Verschleppung von Terrorverdächtigen unter Barack Obama:Fünf Monate ohne jede Spur

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Mahdi Hashi verschwand in Afrika. Ohne jede Spur. Das war im Sommer 2012. Nun ist er in einem New Yorker Gericht wieder aufgetaucht. Wie er dorthin kam, ist unklar. Der Fall legt nahe, dass die USA auch unter Barack Obama das Programm zur Entführung Terrorverdächtiger fortsetzen.

Von John Goetz und Frederik Obermaier

Mahdi Hashi verschwand im Sommer 2012: Er schickte keine Mails mehr an seine Eltern in London, er reagierte nicht mehr auf ihre Anrufe. Hashi war weg, seine Spur verlor sich in Somalia, dem ostafrikanischen Bürgerkriegsland, in dem er geboren wurde. Erst Wochen später berichtete ein ehemaliger Mithäftling seinen Eltern, dass er ihren Sohn gesehen habe: in einem berüchtigten Gefängnis in Dschibuti, dem Nachbarland von Somalia. Hashi sei dort von Amerikanern misshandelt worden. Detaillierter wurde er zunächst nicht.

Nun ist Hashi wieder aufgetaucht: Zusammen mit zwei schwedischen Staatsbürgern wurde der junge Mann mit dem markanten Kinnbart Ende Dezember einem Gericht in New York vorgeführt.

Wie er von Afrika nach Amerika gelangte, ist unklar. Es gibt Hinweise, dass er von US-Agenten entführt wurde. Kritiker und auch ein Anwalt der Familie sehen darin den Beweis, dass Präsident Barack Obama sein Wort gebrochen hat und das umstrittene Verschleppungsprogramm der Vorgängerregierung unter George W. Bush fortsetzt.

Was passierte in den fünf Monaten des Verschwindens?

Das zuständige Gericht sowie die Bundespolizei FBI teilten lediglich mit, Hashi und den beiden anderen Männern werde vorgeworfen, Mitglieder der somalischen Islamistenmiliz al-Shabaab zu sein. Zwischen Dezember 2008 und August 2012 hätten sie an mehreren Schulungen für Selbstmordattentäter teilgenommen.

Anfang August seien sie von "örtlichen Behörden in Afrika auf dem Weg nach Jemen" festgenommen und am 14. November von FBI-Agenten in Gewahrsam genommen wurden - in welchem Land und von wem genau, wollten die US-Behörden zunächst nicht sagen. Hashis Familie bestreitet, dass ihr Sohn ein Terrorist ist, er habe in Somalia lediglich Verwandte besucht.

Es bleiben viele Fragen. Denn zwischen dem Verschwinden Hashis und dem plötzlichen Auftauchen in einem Gerichtssaal im New Yorker Stadtteil Brooklyn liegen fünf Monate. Was ist in der Zwischenzeit passiert? Wer hat Hashi und die beiden anderen Männer festgenommen und vernommen? Afrikaner oder Amerikaner? Wurden sie auf dem US-Stützpunkt Camp Lemonnier in Dschibuti festgehalten, der früher schon als Drehscheibe für geheime Gefangenenüberstellungen diente?

Unter der Regierung von Obamas republikanischem Vorgänger George W. Bush fanden solche Aktionen regelmäßig statt. Weltweit entführten Agenten der CIA Terrorverdächtige, verbanden ihnen die Augen, knebelten sie und flogen sie etwa nach Ägypten, Syrien oder Afghanistan, Länder also mit einer mehr als zweifelhaften Auffassung von Menschenrechten.

Dort, so der Vorwurf, den auch der Europarat erhebt, ließen sie die Gefangenen von den jeweiligen Geheimdiensten verhören, in vielen Fällen auch foltern. Der Deutsch-Libanese Khaled el-Masri etwa wurde Ende 2003 in Mazedonien aus einem Reisebus geholt und nach Afghanistan gebracht. Als sich Monate später herausstellte, dass er unschuldig war, wurde er in Albanien auf einem Feld ausgesetzt.

Obama hatte ein Ende der Folter versprochen

Eigentlich müsste mittlerweile alles anders sein: Im Wahlkampf hatte der studierte Verfassungsrechtler Obama einst versprochen, die Verschleppung und Folter Terrorverdächtiger zu stoppen - ebenso wie er das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba schließen wollte. Die erste Amtszeit Obamas ist mittlerweile fast vorüber, in wenigen Tagen beginnt seine zweite.

In Guantanamo aber sitzen noch immer Dutzende Häftlinge, und Menschenrechtsorganisationen fürchten nun, dass Obama auch die Praxis der sogenannten Renditions, also der illegalen Auslieferungen, fortführt. "Das Programm wird unter Obama in einer Weise fortgesetzt, wie sich das keiner hätte träumen lassen", sagte Clara Gutteridge von der britischen Nichtregierungsorganisation Equal Justice Forum der Süddeutschen Zeitung.

Im Vergleich zu früher hat sich zumindest eines aber geändert: Hashi verschwand zwar, aber am Ende landete er in den USA vor einem ordentlichen Gericht. Laut Menschenrechtlern sei es aber wohl kein Zufall, dass die Regierung Großbritanniens Mahdi Hashi im Juni die Staatsbürgerschaft aberkannte. Wenige Tage später verschwand er. Kein Staat fühlte sich mehr für ihn zuständig.

© SZ vom 05.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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