Wahl: Fälschungsvorwürfe:Haiti taumelt ins Polit-Chaos

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Erst das Beben, dann die Cholera, nun die Unruhen: Tausende zornige Demonstranten bezichtigen die Regierung, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gefälscht zu haben. Inzwischen gibt es erste Tote - die UN warnen vor "dramatischen Konsequenzen".

Haiti ist an diesem Sonntag erneut ins politische Chaos gestürzt: Wegen mutmaßlicher Behinderungen der Präsidenten- und Parlamentswahlen durch die Regierung forderten 13 Präsidentschaftskandidaten die Annullierung des Urnengangs. Tausende Menschen im ganzen Land folgten ihrem Aufruf und gingen gegen die Regierung des scheidenden Präsidenten René Préval auf die Straße. Sie warfen ihm vor, die Wahlen zugunsten seines Kandidaten Jude Celestin gefälscht zu haben.

Randale im Wahllokal: Haitianer werfen Wahlzettel durcheinander in Port-au-Prince (Foto: REUTERS)

Schon am Morgen öffneten viele Wahllokale erst mit mehreren Stunden Verspätung. Dort lagen dann vielfach Wählerlisten aus anderen Gebieten aus, so dass sich die Menschen darauf nicht zurechtfanden und folglich auch nicht wählen konnten.

Nach einem Bericht des Senders Radio Metropole stürmten aufgebrachte Bürger in Saint Marc und Gonaïve wutentbrannt die Wahllokale und vernichteten die Unterlagen. 13 Oppositionskandidaten, darunter die in Umfragen führende Mirlande Manigat, kritisierten in Port-au-Prince scharf die Regierung und forderten die Annullierung der Wahl.

Zwei weitere Kandidaten, der Unternehmer Charles Baker und der Musiker Michel Martelly, beteiligten sich an dem Protestzug, der sich im Vorort Pétionville am Nachmittag (Ortszeit) in Bewegung setzte. "Nehmt Préval fest!", riefen die erzürnten Demonstranten. Die Kandidaten hatten die Menschen zuvor aufgefordert, friedlich zu bleiben. In Aquin im Süden den Landes wurden bei Zusammenstößen zwischen Anhängern rivalisierender Kandidaten nach Polizeiangaben mindestens zwei Menschen getötet.

Der Provisorische Wahlrat von Haiti zeichnete ein anderes Bild als die Demonstranten. "Wegen schwieriger Bedingungen war es ein erfolgreicher Wahltag", sagte der Chef der Behörde, Gaillot Dorsinvil, vor der Presse in Port-au-Prince. Nach den Worten von Dorsinvil musste die Stimmabgabe in 56 der 1500 Wahlzentren wegen Unregelmäßigkeiten annulliert werden, das seien aber lediglich 3,5 Prozent des gesamten Stimmaufkommens gewesen. Der Generaldirektor des Provisorischen Wahlrats, Pierre Louis Opont, kündigte an, die Unregelmäßigkeiten in den betroffenen Wahllokalen würden "Fall für Fall" untersucht. Innerhalb der kommenden 72 Stunden sollten Entscheidungen gefällt werden.

Die UN-Mission Minustah äußerte sich am Abend besorgt über die Entwicklung und forderte die Menschen auf, Ruhe zu bewahren. Man warne vor "dramatischen Konsequenzen", sollte sich die Sicherheitslage in Haiti verschlechtern.

Die Abstimmung am Sonntag wurde auch von der Cholera-Epidemie überschattet, durch die seit Oktober mehr als 1600 Menschen starben. Der Karibikstaat leidet noch immer unter den Folgen des schweren Erdbebens vom Januar, bei dem im ärmsten Land in der westlichen Hemisphäre mehr als 250.000 Menschen ums Leben gekommen waren.

Erste Ergebnisse der Wahl werden für den 5. Dezember, die endgültige Stimmenverteilung für den 20. Dezember erwartet. Präsident René Préval durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

© dpa/AFP/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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