USA:Machtkampf im Weißen Haus: Unverschämt gewinnt

Anthony Scaramucci

Anthony Scaramucci, der designierte Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, spricht mit Reportern.

(Foto: AP)
  • Der zukünftige Kommunikationsdirektor Scaramucci attackiert Stabschef Priebus wegen eines Leaks, das keines ist.
  • Justizminister Sessions hält trotz zahlreicher Angriffe von Trump vorerst noch die Stellung.
  • Auch andere Trump-Mitarbeiter müssen um ihren Job bangen.

Von Beate Wild

Der Machtzirkel rund um US-Präsident Donald Trump ist wieder einmal in Aufruhr. Vor einer Woche warf Pressesprecher Sean Spicer hin. Nun stehen mit Trumps Stabschef Reince Priebus und Justizminister Jeff Sessions zwei weitere Mitarbeiter auf der Kippe.

Anthony Scaramucci, vor einer Woche zum künftigen Kommunikationsdirektor der Trump-Regierung ernannt, agiert dabei in Sachen Priebus wie ein Berserker. Der Stabschef wusste offensichtlich genau, warum er die Ernennung des Wall-Street-Bankers verhindern wollte. Hatte Scaramucci anfangs noch seine lange Verbundenheit mit Priebus gepriesen, ist er bereits nach wenigen Tagen zu offenen Provokationen, Feindseligkeiten und Demütigungen übergegangen.

Es begann mit einigen Tweets am Mittwochabend, führte über Beschuldigungen in einem Live-Interview auf CNN und gipfelt vorläufig in dem, was nun der Journalist Ryan Lizza auf der Online-Seite des New Yorker schildert.

Scaramucci hatte Lizza am Mittwoch eigentlich angerufen, weil der Journalist die Teilnehmer eines Abendessens bei Trump verraten hatte. Im Laufe des Gesprächs nahm er dann jedoch Priebus ins Visier, den er als "fucking paranoid schizophrenic" ("verdammter paranoider Schizophrener") bezeichnete und prophezeite: "Er wird sehr bald gebeten werden zurückzutreten."

Scaramucci: "Zwei Fische stinken nicht: Ich und der Präsident"

Offizieller Anlass für Scaramuccis Wut ist ein Leak, das keines ist. Die Nachrichtenseite Politico hatte Informationen über die persönlichen Finanzen des 53-Jährigen veröffentlicht - die muss jeder Mitarbeiter der Regierung angeben, wenn er einen Job antritt. Scaramucci beschuldigte via Twitter Priebus, die Informationen weitergegeben zu haben. Er schrieb sogar von einem "schweren Verbrechen". Er werde das FBI und das Justizministerium informieren. Später löschte er den Tweet.

Scaramuccis Finanz-Informationen müssen allerdings 30 Tage nach Abgabe ohnehin der Öffentlichkeit auf Anfrage mitgeteilt werden. Das Dokument stammt vom 23. Juni, die Rückhaltefrist ist somit verstrichen. Von einer Straftat kann also keine Rede sein.

Während Priebus öffentlich dementierte, ein "Leaker" zu sein, setzte Scaramucci am Donnerstagmorgen bei CNN nach. "Der Fisch stinkt vom Kopf", erklärte er, ohne Priebus mit Namen zu nennen. "Ich kann Ihnen aber sagen, dass zwei Fische nicht stinken: Ich und der Präsident", sagte Trumps künftiger Kommunikationsdirektor.

Vulgäre Wortwahl

Hatte er vergangenen Freitag noch von einer "brüderlichen Beziehung" gesprochen, verglich er sein Verhältnis zu Priebus nun mit dem zwischen den biblischen Brüdern Kain und Abel. Deren Konflikt endete bekanntlich mit einem Mord.

Priebus galt bereits vor Scaramuccis Antritt als angeschlagen. Er verkörpert die Republikanische Partei, also das Establishment. Zudem wird ihm intern die Verantwortung für die fehlenden Erfolge des US-Präsidenten und die zahlreichen Indiskretionen und Leaks aus dem Weißen Haus gegeben. Nur durch die Ankündigung des Rauswurfs hat Scaramucci Michael Short, Mitarbeiter der Presseabteilung und einer der wenigen verbliebenen Priebus-Vertrauten, bereits dazu gebracht, selbst das Handtuch zu werfen.

Neben Priebus hatte auch Trumps Chefberater Stephen Bannon die Einstellung Scaramuccis zu verhindern versucht. Im Gespräch mit dem New Yorker erst einmal so richtig in Fahrt, hatte er auch für den ehemaligen Breitbart-Chef einige Worte parat: "Ich versuche nicht meinen eigenen Schwanz zu lutschen. Ich versuche nicht meine eigene Marke auf der verdammten Stärke des Präsidenten aufzubauen. Ich bin hier, um den Land zu dienen." Später entschuldigte sich Scaramucci für seine "farbenfrohe Wortwahl" auf Twitter.

Trump ist bekannt dafür, Hahnenkämpfen zwischen seinen Mitarbeitern mit Genuss beizuwohnen. Scaramucci erscheint als williger Erfüllungsgehilfe, den in Ungnade gefallenen Priebus brutal und in aller Öffentlichkeit zu demontieren.

Bei Sessions legt Trump selbst Hand an

Im Falle von Justizminister Jeff Sessions dagegen legt Trump selbst Hand an. Seit einigen Tagen lanciert Trump via Twitter, in Interviews und bei Pressekonferenzen Attacken ausgerechnet gegen den Mann ("schwach", "enttäuscht mich", "unfair"), der ihn auf seinem Weg ins Weiße Haus als einer der Ersten unterstützt hatte (Details zu den Angriffen auf Sessions: hier). Hintergrund ist, dass sich Sessions aus der Aufsicht über die Russland-Ermittlung wegen Befangenheit zurückgezogen hat.

Weil Trump allerdings - anders als bei seiner Reality-Show "The Apprentice" - ungern selber Mitarbeiter entlässt, mobbt er Sessions. Offenbar hofft er, dieser würde freiwillig abtreten. Ein neuer Justizminister könnte dann, so die kolportierte Kalkulation, auch Russland-Sonderermittler Robert Mueller entlassen. Gegen diese Pläne regt sich allerdings im Senat Widerstand, auch auf konservativer Seite.

Weil auch das Trump-Umfeld dem US-Präsidenten von einer Entlassung abrät und Sessions einen Rücktritt kategorisch verweigert, könnte der Justizminister das Mobbing seines Chefs vorläufig überstanden haben. In einem Interview mit Fox News sagte Sessions am Donnerstag, Trumps Kritik sei "schon schmerzhaft" gewesen. Die Angriffe seien nicht leicht zu schlucken. Trotzdem verteidigte er seinen Boss als "starken Anführer", der die USA "wieder groß" machen wolle.

Vorerst kein "Rexit"

Immerhin meldete sich am Mittwoch ein weiterer Abschiedskandidat zurück: Außenminister Rex Tillerson war unvermittelt für einige Tage in den Urlaub verschwunden. Dies hatte Gerüchte über einen anstehenden "Rexit" ausgelöst. Der 65-Jährige gilt als politisch kaltgestellt, wird ständig vom Weißen Haus gemaßregelt und erscheint bereits als amtsmüde. "Ich gehe nirgendwohin", verkündete Tillerson nun. Aus seinem Umfeld heißt es jedoch US-Medien zufolge, sein Ziel sei einzig die Vollendung des Kalenderjahrs im Amt.

Ähnlich wie Tillerson geht es auch Trumps Sicherheitsberater H. R. McMaster. Dessen größtes Problem: Trump langweilt sich, wenn der General ihm die Welt zu erklären versucht.

Wieder höher im Kurs steht dagegen derzeit Trump-Berater Bannon. Der war vor einigen Monaten mit Trump-Schwiegersohn Jared Kushner aneinandergeraten und galt bereits als akut entlassungsgefährdet. Inzwischen jedoch hat sich die Lage beruhigt - auch weil sich der ehemalige Chef des Online-Mediums Breitbart starke Zurückhaltung auferlegt und eher an den Rand des inneren Machtzirkels gerückt ist.

Verwandtschaft als Job-Versicherung?

Bannon dürfte erkannt haben, dass Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner für Trump die einzig unverzichtbaren Mitarbeiter sind. Im Weißen Haus können sie Karrieren beschleunigen oder auch beenden. Wie es heißt, sieht das Ehepaar Kushner - ebenso wie Trumps Ehefrau Melania - Reince Priebus schon länger als Hauptverantwortlichen für die schlechten Umfragewerte ihres Vaters. Die Kushners waren es auch, die Scaramucci schließlich zu seinem Job verhalfen.

Am Ende scheint es, als sei die einzige Job-Versicherung im Weißen Haus die Verwandtschaft zum Präsidenten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: