Vor Beginn der Koalitionsgespräche:CDU verschärft den Ton gegenüber SPD

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Hoffen auf Bundestagspräsident Lammert: Linke und Grüne sehen die Rechte der Opposition gefährdet (Foto: dpa)

Das erklärte Ziel: ein Bündnis. Doch kurz vor Beginn der Koalitionsverhandlungen mit der SPD signalisiert die Union wenig Kompromissbereitschaft. Linke und Grüne sehen die Rechte der Opposition gefährdet und hoffen auf Bundestagspräsident Lammert.

Die Entscheidung steht: Die SPD nimmt Koalitionsverhandlungen mit der Union auf, und zwar mit dem erklärten Ziel, ein Bündnis zu bilden. In der Phase der Sondierung hatten sich mehrere Unionspolitiker noch zu Zugeständnissen bereit gezeigt - so zum Beispiel CSU-Chef Horst Seehofer beim Mindestlohn. Doch das scheint jetzt vorbei.

Kurz vor Beginn der Verhandlungen am Mittwoch verschärft die Union ihre Tonlage gegenüber dem möglichen Regierungspartner. Mehrere führende CDU-Politiker forderten am Montag, dass der Koalitionsvertrag klar von der Position der Union als Siegerin der Bundestagswahl dominiert sein müsse.

"Deutlich ist auch, dass am Ende mehr CDU- und CSU-Handschrift aus einem Koalitionsvertrag rauskommen muss als SPD-Handschrift, denn das wollten der Wähler und die Wählerin auch so", mahnte etwa die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner vor der Sitzung des CDU-Präsidiums.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier betonte, dass die Union ihre Wähler nicht enttäuschen dürfe. "Das Wichtigste ist, dass wir nichts tun, das Arbeitsplätze gefährdet", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende.

Keine Kompromisse

Bereits am Sonntagabend hatte Unions-Fraktionschef Volker Kauder gesagt, dass die Union keine Kompromisse eingehen werde, die Beschäftigung gefährdeten. Zudem lehnte er eine Abschaffung des Betreuungsgeldes und die völlige Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften ab.

Allerdings gibt es auch innerhalb der Union Differenzen. So sprachen sich die beiden ostdeutschen CDU-Ministerpräsidenten Christine Lieberknecht ausThüringen und Rainer Haseloff aus Sachsen-Anhalt gegen eine Differenzierung des Mindestlohns nach West- und Ostdeutschland aus. Zuvor hatte etwa Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) mit Hinweis auf das große Lohngefälle an der deutsch-polnischen Grenze genau dafür plädiert.

Die SPD besteht als Grundlage für eine große Koalition auf einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro für Ost und West. Er ist auch Teil der zehn Kernforderungen, mit denen die Partei in die Koalitionsgespräche zieht.

Noch vor der Aufnahme der Koalitionsverhandlungen soll an diesem Dienstag eine gemeinsame Steuerungsgruppe von Union und SPD zusammenkommen. Ihr gehören die Generalsekretäre von CDU, CSU und SPD, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sowie ein weiterer Vertreter der SPD an, wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien mitteilte. An diesem Mittwoch um 12 Uhr soll sich dann eine größere Runde zum Auftakt der Koalitionsgespräche treffen. Dabei sollen Arbeitsgruppen eingesetzt werden.

Falls sich SPD und Union auf eine große Koalition einigen sollten, hätte die Opposition aus Linken und Grünen damit nur noch 20 Prozent der Sitze im Bundestag. Das Grundgesetz schreibt aber vor, dass für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses 25 Prozent der Stimmen notwendig sind. Dasselbe Quorum gilt für eine Klage zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen.

Linksfraktionschef Gregor Gysi schlägt deshalb eine Ergänzung des Grundgesetzes zur Stärkung der Oppositionsrechte im neuen Bundestag vor. Danach soll für die Wahrnehmung der Minderheitenrechte ein einstimmiges Votum der Oppositionsfraktionen ausreichen. Gysi rechnet mit baldigen Gesprächen zwischen den Fraktionen über die Oppositionsrechte. "Ich nehme an, dass der Bundestagspräsident nach der Konstituierung des Bundestags alle Fraktionsvorsitzenden einlädt und das bespricht", sagte er. Union und SPD haben sich schon bereiterklärt, die Oppositionsrechte zu stärken. Die Union will dafür aber nicht das Grundgesetz ändern.

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat nach den Worten von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi der Opposition Entgegenkommen signalisiert. Gysi sagte am Montag in Berlin, Lammert (CDU) habe zugesagt, dass im Falle einer großen Koalition der Umgang mit den Minderheitenrechten neu beraten werde. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte sich für Änderungen offen gezeigt. Er wandte sich allerdings gegen eine Änderung des Grundgesetzes, in dem ein Teil der Oppositionsrechte geregelt ist.

Auch die Grünen drängen auf Änderungen der bisherigen Regularien. Wegen der Regelung, dass die Redezeiten nach Fraktionsstärke festgelegt werden, drohten die Parlamentsdebatten zu "Selbstgesprächen der Regierungsvertreter" zu werden, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Nach der bisherigen Festlegung stünden Linken und Grüne pro Debattenstunde nur zwölf Minuten zur Verfügung.

Kritik an Vizepräsidentenposten für SPD und Union

Die Kritik aus den Reihen der Opposition wird auch wegen der Vizepräsidentenposten für den Bundestag immer lauter. Gysi warf Union und SPD Willkür vor, weil sie je zwei Posten der Stellvertreter des Bundestagspräsidenten beanspruchten. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion der Linken, Petra Sitte, bezeichnete die geplante Aufstockung der Zahl der Bundestagsvizepräsidenten zugunsten von Union und SPD als "Postenschieberei". "Das Ganze riecht nach einem Deal der künftigen großen Koalition." Sie vermute, dass dieser schon bei den Sondierungsgesprächen verabredet worden sei.

Auch die Grünen lehnen einen zweiten Stellvertreter-Posten für die SPD im Bundestagspräsidium ab. Vorgesehen sei, dass jede Fraktion einen Stellvertreter-Posten bekommen solle, sagte Katrin Göring-Eckardt.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier verteidigte dagegen die Übereinkunft mit der Union, dass beide Fraktionen künftig je zwei Stellvertreter des Bundestagspräsidenten stellen. "Ich finde schon, wenn man in Koalitionsverhandlungen geht, muss man darauf sehen - und das gehört zu einer selbstbewussten SPD -, dass sie einigermaßen auf Augenhöhe mit der Union vertreten ist, auch im Präsidium des Deutschen Bundestages".

Kandidaten für Posten der Vizepräsidenten

Die SPD bestimmte die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vom geschäftsführenden Fraktionsvorstand als Kandidatin. Für den zweiten Posten wird die frühere Bildungsministerin Edelgard Bulmahn kandidieren. In einer Kampfkandidatur setzte sie sich mit 101 Stimmen klar gegen die Abgeordneten Gernot Erler (45 Stimmen) und Petra Ernstberger (35 Stimmen) durch.

Der Vorstand der Unionsfraktion im Bundestag nominierte Peter Hintze, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, als Kandidanten. Der frühere CDU-Generalsekretär sei per Akklamation bestimmt worden. Außerdem hatte die Union Norbert Lammert (CDU) als Präsidenten und Johannes Singhammer (CSU) als Vizepräsidenten aufgestellt. Die Grünen schicken Claudia Roth ins Rennen, die Linke Petra Pau.

Traditionell stellt die stärkste Fraktion den Präsidenten. An diesem Dienstag wird das Bundestagspräsidium in der konstituierenden Sitzung des Parlaments gewählt.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/AFP/gal/dayk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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