USA:Trump wird der Welt neue Regeln verpassen

Donald Trump ist ein unberechenbarer Präsident. Das macht ihn mächtig - aber auch so gefährlich. Jetzt schlägt die Stunde der Psychologen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Wer zu Beginn seiner Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten vor der Kulisse des Kapitols steht, der redet für die Geschichte. Die Inaugurations-Ansprache ist das erste und vielleicht wichtigste Dokument einer neuen Regierung.

Hier setzt der Präsident Ton und Maß für das Werk, das in den kommenden vier Jahren wachsen soll. Hier entsteht die Vision, die eine Regierung, das Parlament, den gewaltigen Washingtoner Apparat, die ganze Nation und ja, sogar große Teile der Welt motivieren, leiten und im besten Fall begeistern soll.

Donald Trumps Vision bestand aus einer Beleidigung und einem einzigen, in chauvinistischem Nationalismus getränkten Satz: "America first." Die Beleidigung galt allen, die Trump nicht gewählt haben und die bisher Verantwortung trugen für das Land: Sie haben nach Ansicht des neuen Präsidenten versagt, sind Teil einer korrupten, verrotteten Maschine aus Insidern und sich selbst bereichernden Egomanen.

Wenn es einen letzten Beweis für den zwergenhaften Trumpschen Geist, für seinen hassgetriebenen Charakter geben musste: Der Präsident hat ihn in zwanzig Minuten auf den Stufen des Kapitols geliefert. Er erklärte seine Gegner zu Feinden des Landes und den Rest der Welt zu Feinden Amerikas. Kein gutes Wort über seinen Vorgänger, kein Wort in der Rede über seine Gegnerin im Wahlkampf. Trump sucht die Gegnerschaft, ja die Feindschaft. Das muss allen klar sein, die künftig mit ihm Politik machen müssen, ob in Washington oder Berlin.

Trumps Rede gab keine Auskunft darüber, wie dieser Mann im Amt zu wachsen gedenkt. Sie gab nicht einmal Antwort, ob er überhaupt wachsen kann. Trump missbrauchte seine ersten Minuten als Präsident für eine wüste populistische Beschimpfung, eine Fortsetzung seines spalterischen und agitatorischen Wahlkampfgeschwätzes. Trump verhöhnte den historischen Augenblick.

Trump - so viel lässt sich heute bereits sagen - wird einer der am wenigsten berechenbaren Präsidenten sein, die dieses Land je geführt haben. Trump kann heute dies sein, morgen jenes. Ganz sicher aber ist er ein Präsident des Zorns und des Regelbruchs, der sich nicht nur dem etablierten politischen Personal verweigert, sondern den Grundprinzipien einer aufgeklärten, auf Rationalität und Argumentation fußenden Politik.

Der Präsident des Zorns bricht mit allen amerikanischen Denkschulen

Amerikas (außen-)politische Denkschulen werden unter den Namen ihrer prominentesten Vertreter geführt: Die Hamiltonians sind überzeugt von der Kraft des Marktes und Amerikas Stärke als Handelsmacht; die Jeffersonians sind die Zauderer, die aus Furcht vor einer Überforderung in der Welt zurückschrecken; die Woodrow-Wilson-Schüler glauben an die segensreiche Wirkung der Völkergemeinschaft und des internationalen Rechts; und die Jackson-Jünger sind die kaltblütigen Realisten, für die Amerika sich selbst genug sein muss, wobei das Militär aus ihrer Sicht durchaus mit der Keule Ordnung schaffen darf.

Trump wird in diesem Katalog nicht vorkommen. Bisher steckte in jedem Präsidenten ein Stück von Hamilton, Jefferson, Jackson oder Wilson. Kaum so in Trump. Selten hat ein Präsident so viele Rätsel über Prägung und Ziele aufgegeben wie eben Donald Trump.

Trump ist ein Produkt des Zeitgeistes, er steht für die Sorgen jener Hälfte der Amerikaner, denen die Politik zu kompliziert und die Welt zu unheimlich geworden ist. Dieser isolationistische Zug hat eine große Tradition. Seine Anhänger sehen sich als benachteiligt oder gar vergessen an, die Politik spricht nicht ihre Sprache und macht sie nicht mehr stolz. Donald Trump ist in all seiner Widersprüchlichkeit, Unehrlichkeit und Vulgarität ihr Vorbild, er ist der fleischgewordene Zorn auf diese Welt. Dieses Gefühl muss er nun in Politik umsetzen.

Allerdings: Ganz so rätselhaft ist dieser amerikanische Präsident nach Wochen geradezu hysterischer Erforschung nun auch nicht mehr. Gewiss ist, dass man sich Trump nicht so sehr mit politischen Modellen nähern sollte, sondern eher mit den Erklärungsmustern der Psychologen. Gewiss ist, dass kein Präsident das Amt mit geringerer Zustimmung angetreten hat. Und ohne Zweifel ist, dass Trump veritable Ängste auslöst - in den USA und überall auf der Welt.

Die Irrationalität ist die wichtigste Quelle seiner Macht

Dies ist die wohl größte Sorge: Der amerikanische Präsident ist der amerikanische Präsident. Ob er nun meint, was er sagt, ob er seinen Willen durchsetzt, ob der Apparat ihn fesselt, ob der politische Prozess ihn dämpft - all das ist zweitrangig. Vorrangig ist das Wort. Ein so machtvoller Staatenlenker wie der US-Präsident verändert die Welt bereits mit seinen Worten.

Trump sendet seine Signale instinktiv aus, er genießt die Aufmerksamkeit und die Brüche, die er erzeugt. Er ist kein rationaler Entscheider, sondern ein emotionaler Pulsgeber. Und er widerspricht sich auch gerne mal zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang.

Diese Irrationalität ist die wichtigste Quelle seiner Macht, sie lässt auch geopolitische Opportunisten in Moskau oder Peking schaudern. Ein Wladimir Putin ist mit all seinen grünen Männchen geradezu berechenbar. Das chinesische Kommandosystem ist ein Vorbild an Transparenz gemessen am neuen Hofstaat in Washington.

Dieser Trump-Stil ist am Ende gefährlicher als die Politik, die daraus folgt oder auch nicht folgt. Der Trumpismus wird prägend sein für ähnliche Herrscher-Typen auf der Welt. Schlimmer noch: Gemessen an den Taktschlägen aus dem Tower ist die Zähigkeit und Abwägerei etwa einer Angela Merkel einschläfernd. Trump zerstört das Handwerk der Politik, er ignoriert das Argument und die Rationalität. Very sad, wie er sagen würde.

So beginnen also die Spiele. Für die Weltwirtschaft und die Außenpolitik gelten bald neue Regeln. Donald Trump wird sie schreiben. Und weil er vom Streit und nicht vom Ausgleich lebt, hat er das Zeug zum Revolutionär. Der Narzisst im Weißen Haus in Washington lernt die neue Welt gerade erst kennen. Er will sie nach seinem Bild formen.

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