt zu kurz

Hinzu kommt, dass viele Gefängnisse schon heute überfüllt sind. Auf einen Arrestplatz müssen manche Täter monatelang warten, was dem Prinzip der umgehenden Strafe kaum entgegenkommt.

Der Arrest kann auch eine gegenteilige Wirkung haben. Praktiker wie die Rechtsanwältin Angelika Bode aus Hannover glauben sogar, dass es im Regelfall nur einige Wenige gebe, denen so ein Arrest helfen könne. Dazu gehörten Jugendliche, die bis dahin noch nicht die Erfahrung gemacht hätten, Grenzen gesetzt zu bekommen, sagt Bode, die regelmäßig jugendliche Gewalttäter verteidigt.

"Der weitaus überwiegende Teil der jungen Straftäter aber wird sich im Jugendarrest erst mal beweisen müssen", sagt sie. Was sie dabei lernen, helfe sicher nicht, sie zu friedfertigen Menschen zu machen. Zumal im Kurzeitarrest der pädagogische Ansatz immer zu kurz komme. Die Jugendlichen würden dort lediglich "verwahrt".

Heldenstatus im Umfeld

Der Freiburger Kriminologe Helmut Kury gibt ihr Recht. Der Warnschussarrest habe keine abschreckende Wirkung, sagt er. Studien zeigten, dass Jugendliche im Warnschussarrest "genauso schnell wieder straffällig werden wie alle anderen". Oftmals verleihe ihnen diese Erfahrung sogar "einen Heldenstatus in ihrem Umfeld". Dann wachse die Bereitschaft zu Gewalt und Kriminalität.

Empört über die Koalitionspläne zeigt sich Nadine Bals, Geschäftsführerin der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen. "Ich kann nicht verstehen, wie Politiker jahrelange kriminologische Forschung einfach ignorieren", sagte sie zu sueddeutsche.de.

Ziel müsse sein, die Rückfälligkeit von jugendlichen Straftätern zu verringern. Das sei mit Arrest erwiesenermaßen nicht möglich. Das Jugendstrafrecht biete da weitaus bessere und unterm Strich günstigere Methoden an. Bals nennt etwa Täter-Opfer-Ausgleich und soziale Trainingskurse. "Verhinderung von Rückfälligkeit bedeutet Verhinderung von neuen Opfern". Bals hätte deshalb von Schwarz-Gelb und vor allem von der FDP eine "Kriminalpolitik mit mehr Augenmaß erwartet".

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