Wahl in Alabama:Trump verliert, Moore betet

  • Der Demokrat Doug Jones gewinnt die Senatoren-Nachwahl in Alabama gegen den Republikaner Roy Moore.
  • Er wird der erste demokratische Senator aus dem US-Bundesstaat seit 1997.
  • Moore wurde im Wahlkampf mit Vorwürfen konfrontiert, er habe in seinen 30ern Minderjährige bedrängt. Er erkennt seine Niederlage noch nicht an.

Von Thorsten Denkler, New York

Es dauert etwas, bis Roy Moores verbliebene Anhänger einstimmen in das Kirchenlied "Great is thy Faithfulness", Groß ist Deine Treue. Der Vorsänger oben auf der Bühne in Moores Wahlkampfzentrale in Montgomery, Alabama, muss auf seinem Smartphone den Text ablesen. "Kein Übel folgt mir, wenn Du nahe bist", heißt es in dem Lied. Für Moore dürfte das nicht zutreffen an diesem Abend. Noch beten sie hier, dass er diese Wahl gewinnen würde. Aber da haben CNN und Fox News längst seinen Gegner Doug Jones zum Sieger ausgerufen. Sie singen und beten weiter, als könnte Gott das drohende Unheil noch abwenden. Noch werden ja Stimmen ausgezählt. Ein Wunder muss also her.

Wenig später steht Roy Moore vor seinen Anhängern auf der Bühne. Er müsste jetzt eigentlich seine Niederlage erklären. Macht er aber nicht. Er will die Stimmen noch mal auszählen lassen. "Es ist nicht vorbei!", ruft er. Das Wahlergebnis müsse ja erst noch bestätigt werden. Und so lange "werden wir auf Gott hoffen". Das könne dauern, womöglich Tage. Dann geht er. Was für ein Abgang.

Jones hat mehr als 20 000 Stimmen Vorsprung

Von Montgomery aus hat der Republikaner eine wochenlange Abwehrschlacht geführt gegen all die Vorwürfe, er habe in seinen Dreißigern Minderjährige sexuell bedrängt. Ein Mädchen soll zu dem Zeitpunkt erst 14 Jahre alt gewesen sein. Moore, heute 70, bestreitet noch immer sämtliche Vorwürfe.

Auch wenn Moore es noch nicht wahrhaben will, er hat verloren. Und Doug Jones hat diese Nachwahl gewonnen. Nach letzten Zahlen setzte er sich in einer langen Wahlnacht mit 49,9 zu 48,4 Prozent durch. Knapp, aber auch nicht so knapp, dass es am Ergebnis etwas zu deuteln geben könnte. Jones hat mehr als 20 000 Stimmen Vorsprung. Es ist in den USA die größte politische Sensation des Jahres 2017. Jones wird Alabama als erster demokratischer Senator seit 1997 vertreten.

Auch Republikaner gratulieren

Jones muss mehrfach auflachen, als er weit vor Moore in seiner Wahlkampfzentrale in Birmingham an das Rednerpult tritt. "Darauf habe ich mein ganzes Leben gewartet", sagt er. "Ich bin überwältigt. Aber ich habe immer daran geglaubt, dass die Menschen von Alabama mehr eint als trennt."

Senator Bernie Sanders aus Vermont gratuliert auf Twitter: "Das ist nicht nur ein Sieg für Jones oder die Demokraten. Es ist ein Sieg der Gerechtigkeit und des Anstands." Der republikanische Senator und Trump-Kritiker Jeff Flake aus Arizona sagt es ähnlich: "Anstand gewinnt." Flake hatte im Wahlkampf offen zur Wahl von Jones aufgerufen.

Trump hat auf den falschen Mann gesetzt

Moores Niederlage ist vor allem auch ein großer Rückschlag für US-Präsident Donald Trump. Sogar seine zweite Niederlage in Alabama. Auf Druck führender Republikaner hatte er in den Vorwahlen im September deren Kandidaten und Interims-Senator Luther Strange unterstützt. Gewonnen aber hatte Roy Moore, der sich der Unterstützung von Trumps früherem Chefstrategen Steve Bannon und dessen Geldgebern sicher sein konnte. Und jetzt verliert sein Kandidat Moore, der Mann, den er gerne von Beginn an unterstützt hätte.

Wer weiß, was für ein schlechter Verlierer Trump ist, wird ahnen können, was an diesem Abend im Weißen Haus los war, von wo aus Trump die Wahl verfolgt hat. Trumps erste Reaktion auf den Rückschlag fiel allerdings vergleichsweise moderat aus. Er gratulierte Jones auf Twitter zu dem "hart erkämpften" Senats-Sitz: "Ein Sieg ist ein Sieg."

Ein knappes Rennen

Im Senat wird es für die Republikaner jetzt noch schwerer, strittige Projekte durchzusetzen. Aus der schon eh knappen Mehrheit von 52 zu 48 Stimmen wird eine noch knapperre 51-zu-49-Stimmen-Mehrheit. Die Senatoren sind traditionell deutlich unabhängiger als etwa Bundestagsabgeordnete. Trumps Versuch, die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama rückgängig zu machen, ist letztlich daran gescheitert, dass drei republikanische Senatoren dem Vorhaben nicht zustimmen wollten.

Am Nachmittag war in Alabama noch alles Ordnung. Da sitzt Moore noch auf seinem braun-weiß gescheckten Westernpferd, Cowboy-Hut auf dem Kopf. Er trabt zum Wahllokal in Gallant, eine Siedlung irgendwo mitten im Nirgendwo von Alabama. Zu dem Zeitpunkt war nur klar, dass es ein knappes Rennen werden würde. Wirklich beliebt war Moore in Alabama noch nie. In der Regel aber reicht es in Alabama seit mehr als 20 Jahren, auf dem Ticket der Republikaner anzutreten. Das war bisher so etwas wie eine Sieg-Garantie.

Steve Bannon unterstützte Moore

Dieser Abend muss wie ein Schlag für Moore sein. Verlieren passt nicht zu seinem Image als harter Hund. Hart gegen Immigranten, hart gegen Abtreibung, hart gegen Homosexuelle und verweichlichte Liberale und überhaupt alles, was ihm als ultrarechten Evangelikalen gegen den Strich gehen könnte. Er wedelt auch schon mal mit einem Colt auf einer Bühne herum, um seinen Standpunkt klarzumachen. Wohl auch deshalb will er seine Niederlage noch nicht wahrhaben.

Aber Moore hat sich überraschend rar gemacht in der Woche vor dieser denkwürdigen Wahl. Zwei Auftritte nur. Einen vor einer Woche in einer Kirche. Und am vergangenen Montag, flankiert von prominenten Unterstützern wie dem hartrechten Publizisten Steve Bannon, dem früheren Chefstrategen von US-Präsident Donald Trump. Als wenn Moore einen Schutzschild gebraucht hat. Einen, der all die Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs gegen ihn abwehrt und am besten vergessen macht. Geholfen hat es nicht.

Auch Republikaner forderten Moores Rückzug

Die Berichte über seine Übergriffe gegen Minderjährige sind detailliert. Wichtige Republikaner wie der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, haben gesagt, sie sähen keinen Grund, den Frauen nicht zu glauben, die Moore vorwerfen, sie sexuell missbraucht zu haben. Moore solle zurücktreten. Eine Forderung, der sich eine Reihe republikanischer Senatoren angeschlossen haben.

In vielen anderen Ländern der Welt wäre so ein Kandidat verbrannt. Nicht in Alabama. Nicht in den Trump-USA. Nicht, wenn es darum geht, den Republikanern im Senat einen knappen Vorsprung zu sichern. Vergangene Woche hat sich US-Präsident Donald Trump nach wochenlangem Zögern hinter Moore gestellt. Die Republikanische Partei hat danach die eingefrorene Wahlkampfhilfe für Moore wieder freigegeben. Und auch Mitch McConnell klang danach anders. Über Moore sollten jetzt die Wähler von Alabama entscheiden. Das haben sie getan.

Trump hat sich den Verlust des Sitzes selbst zuzuschreiben

McConnell dürfte über das Ergebnis nicht traurig sein. Es macht eine Debatte überflüssig, die sicher auf ihn zugekommen wäre. Hätte Moore gewonnen, hätten sich die Republikaner im Senat fragen lassen müssen, ob sie eine Untersuchung der Vorwürfe starten, ob sie notfalls bereit wären, Moore seines gerade gewonnenen Amtes zu entheben.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Trump sich den Verlust des Sitzes in Alabama selbst zuzuschreiben hat. Er hat Jeff Sessions zum Justizminister gemacht, der bis dahin Senator von Alabama war. Deswegen war überhaupt die Nachwahl nötig. Allerdings konnte damals niemand ahnen, dass die Demokraten in Alabama auch nur in die Nähe eines Sieges kommen würden. Zu allem Überfluss ist Trump mit Sessions alles andere als zufrieden. Er hält ihn für eine Fehlbesetzung, spätestens seit dieser zuließ, dass mit Robert Mueller ein Sonderermittler eingesetzt wurde, um die Russland-Affäre zu untersuchen.

Trumps große Steuerreform dürfte von der Wahl allerdings nicht betroffen sein. Jones wird voraussichtlich erst im Januar sein Amt antreten. Schon bis Weihnachten soll die Reform von Trump unterschrieben sein.

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