USA:Trump-Sprecher: Ein ziemlich harter Job

In der Premieren-Pressekonferenz betont Sean Spicer: "Wir haben vor, Sie nie anzulügen." Dass sich der Politprofi widerspricht, liegt an der Schwierigkeit, Donald Trump zu erklären.

Von Matthias Kolb, Washington

Sean Spicer weiß, was auf ihn zukommt, als er den Presseraum im Weißen Haus betritt. Die erste Pressekonferenz beginnt mit Verspätung und Spicer sagt selbstironisch: "Ihr habt meinen Vorgänger Josh Earnest zum beliebtesten Regierungssprecher gewählt." Er habe Earnest kontaktiert und ihm versichert, dass sein Titel nicht in Gefahr sei, "zumindest in den kommenden Tagen".

Diese Einschätzung stimmt. Das Verhältnis von Donald Trump und seinem Team zu den Medien war stets angespannt: Im Wahlkampf galten Reporter als Feinde, seit der Amtsübergabe spricht der neue US-Präsident von einem "offenen Krieg". Am Samstag hatte Trump Journalisten vorgeworfen, bewusst über die Besucherzahlen bei der Amtseinführung zu lügen - und Spicer setzte später in einer Wutrede einen drauf. Seinen Satz "Wir werden die Medien zur Rechenschaft ziehen" haben die Reporter und viele Bürger ebenso wenig vergessen wie die ziemlich unverfrorene Aussage von Trump-Beraterin Kellyanne Conway, Spicer haben "alternative Fakten" präsentiert.

Die Ex-Wahlkampfmanagerin Conway beobachtet vom Rand aus den Auftritt von Spicer. Dieser erklärt den Ausstieg aus dem TPP-Freihandelsabkommen und referiert Trumps Arbeitstag. Nach 30 Minuten wird es endlich ernst. Jonathan Karl von ABC erkundigt sich bei Spicer: "Haben Sie vor, immer die Wahrheit zu sagen?" Der 45-Jährige betont, welch große Ehre es sei, diesen Job machen zu dürfen und sagt: "Wir haben vor, Sie nie anzulügen." Viele Reporter werten dies als eine Art Friedensangebot.

Trump findet die Presseberichte "frustrierend" und "demoralisierend"

Doch Sprecher Spicer setzt nach: Dies müsse aber für beide Seiten gelten. Laufend geht es im Brady Briefing Room um die Zuschauerzahlen. Ja, er habe am Samstag falsche Zahlen über die U-Bahn-Fahrten präsentiert, die an den Tagen von Trumps und Obamas Amtseinführungen in Washington gemacht wurden, so Spicer. Dies sei keine Absicht gewesen. Er stehe zur Aussage, dass nie zuvor mehr Menschen eine Inauguration verfolgt hätten - und rechtfertigt dies mit Dutzenden Millionen Menschen, die per Live-Stream auf Mobilgeräten dabei waren (wieso dies ein "Birnen mit Äpfel"-Vergleich ist, erklärt Politico).

Mit Jim Acosta bohrt jener CNN-Reporter, dem Trump Mitte Januar eine Frage verweigert hatte, nach: Warum hat sich der US-Präsident entschlossen, so viel über Besucherzahlen zu reden? Und warum musste es im CIA-Hauptquartier sein, vor der Erinnerungsmauer für getötete Agenten? Spicer erklärt dies mit dem großen Frust im Trump-Team darüber, dass die Medien ständig das Ausmaß der Unterstützung herunterspielen würden. "Das ist ein Dauerthema, es ist demoralisierend zu hören, dass alles falsch sei", sagt Spicer. Erneut wirft der Sprecher den Medien vor, die Glaubwürdigkeit des neuen Präsidenten untergraben zu wollen und betont die großen persönlichen Opfer Trumps.

Viele Reporter kennen Sean Spicer seit Jahren

Ob dieser Frust bei Trump angemessen ist, der Journalisten regelmäßig als "unehrlich" oder "Abschaum" attackiert, kann jeder selbst beurteilen. Dieser Auftritt macht jedoch deutlich, wieso der Republikaner Sean Spicer für den Posten des Regierungssprechers ausgewählt hat - und warum es viele Journalisten als "gutes Zeichen" werteten, als diese Personalie im Dezember verkündet wurde. "Auch wenn Spicer kämpferisch und angriffslustig ist und auf Twitter gerne Medien und Reporter kritisiert, so ist er doch ein Veteran unter Washingtons PR-Experten", schrieb etwa der Medienkolumnist von CNN.

Spicer war sechs Jahre lang Kommunikationsdirektor des Republican National Committee und weiß genau, wie man eine konservative Botschaft verkauft. Also betont er, dass Trump ein "Pro-Life"-Präsident sein werde - deswegen unternehme er Schritte, um die Zahl der Abtreibungen zu reduzieren. Trump werde ein listening president sein und daher habe er sowohl Gewerkschaftsführern als auch Spitzenvertretern der Wirtschaft an diesem Montag zugehört, welche Anliegen sie haben. Dass Spicer unangenehme Fragen nicht beantwortet ("Schließen Sie aus, dass die USA keine Soldaten in den Irak schicken, um Ölfelder zu besetzen?"), das ist üblich.

Natürlich weiß Spicer, wie sein Boss über die Journalisten denkt und dass dieser nie Entschuldigungen ausspricht. Und der Fall vom Samstag, als fälschlicherweise verbreitet wurde, dass die Büste von Martin Luther King aus Trumps Büro verschwunden sei, ist ideal, um die Medien an ihre Verantwortung zu erinnern - und Zweifel an deren Arbeitspraxis zu streuen. Dass die entsprechenden E-Mails und Tweets ein Fehler waren, leugnen weder der Reporter noch die Washingtoner Politpresse - und Spicer hatte eine entsprechende Entschuldigung akzeptiert. Doch zum amerikanischen Polit-Alltag gehört es, dass diese Tatsache etwa bei Fox News ignoriert wird.

Wie Trumps Zitate seinem Sprecher die Arbeit erschweren

Dass Sean Spicer einen der schwersten Jobs in Washington hat, wird niemand bestreiten. Sein Chef Donald Trump hat sich zu fast jedem Thema auf vielfältige Art geäußert, weshalb ihm oft gegensätzliche Zitate vorgehalten werden. Der neue US-Präsident ist nicht nur bei Twitter sehr aktiv, sondern auch impulsiv. David Fahrentholdt, preisgekrönter Reporter der Washington Post, formulierte es im SZ-Gespräch Anfang Januar so:

"Früher konnte man davon ausgehen, dass der US-Präsident sich bemüht, alle Fakten zu prüfen, bevor er sich öffentlich äußert. Trump macht das nicht. Bisher gab es stets ein Team an Pressesprechern, die uns Journalisten etwas erklären und Details liefern konnten. Trumps Leute wissen oft nicht mehr als das, was ihr Boss gesagt hat. Es gibt kein Positionspapier, das seine Berater verfasst haben: Trump sagt, was ihm gerade durch den Kopf geht."

Nun ist Trump nicht mehr Kandidat, sondern Präsident und erhält womöglich bald exakte Zahlen oder nutzt öfter den Teleprompter. Für Spicer ist es schwer, Trump-Skeptiker mit seiner Medienkritik zu überzeugen, wenn sein Chef die Argumente kaputt macht. Spicer hat recht: Die Behauptung, Trump habe die Büste des Bürgerrechtlers Martin Luther King entfernt, sorgte gerade unter Afroamerikanern für Entsetzen und daher hätte der Reporter sich dies bestätigen lassen müssen.

Kritik des Trump-Teams ist mitunter fragwürdig

Doch der Vorwurf, so etwas sei "unsensibel" und verschlechtere das Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen, klingt unglaubwürdig, wenn man sich an Trumps Karriere als Ober-Birther erinnert. Seine Polit-Karriere begann damit, die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaft von Barack Obama zu untergraben.

Dass Spicer Dutzende Fragen geduldig beantwortet hat, ist auf alle Fälle ein gutes Zeichen. Der Präsidentensprecher machte auch klar, dass die US-Botschaft in Israel nicht so schnell von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt werden wird und dass es keine Priorität für Trump sei, die jungen Dreamer schnell abzuschieben. So werden jene jungen Menschen genannt, die als Kinder mit ihren Eltern illegal eingereist sind und denen Obama ein Aufenthaltsrecht gewährte.

In die laufenden Ermittlungen der US-Geheimdienste gegen Trumps Sicherheitsberater Michael Flynn werde sich das Weiße Haus nicht einmischen, so Spicer. Der umstrittene Ex-General Flynn hatte Kontakte nach Russland, was die Aufmerksamkeit der Spionageabwehr auf sich zog.

Bald soll es "Skype-Sitze" geben - für mehr Vielfalt

Und weil Trump und sein Team genau wissen, wie sie ihr Außenseiter-Image pflegen, wird eine Neuerung für das Pressebriefing verkündet: Künftig soll es vier "Skype-Sitze" für Journalisten geben, die weiter als 50 Meilen entfernt wohnen und sich kein Büro in Washington leisten können. So soll die Gruppe der Journalisten, die Fragen stellen, vielfältiger werden.

Dass die Pressekonferenzen während der Amtszeit von Donald Trump interessanter sein werden als unter Barack Obama, scheint klar. Eine andere, ziemlich umstrittene Entscheidung der neuen Pressestelle dürfte dazu beitragen: Der Gründer von Gateway Pundit freut sich, dass seine Website Zugang zum Weißen Haus erhält. Dies ist bedenklich, denn auf dieser Seite wurden vor der Wahl Dutzende erfundene Artikel veröffentlicht und die Autoren sind stolz, keine Journalisten zu sein. Die Wahrheit könnte es mitunter schwer haben im Presseraum des Weißen Hauses.

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