Krieg in der Ukraine:Jenseits von Minsk beginnen die Probleme

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Kürzlich mobilisierte ukrainische Paramilitärs üben auf einem Militärgelände in der Nähe der Stadt Schytomyr. (Foto: dpa)

Das Minsk-2-Abkommen hat keine sicherheitspolitische Ordnung für Europa geschaffen. Diese ergibt sich gerade an anderen Schauplätzen - getrieben von der Angst der Skandinavier und der Balten, provoziert durch russische Muskelspiele.

Kommentar von Stefan Kornelius

Gesundbeten lässt sich die Ukraine nicht - diese trübselige Erfahrung werden auch jene Teilnehmer der Minsker Verhandlungsrunde machen, die noch immer stoisch auf die Fortschritte verweisen, die das Abkommen gebracht hat. Diese Fortschritte mag es geben, aber gleichzeitig gibt es mehr Waffen, und es wird mehr geschossen, es gibt keine vernünftigen Gespräche zur Umsetzung der Beschlüsse, und es gibt nicht den Hauch von Vertrauen. Minsk ist also eher ein Waffenstillstandsabkommen als ein Friedensschluss. Mit dem Waffenstillstand wurde ein Wünsch-dir-was-Katalog geliefert, aber es fehlt die Bestelladresse für die vielen schönen Versprechungen.

Minsk hat den Sicherheitszaun zwischen den Kriegsparteien ein wenig höher gezogen, aber er schreckt noch lange nicht ab. Abschreckend allein war die Drohung an Russland mit neuen Sanktionen. Diese Drohung verliert mit jedem Tag an Wert, an dem im Westen die Müdigkeit vor dem Krieg wächst. Der Krieg kocht ständig auf niedrigster Flamme, das erschöpft. Die EU wird ihre Geschlossenheit nur mit Mühe wahren können, in den USA beginnt die wenig berechenbare Wahlsaison.

Viele Motive für eine Wiederbelebung des Krieges

Für eine Wiederbelebung des Krieges gibt es viele Motive. Für die Oligarchen-Kämpfe und die politischen Machtduelle in Kiew kann Mariupol als ausgelagerte Spielstätte dienen. Für die Separatisten gibt es lohnende Industrieziele. Und Russland, dem man schon im vergangenen Sommer kein Interesse an einem Donbass-Krieg nachgesagt hatte, schickt weiter Waffen. Warum? Der Donbass mag zerstört und entvölkert sein, als strategischer Vorposten und kontrollierter Unruheherd ist die gesamte Ukraine mehr als interessant.

Zur Ehrlichkeit über Minsk gehört, dass der Westen mit dem Verhandlungsduo Merkel/Hollande nie in einer Position der Stärke war. Die Sanktionsdrohung war mächtig, aber mächtiger war die Furcht vor einem Zerfall des europäischen Lagers. An dieser Versuchsanordnung hat sich praktisch nichts geändert.

EU kann das Minsker Abkommen nicht preisgeben

Deswegen beginnt nun die eigentliche Mühsal. 16 Stunden in einem Verhandlungssaal waren eine Kleinigkeit verglichen mit der Ausdauer, die nun gefragt ist. Der Westen, Europa, Deutschland stecken mitten drin in diesem Konflikt, der nach Belieben angeheizt und wieder abgekühlt werden kann. Das macht ihn so gefährlich: Wer sich auf ihn einlässt, lässt sich auf die Logik eines Wladimir Putin ein. Der hat kein Interesse an einer klaren Grenzziehung zwischen den Sphären, sondern kann, wie es ihm passt, die Außen- und Sicherheitspolitik der EU beeinflussen.

Dies ist das Dilemma der EU: Sie hat so viel in Minsk investiert, dass sie das Abkommen nicht preisgeben kann. Aber Minsk hat keine sicherheitspolitische Ordnung für Europa geschaffen. Die ergibt sich gerade an anderen Schauplätzen - getrieben von der Angst der Skandinavier und Balten, provoziert durch die russischen Muskelspiele, angeheizt durch die Machtkämpfe in der Ukraine. Jenseits von Minsk beginnen die Probleme erst.

© SZ vom 15.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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