Venezuela:Rote Kleptomanen

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So leer die Supermarkt-Regale, so voll sind die Auslandskonten der Mächtigen. Mossfon stellte augenscheinlich dafür maßgeschneiderte Strukturen dafür bereit.

Von Boris Herrmann

Das Wort "Venezuela" taucht in den Panama Papers in rund 241 000 Dokumenten auf. Offensichtlich haben in dem (der Form nach) sozialistischen Ölstaat besonders viele reiche und einflussreiche Menschen etwas zu verstecken. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Noch unter dem 2013 verstorbenen Revolutionsführer Hugo Chávez, dem Helden der kleinen Leute, ist in der Bolivarischen Republik Venezuela eine neureiche Klasse von Günstlingen entstanden. Man nennt sie die "Boliburguesía", die Bourgeoisie unter dem Deckmantel der bolivarischen Revolution.

Die geleakten Papiere aus der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca geben nun einen Einblick, wie diese Kleptomanen mit roten Mützen das Land in den zurückliegenden anderthalb Jahrzehnten ausgenommen haben. Venezuela ist ein Land, das fast im eigenen Erdöl ersäuft, in dem das einfache Volk aber stundenlang Schlange stehen muss, um eine Flasche Sonnenblumenöl zu kaufen. So leer die Supermarktregale sind, so voll sind offenbar die Auslandskonten der politischen Eliten.

Die jetzt enthüllten Dokumente zeigen, dass der panamaische Offshore Provider Mossack Fonseca (Mossfon) diesen Eliten augenscheinlich maßgeschneiderte Strukturen bereitstellte, mit denen diese Millionen aus dem Erdölgeschäft diskret im Ausland geparkt werden konnten. Beispielhaft steht dafür der Fall von Adrián José Velásquez Figueroa, ehemaliger Kapitän der venezolanischen Armee und vor allem: einstiger Sicherheitschef von Hugo Chávez.

Velásquez Figueroa, genannt "El Capitán Guarapiche", eröffnete am 18. April 2013 ausweislich der Panama Papers über Mossfon eine Firma namens Bleckner Associates Limited. Startkapital 50 000 Dollar, Firmensitz Seychellen. Vier Tage zuvor hatte Nicolás Maduro knapp die Präsidentschaftswahlen um die Nachfolge des verstorbenen Chávez gewonnen.

Bleckner Associates treibt keinerlei Handel. Das geht aus einer E-Mail hervor, die am 2. Dezember 2014 bei Mossack Fonseca einging. Sie stammt von der Schweizer Firma V3 Capital Partners LLC, die das Vermögen von Velásquez Figueroa, 36, verwaltet. Da hat sich einiges angesammelt, unter anderem ein Luxusanwesen in der Dominikanischen Republik, wo Velásquez Figueroa und seine Frau regelmäßig einfliegen.

Ende 2014 lag der monatliche Durchschnittslohn eines mittleren venezolanischen Militärangestellten bei etwa 10 000 Bolívares - weniger als 170 Dollar zum damaligen Schwarzmarktkurs.

Die wundersame Geldvermehrung der Elite verläuft traditionell über den staatlich kontrollierten Wechselkurs. Nur engen Freunden des Systems ist es offenbar gestattet, zu einem grotesk überbewerteten Kurs Dollars zu kaufen, die der Staat ausgibt. Später werden die Devisen dann zu Schwarzmarktpreisen wieder zurückgetauscht. Ende 2014 ließ sich so in Windeseile ein Monatslohn verzehnfachen. Inzwischen gibt es sogar mehr als das Hundertfache. Seine 10 000 Bolívares Monatslohn könnte Figueroa heute beim Staat für 1000 Dollar eintauschen, wofür er auf dem Schwarzmarkt über eine Million Bolívares bekäme. Auch das erklärt, weshalb Leute wie er Vermögensverwalter brauchen, die sich mit Briefkastenfirmen auskennen.

Weder Figueroa noch seine Frau wollten sich zu den Vorwürfen äußern.

Seit Chávez 1999 an die Macht gelangte, müssten nach Schätzung von Wirtschaftsexperten mindestens eine Billion Dollar aus dem Ölexport nach Venezuela geflossen sein. Wenn man aber heute durch Caracas fährt, die Stadt mit der weltweit höchsten Mordrate, den längsten Supermarktschlangen und den wohl meisten Bau-Ruinen, fragt man sich: Wo ist das Geld?

Die Antwort liegt in den Daten. Bereits im Zuge von Swiss-Leaks deutete sich an, dass die Führungsriege der Sozialistischen Partei PSUV zu den treuesten Kunden bei schweizerischen Banken gehört. Venezuelas Eliten haben in den vergangenen Jahren vieles von dem vergeudet, was dieses Land an Reichtum besitzt - und den Rest haben sie wohl veruntreut. Auch mithilfe von Mossack Fonseca.

© SZ vom 08.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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