Wahl in den Niederlanden:Warum die Niederländer an einem Mittwoch wählen

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Die Niederlande wählen ihr Parlament schon seit 1918 an einem Mittwoch. (Foto: Getty Images)
  • In den Niederlanden finden am Mittwoch Parlamentswahlen statt.
  • Dieser Wochentag ist schon seit 1918 Wahltag. Wahlen an einem Sonntag wurden damals aus Rücksicht auf die protestantische Bevölkerung ausgeschlossen.
  • Heute ist es eher eine Tradition, die auch andere Religionen berücksichtigt.

Von Valentin Dornis

Für die Zukunft Europas werden am Mittwoch wichtige Weichen gestellt. Dann wählen die Niederlande ihr Parlament; den Wahlkampf dominierte der Streit zwischen pro- und antieuropäischen Parteien und über den Umgang mit Flüchtlingen und Muslimen. Der Ausgang der Abstimmung wird Signalwirkung auf weitere europäische Länder haben.

Doch warum findet diese wichtige Wahl ausgerechnet mitten in der Woche statt? Die Antwort ist: Religion, Tradition und Toleranz.

Die Niederlande haben eine lange protestantische Tradition. Während in Deutschland schon seit der Weimarer Republik an Sonn- und Feiertagen gewählt wird, wollen die Niederländer genau das vermeiden. Am Sonntag müssen die meisten Menschen nicht arbeiten, sie haben Zeit - und die sollen sie nicht für den Gang zur Wahlurne verwenden müssen.

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"Der Sonntag ist in der protestantischen Tradition ein Tag der Ruhe, ein Tag des Geistes", sagt der Niederländer Friso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien der Universität Münster.

Vor allem kleinere Parteien bestehen bis heute auf den Wahltag unter der Woche. Um ins Parlament zu kommen, benötigt man in den Niederlanden nur knapp 0,67 Prozent der Stimmen. Das ist eine Chance für die kleinen orthodox-protestantischen Parteien CU (Christen Union) und SGP (Reformierte Politische Partei). Aber an einem Sonntag könnten sie diese Chance wohl nicht so gut nutzen, da sie dann weniger Wähler mobilisieren könnten. Zusätzlich kommt das Engagement gegen einen Wahlsonntag bei den eigenen Anhängern gut an.

Doch dass seit 1918 unter der Woche gewählt wird, hat noch weitere Gründe, die ebenfalls einer niederländischen Tradition folgen: dem Liberalismus. "Wenn eine Minderheit berücksichtigt werden konnte, ohne andere einzuschränken, hat man das in den Niederlanden traditionell getan", sagt Ron de Jong, Historiker beim niederländischen Wahlrat ("Kiesraad"), einer Art Aufsichtsgremium für die Wahlen.

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Schließlich ist auch der Freitag in vielen Religionen ein wichtiger Tag. Das gilt für Muslime, die am Freitagsgebet teilnehmen wollen, und für Juden, für die an diesem Tag der Sabbat beginnt. Der geht bis Samstagabend. Der Sonntag ist dann den Christen heilig.

Auch der Montag fällt als Wahltag aus, weil dann das Wochenende zur Vorbereitung genutzt werden müsste. Es bleiben also Dienstag, Mittwoch und Donnerstag.

Die Parlamentswahlen finden genau in der Wochenmitte statt, Europawahlen gab es zuletzt an einem Donnerstag. International sind Wahlen an Wochentagen gar nicht so unüblich: Die USA wählen ihren Präsidenten dienstags, die Briten ihr Unterhaus donnerstags.

Die Wahlbeteiligung leidet nicht

Doch unter der Woche müssen die meisten Erwachsenen arbeiten, die Kinder in die Schule gebracht und Einkäufe erledigt werden. Bleibt da noch Zeit fürs Wählen? Auf jeden Fall, sagt Historiker de Jong: "Die Wahlbeteiligung lag in den vergangenen Jahren immer über 70 Prozent, teilweise sogar deutlich." Das ist ein vergleichbarer Wert zu Deutschland; hier lag die Wahlbeteiligung 2009 und 2013 jeweils knapp über 70 Prozent.

Möglich wird die hohe Wahlbeteiligung, weil den Niederländern das Wählen am Mittwoch möglichst einfach gemacht wird. Grundschulen schließen meist schon gegen Mittag, die Wahllokale machen um 7.30 Uhr auf und schließen erst um 21 Uhr. Und die Arbeitgeber zeigen sich hier entgegenkommend - zumal die Niederländer bei der Gestaltung der Arbeitszeit ohnehin schon weit flexibler sind als zum Beispiel die Deutschen. Arbeiten in Gleitzeit ist weit verbreitet, das Ende des Arbeitstages zum Beispiel lässt sich so leicht verschieben. "Nach dem Feierabend geht man eben noch kurz wählen. Das sind wir längst gewohnt", sagt Ron de Jong.

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