Afghanistan:Anschläge während de Maizières Besuch

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Verteidigungsminister de Maizière ist zu Gesprächen in die Hauptstadt Kabul gereist. Auch US-Verteidigungsminister Panetta traf zu einem nicht angekündigten Besuch in Afghanistan ein. Die Situation in dem Land ist nach dem Massaker eines US-Soldaten an einheimischen Zivilisten angespannt - während der Visite der ausländischen Minister kommt es zu Anschlägen.

Während der Besuche von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière und US-Verteidigungsminister Leon Panetta in Afghanistan ist es dort zu zwei Bombenanschlägen mit mehreren Toten gekommen. Die Besuche der ausländischen Minister finden nur wenige Tage nach dem Amoklauf eines US-Soldaten statt, der 16 Zivilisten tötete, darunter neun Kinder. Die Stimmung in Afghanistan ist daher derzeit sehr angespannt.

Bei einer Bombenexplosion im Süden des Landes sind am Mittwoch acht Zivilisten getötet worden. Wie ein örtlicher Behördensprecher mitteilte, ereignete sich der Anschlag auf einer Straße in der Provinz Helmand in der Nähe des US-Militärlagers Camp Bastion, wo Panetta am Morgen zu einem unangekündigten Besuch eingetroffen war. Demnach explodierte der Sprengsatz, als ein Kleinbus die Straße passierte. Bei einem weiteren Anschlag mit einer an einem Motorrad befestigten Bombe in der Stadt Kandahar starb mindestens ein Mensch, zwei weitere wurden verletzt. Alle drei waren Geheimdienstmitarbeiter.

Panettas Besuch war nach Angaben aus Washington bereits vor der Bluttat vom Wochenende geplant gewesen. Aus afghanischen Regierungskreisen hieß es, Panetta werde bei seiner zweitägigen Visite mit Präsident Hamid Karsai und Verteidigungsminister Rahim Wardak zusammenkommen.

De Maizière traf die beiden afghanischen Politiker am Mittwoch zu Gesprächen in Kabul. Nach dem Treffen sagte de Maizière, dass Deutschland und Afghanistan ihre Zusammenarbeit nach dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes 2014 fortsetzen wollen. Die Bedingungen dafür sollen bald in einem umfassenden Partnerschaftsabkommen geregelt werden. Die Vereinbarung werde alle Felder der Politik erfassen und in naher Zukunft fertiggestellt, sagte der Minister. Militärische Hilfe etwa bei der Ausbildung afghanischer Soldaten soll nicht Teil des Abkommens sein, sondern im Nato-Verbund geregelt werden.

Der afghanische Verteidigungsminister Wardak verurteilte das Massaker des US-Soldaten, machte aber deutlich, dass er nicht von einer dauerhaften Belastung des Verhältnisses zu den USA ausgeht. De Maizière sprach den betroffenen Familien sein Beileid aus. Er kritisierte auch die Koranverbrennungen durch US-Soldaten im Februar, die tagelange Unruhen ausgelöst hatten.

Gleichzeitig drang er darauf, dass die afghanische Armee Maßnahmen gegen Angriffe aus ihren Reihen auf Verbündete ergreift. "Die Missachtung religiöser Symbole durch Isaf und der schreckliche Amoklauf treffen die Afghanen ins Herz", sagte de Maizière. "Ein Anschlag durch Innen-Täter auf uns trifft uns ins Herz, und deswegen muss beides verhindert werden." Wardak versicherte de Maizière, alles zu tun, um Angriffe afghanischer Soldaten oder Polizisten auf Isaf-Verbündete zu unterbinden. De Maizière sagte, die Zusage Wardaks sei für ihn eine "ganz wichtige Botschaft".

Proteste nach Amoklauf

Gegen den beschuldigten US-Soldaten ist inzwischen offiziell Tatverdacht festgestellt worden. Eine entsprechende 48-stündige Prüfung sei abgeschlossen worden, teilte US-Militärsprecher Gary Kolb am Dienstag in Kabul mit. Der Verdächtige bleibe in Untersuchungshaft. Es soll es sich um einen 38-jährigen Stabsunteroffizier handeln, der seit Dezember in Afghanistan Dienst tat. Zuvor nahm er den Angaben zufolge an drei Einsätzen im Irak teil.

Die Ermittler untersuchten auch, ob bei der Tat Alkohol im Spiel gewesen sei, hieß es aus Militärkreisen. Nach den Einsatzregeln der US-Streitkräfte ist Soldaten in Kriegsgebieten sowohl der Besitz als auch der Konsum alkoholischer Getränke untersagt.

Die Bluttat hatte in Afghanistan Unruhen ausgelöst. In Dschalalabad gingen am Dienstag Hunderte von Demonstranten auf die Straße und skandierten "Tod für Amerika". Am Ort des Amoklaufs wurde eine Regierungsdelegation von Aufständischen angegriffen. Die Taliban kündigten Rache an.

De Maizière hatte vor Kabul in Pakistan und Usbekistan Station gemacht, den aus deutscher Sicht wichtigsten Nachbarländern Afghanistans. Vom usbekischen Stützpunkt Termes aus wird die Bundeswehrtruppe auf dem Luftweg versorgt. In den nächsten Jahren soll durch das zentralasiatische Land ein Teil der Abzugs-Karawane rollen. Der Atommacht Pakistan, die als Rückzugsraum und Operationsbasis der afghanischen Aufständischen gilt, wird eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung Afghanistans beigemessen.

Die Reise des Verteidigungsministers dient auch der Vorbereitung des Nato-Gipfels im Mai , bei dem in Chicago die Weichen für die Zeit nach dem internationalen Kampfeinsatz 2014 gestellt werden sollen. De Maizière hatte zuvor deutlich gemacht, dass er an dem Abzugstermin festgehalten werde. Äußerungen Merkels dazu hatten am Montag vorübergehend für Verwirrung gesorgt.

© AFP/dpa/dapd/gal/fran - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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