US-Konjunkturpaket:"Wir können nicht posieren und zanken"

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US-Präsident Obama beschwört den Kongress, das Konjunkturprogramm so schnell wie möglich zu verabschieden. Doch noch wird verhandelt.

New York

Da ist er wieder: Der Stimmungsmacher, Menschenfänger, Wahlkampfredner. Kein Monat ist seit dem Amtsantritt von Barack Obama vergangen, und schon wirbt er wieder um die Unterstützung des Volkes. Umringt von seinen Anhängern steht Amerikas Präsident in der Sporthalle der Kleinstadt Elkhart in Indiana.

Barack Obama beschwört den Kongress, schnell das Konjunkturpaket zu beschließen. (Foto: Foto: AFP)

Sein dunkler Anzug sitzt perfekt, als er ans Podium tritt und mit ernster Stimme über die Krise der amerikanischen Wirtschaft spricht.

Im Spätsommer, auf dem Höhepunkt des Duells mit dem Republikaner John McCain, flimmerten solche Bilder täglich über die Fernsehschirme. Inzwischen ist Obama Präsident, es gibt eine handfeste Rezession - und aus Wahlversprechen müssen Gesetze werden. Eine mühsame Aufgabe, frustrierend manchmal, genau wie es Obama prophezeit hat.

"Ich bin nach Indiana zurückgekommen, weil ich meine Versprechen halten will", ruft der Präsident der Menge zu. Elkhart hat eine der höchsten Arbeitslosenquoten in den USA. Sie hat sich verdreifacht innerhalb eines Jahres und steht nun bei 15,3 Prozent. Obama versucht, den Menschen Mut zu machen. Er will Hoffnung geben. Genau wie im Wahlkampf.

Aber dieses Mal wird er konkret. Er verspricht Elkhart den Wiederaufbau der örtlichen Autobahn und eine neue Überführungsstraße. 80.000 Arbeitsplätze will er in Indiana sichern. Er verspricht den Menschen eine Steuergutschrift von 500 Dollar, eine Krankenversicherung, mehr Arbeitslosenhilfe, neue Ausbildungsprogramme - aber all das nur, wenn der Kongress das 827-Milliarden-Dollar-Konjunkturprogramm verabschiedet, den Stimulus, über den Amerika seit Wochen streitet.

"Wir können es uns nicht leisten zu warten", sagt Obama. "Wir können nicht warten und auf das Beste hoffen. Wir können nicht posieren und zanken und in die gleichen gescheiterten Denkmuster zurückfallen, die uns die Misere erst beschert haben. Das ist das, worum es bei dieser Wahlen ging: Die Amerikaner haben diese Ideen abgelehnt, weil sie nicht funktioniert haben."

Was der Präsident meint, sind die massiven Steuersenkungen, von denen viele Republikaner ihre Zustimmung zum Stimulus abhängig machen. Diese Politik sei unter Bush fehlgeschlagen, sagt Obama. Seine demokratischen Parteifreunde haben zwar im Abgeordnetenhaus eine stabile Mehrheit. Doch im Senat, der mächtigen zweiten Kammer des Kongresses, ist es knapp.

Die Demokratien dürfen sich keine Abweichler in den eigenen Reihen leisten und müssen mindestens einen Republikaner auf ihre Seite ziehen. Der jetzige Kompromiss trägt den Mehrheitsverhältnissen Rechnung: Er sieht etwas mehr Steuersenkungen und etwas weniger Geld für Schulen vor als der Gesetzesentwurf, den des Abgeordnetenhaus verabschiedet hatte.

Nach seinem Auftritt in Indiana flog Obama zurück nach Washington, wo er Journalisten einberufen hatte. Dies war seine erste Pressekonferenz als Präsident, und Obama hielt sie im Stile einer Ansprache. Den zur besten Sendezeit zugeschalteten Amerikanern versprach er, der Stimulus werde vier Millionen Arbeitsplätze schaffen oder erhalten. Immer wieder nahm er Bezug auf die Misere, die er zuvor in Elkhart besichtigt hatte. Die Botschaft war eindeutig: Elkhart droht überall.

Abstimmung am Dienstag

Ein paar Stunden zuvor hatte das neue Konjunkturgesetz eine Probeabstimmung im Senat bestanden. Allerdings leisteten die Republikaner heftigen Widerstand. Lediglich 61 Senatoren stimmen am Ende dafür, nur einer mehr als nötig. Am heutigen Dienstag soll das eigentliche Votum folgen. Wenn alles gutgeht, werden sich Senat und Abgeordnetenhaus dann auf einen gemeinsamen Entwurf einigen.

Gegen Ende der Woche, so hoffen die Demokraten, könnte Obama das Gesetz unterzeichnen. Doch die Republikaner geben sich noch nicht geschlagen. Allen voran: John McCain, der Obama nach dessen Wahlsieg eine konstruktive Zusammenarbeit versprochen hatte. Der Senator aus Arizona sieht in dem Stimulus eine gewaltige Verschwendung von Steuergeld.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wo Obama seine Werbetour für das Konjukturprogramm fortsetzt.

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Obama zeigt sich unbeeindruckt von der Widerspenstigkeit seines alten Rivalen. Aber er will den Druck auf den Kongress aufrecht erhalten. In der vergangenen Woche musste er sich vorhalten lassen, die Meinungsführerschaft über das Konjunkturprogramm erzkonservativen Radiomoderatoren überlassen zu haben.

Diesen Fehler will der Präsident nicht wiederholen. Zu viel steht auf dem Spiel, für das Land, aber auch für ihn: Kein Nimbus ohne Stimulus.

Sammelsurium ohne roten Faden

Noch heute wird Obama daher seine Werbetour fortsetzen, in Fort Myers, Florida. Die Stadt und ihre Vororte sind wie kaum eine andere Region in den USA von der Immobilienkrise betroffen.Tausende Familien haben ihr Zuhause verloren. Ganze Straßenzüge sind verwaist. Und die Zahl der Verbrechen steigt rasant, melden die Sheriffs in Lee County. Gangs und Drogendealer haben in den leerstehenden Häusern Unterschlupf gefunden.

Obama wird in Fort Myers von Charlie Crist empfangen, dem republikanischen Gouverneur des Sunshine States. Crist ist einer der charismatischsten Anführer des moderaten Flügels der Republikaner. Und er unterstützt das Konjunkturprogramm, schließlich soll Geld aus Washington in sein Prestigeprojekt fließen: Die Rettung der Everglades.

Floridas Behörden haben schon 1,16 Milliarden Dollar für zehn Renaturierungsprojekte angefragt, die 2000 Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig der Umwelt helfen sollen. Obama mag solche Initiativen. Während des Wahlkampfs sprach er sich für den Schutz der Sümpfe Floridas aus. Ursprünglich sollte das Konjunkturprogramm nicht nur ein Impuls für die Wirtschaft werden, sondern zugleich der Anstoß zur grünen Modernisierung Amerikas.

Nur: Viel ist von diesem Ideal nicht übrig geblieben. Dem Stimulus fehlen klare Konturen. Er ist ein Sammelsurium aus Einzelinitiativen. Ein fast 800 Seiten starkes Gesetz ohne roten Faden. Das Ergebnis: Linke Ökonomen wie Paul Krugman sind ebenso unzufrieden wie die marktliberalen Kommentatoren des Wall Street Journals.

Die einen bemängeln die Steuersenkungen, die anderen die staatlichen Ausgabenprogramme. Das Land, von dem Obama im Wahlkampf geschwärmt hat, in dem Konservative und Progressive gemeinsam im besten Interesse des Landes handeln, dieses neue Amerika, das er in Elkhart erneut beschwor, lässt auf sich warten.

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